Bei der Schondorfer Gemeinderatssitzung am 22. Februar stand ein recht harmlos erscheinender Punkt auf der Tagesordnung: Eine Partei möchte eine öffentliche Veranstaltung mit Plakaten im Gemeindegebiet bewerben. Sollte das erlaubt werden?
Worum geht’s hier eigentlich? Ach, egal. |
Politik zu den Menschen bringen
Um dieses Thema entwickelte sich dann eine recht lebhafte Diskussion. Man war sich einig, dass es kein akutes Problem ist. Zum Glück ist die Ammerseeregion – außer in Wahlzeiten – nicht mit politischen Plakaten vollgekleistert. Es ging bei der Argumentation also mehr um das Prinzipielle.
Die Befürworter betonten, dass man gerade heute Politik zu den Menschen bringen müsse. Die Bürger sollen sehen, dass politisch gearbeitet wird. Auch wurde angeführt, dass das Geld für Öffentlichkeitsarbeit knapp sei. Man brauche die kostengünstige Plakatwerbung, um die Leute zu erreichen.
Das Geld sei auch bei Vereinen oder Geschäftsleuten knapp, wurde dagegen gehalten. Diese dürften aber trotzdem nicht auf geldsparende Plakatständer zurückgreifen, sondern müssten für Werbung bezahlen. Außerdem gebe es auch so genug Möglichkeiten, um auf eine Veranstaltung aufmerksam zu machen. Termine könnte man beispielsweise über die öffentlichen Aushangflächen, über die Lokalpresse, oder auch im Internet ankündigen.
Gleiches Recht für alle?
Ein weiteres Gegenargument war die Angst, einen Präzedenzfall zu schaffen. Wenn man nun einer Partei erlaubt eine Veranstaltung mit Plakaten zu bewerben, werden dann andere das selbe Recht einfordern? Ich stelle mir mal vor, die NPD würde einen Miss Germania Bewerb plakatieren wollen. Könnten die dann auf gleiches Recht für alle pochen?
Diese Bedenken versuchte die Verwaltung zu zerstreuen. Unabhängig vom jetzt diskutierten Fall bleibe die Entscheidung auch in Zukunft der Gemeinde vorbehalten.
Am Ende setzten sich die Befürworter durch. Die Plakataktion wurde gegen die Stimmen der Freie Wähler Gemeinderäte und Rudi Hoffmann (Grüne) abgesegnet.
Privilegien für Parteien
Wie gesagt, die Entscheidung wird in der Praxis wenig verändern. Das Ammerseeufer ist nicht mit politischen Botschaften überflutet, und das wird vermutlich auch so bleiben.
Trotzdem finde ich persönlich, dass ein Aspekt in der Diskussion etwas zu kurz kam. Einiges an der zunehmenden Demokratieverdrossenheit geht auf das Gefühl zurück, die Politik würde gerne Spielregeln zu eigenen Gunsten machen. Das Argument hört man an Stammtischen quer durch die Republik, dass „die Politiker“ sich selbst Privilegien verschaffen, die sie den Wählern verweigern.
Meine Befürchtung ist deshalb, dass die Plakataktion nach hinten losgeht. Es könnte der Eindruck entstehen, dass die Parteien gerne Ausnahmen zustimmen, solange sie selbst davon profitieren.
Anstatt die Politik zu den Bürgern zu bringen, würde dann das Misstrauen eher noch geschürt werden.
Vielleicht sehe ich das aber auch einfach zu skeptisch.
Lieber Rainer, wir sind uns ja einig, dass hier kein akutes Problem besteht, sondern wir über prinzipielle Fragen sprechen. Sind Parteien für unser Gemeinwesen wichtig? Ja. Sind Kirchen, Feuerwehr, Kultur-, Sport- oder soziale Vereine für unser Gemeinwesen ebenfalls wichtig? Ja.
Ich glaube, die Bürger sehen hier weniger eine Abstufung in der relativen Wichtigkeit, als einen anderen Unterschied: Nämlich dass die Parteien als Einzige die Spielregeln gestalten können. Wie Du richtig sagst, sind Plakate sehr aufmerksamkeitsstark. Das würden vermutlich auch gerne Feuerwehr, Pro Asyl, Bund Naturschutz, Musikzentrum und viele andere für sich nutzen. Nur können die sich eben das Aufstellen von Plakaten nicht selbst genehmigen. Das können nur die Parteien. Ich denke, mit diesem Privileg sollten die Parteien im eigenen Interesse sehr vorsichtig umgehen.
Lieber Leo, dazu muss man vermutlich im politischen Arbeiten aktiv sein, insbesondere in der heutigen Zeit, in der die großen Medien die Kanäle kontrollieren. Für die kleine Dorfpolitik ist da wenig Aufmerksamkeit: Du kennst deine Zugriffszahlen selbst. Die Auflagen der lokalen Blätter sind überschaubar. Das Plakat ist hier unglaublich aufmerksamkeitstark, das kann man immer wieder sehr schön beobachten.
Und jetzt zum Rückschluss auf 21 GG: die aktive Teilhabe der Bürger in der Politik wird stetig weniger und auch die Anzahl der Parteimitglieder entwickelt sich negativ, obwohl die CSU unter diesem Trend noch am wenigsten zu leiden haben (Es gibt fast 3x so viele CSU Parteimitglieder als z.B. Grüne, Bundesweit!). Die aktive Beteiligung ist in einer Demokratie und und einer Parteiendemokratie eben die Mitglieder elementar.
Und jetzt verbinde ich Argument 1 mit Argument 2: ohne einfache und gut wahrnehmbare Kommunikation kommt man in der Kommunalpolitik nicht ans Ohr der Bürger. Deshalb sollten wir die Regulierungswut nicht überhand nehmen lassen, insbesondere nicht ohne Not. Es geht um die politische Willensbildung vor Ort und Plakate sind eine der ganz wenigen Möglichkeiten um durchzudringen.
Letztlich regelt sich das von selbst: wer es übertreibt, für den schlägt's ins Gegenteil um.
Lieber Rainer, in der Sache kann ich deine Überlegungen durchaus nachvollziehen. Den von Dir zitierten Artikel 21 GG finde ich hier aber kein sehr schlagkräftiges Argument. Hier ist lediglich von einer Mitwirkung an der politischen Willensbildung die Rede. Einen Sonderstatus oder besondere Privilegien kann ich daraus nicht herauslesen.
Lieber Leo, für die Veranstaltung standen 4 Plakate, vermutlich hat sie kaum jemand gesehen. Plakatieren ist mühsam und Zeitaufwändig. Seit den letzten Wahlen, haben wir einmal plakatiert und zwar für den Beach Cup, ich glaube sonst niemand. Wir sprechen also über ein Problem das keines ist. Wir sollten erst dann Regelungen einführen, wenn's was zu regeln gibt.
Du sprachst über Privilegien der Parteien und wieso sie anders behandelt werden sollen als z.B. Gewerbetreibende. Wir haben eine Parteiendemokratie und deshalb kommt den Parteien eine besondere Bedeutung zu, wie man daran sieht, dass dieser Sonderstatus im Grundgesetzt verankert ist, Artikel 21:
Zitat Anfang –
(1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei. Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen. Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.
(2) Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit entscheidet das Bundesverfassungsgericht.
(3) Das Nähere regeln Bundesgesetze.
– Ende
Es geht um die politische Willensbildung und wie soll die noch stattfinden, wenn man kaum noch Möglichkeiten hat die politische Arbeit sichtbar zu machen?
Die Beteiligung der Bürger in Parteien festigt unsere Demokratie, und dabei spreche ich jetzt ganz bewusst für keine spezielle, aber sicherlich für alle demokratischen Parteien.