Im Rahmen der Kreiskulturtage fand am 7. Juli im Landheim Schondorf eine Podiumsdiskussion über den umstrittenen Komponisten Hans Pfitzner statt. Unter dem Titel „Ein Vermächtnis“ ging es darum, ob und wie an Pfitzner’s Zeit am Ammersee erinnert werden sollte.
Nino Gurevich spielte Pfitzner’s Klaviersonaten |
Wer war Hans Pfitzner?
Ich habe Pfitzner schon einmal im Beitrag „Passt das hierher?“ beschrieben (https://schondorf.blogspot.de/2016/04/passt-das-hierher.html). Hier deshalb nur eine kurze Einführung. Der Komponist Hans Pfitzner ist heute nur noch wenigen bekannt (sein Hauptwerk „Palestrina“ findet sich in der Amazon Bestsellerliste auf Platz 44.393). Nichts desto trotz war er ein bedeutender Komponist der klassisch-romantischen Schule, und Anfangs des 20. Jahrhunderts hoch angesehen. Musiker wie Bruno Walter, Richard Strauss oder Otto Klemperer gehörten zu seinen Bewunderern. Von 1919 bis 1929 lebte Pfitzner in Schondorf am Ammersee. Daran erinnern heute die nach ihm benannte Straße und ein Denkmal in den Seeanlagen.
So weit, so gut. Allerdings komponierte Pfitzner nicht nur, sondern äußerte sich auch lautstark politisch. Er polemisierte regelmäßig gegen das Judentum und unterstützte in Aufrufen Adolf Hitler. Während der NS-Zeit kam er dann zu hohen Ehren, und relativierte noch nach dem Krieg die Greuel der Nazis.
Wie soll man mit diesem schwierigen Vermächtnis umgehen?
Musik und Diskussion
Der Schondorfer Gemeinderat Rainer Jünger moderierte dazu eine Diskussion, zu der er kompetente Gäste geladen hatte. Weil die Veranstaltung nicht nur eine Vorstellung der politischen Gesinnung, sondern auch der Musik Pfitzner’s geben sollte, spielte die Pianistin Nino Gurevich Klavierstücke aus seinem Opus 47 von 1941.
Von links: Andreas Heusler, Alex Dorow, Rainer Jünger, Thomas Raff und Johann Peter Vogel |
Auf dem Podium diskutierten dann Johann Peter Vogel von der Hans Pfitzner-Gesellschaft, der Historiker und Landtagsabgeordnete Alex Dorow, der Kunsthistoriker Thomas Raff, und Andreas Heusler vom Stadtarchiv München. Heusler ist in München für die Überprüfung historisch belasteter Straßennamen zuständig, kennt sich also mit schwierigen Fällen aus. Leider nicht mit auf der Bühne (aber immerhin im Publikum) saß Bürgermeister Alexander Herrmann.
Die höchste Ehre einer bürgerlichen Gesellschaft
Den Anfang machte Stadtarchivar Heusler. Er erinnerte daran, dass die Benennung einer Straße die höchste Ehre ist, die eine bürgerliche Gesellschaft vergibt. Die so Ausgezeichneten sollten deshalb einen Vorbildcharakter haben, der über fachliche Leistungen hinausgeht. Bei Pfitzner hatte er in dieser Beziehung Zweifel.
Dagegen verteidigte Johann Peter Vogel, Autor von zwei Büchern über den Komponisten, „seinen“ Pfitzner mit Hingabe und der Cleverness des erfahrenen Juristen. Sollte ich jemals vor einer Anklagebank stehen, dann möchte ich auch von Dr. Vogel verteidigt werden.
Gewagte Thesen
Dabei kam ihm zugute, dass er sich als einziger auf dem Podium mit Pfitzner wirklich auskannte. Alle anderen Teilnehmer mussten eingestehen, dass sie mit Leben und Werk nicht im Detail vertraut waren. So blieben auch manche Thesen Vogels unwidersprochen, die ich persönlich ziemlich gewagt fand. Beispielsweise, dass Pfitzner zwar immer gegen das „Weltjudentum“ gewettert habe, damit aber eigentlich gar nicht die Juden, sondern den Bolschewismus gemeint habe. Da muss ich mal in den Büchern Vogel’s nachlesen, wie er auf diese Theorie kommt.
Nicht unter den Teppich kehren
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass ein einfaches Entfernen von Straßenschild und Denkmal die schlechtest mögliche Lösung wäre. Pfitzner gehört zur Geschichte Schondorfs, damit muss man sich auseinandersetzen und kann es nicht einfach unter den Teppich kehren.
Wenig überraschend kamen in der Fragerunde des Publikums auch Stimmen auf, warum man denn jetzt über diese alten Geschichten reden müsse. Ob denn nicht einfach alles so bleiben könne, wie es ist?
Dagegen sprachen sich die Historiker auf dem Podium für einen offenen Umgang mit der Vergangenheit aus. Es sei normal, dass es einen gewissen Abstand braucht, bis man die unangenehmen Seiten der eigenen Historie aufarbeiten könne. Wichtig sei, dass nicht ein Mäntelchen des Schweigens darüber gebreitet werde, sondern man in einen kritischen Dialog trete.
Wird das Pfitzner-Denkmal erweitert?
Im Schondorfer Gemeinderat ist das Thema Pfitzner wohl schon hinter verschlossenen Türen diskutiert worden, und wird wahrscheinlich auch in Zukunft wieder auf die Tagesordnung kommen. Eine Idee ist anscheinend, das Denkmal in der Seeanlage so zu erweitern, dass beide Seiten dieser schwierigen Persönlichkeit dargestellt werden.
Aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen
Wenn ich mich richtig erinnere war es Alex Dorow, der den für mich entscheidenden Gedanken der Veranstaltung auf den Punkt brachte. Noch wichtiger als das Ergebnis, meinte er, sei der Weg dorthin. Es ginge darum, aus der Auseinandersetzung mit dem historischen Thema etwas für unsere Zeit und über uns selbst zu lernen. Oder wie es der Philosoph Karl Popper so schön formuliert hat: Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab.
In diesem Sinne werde ich mich jetzt etwas intensiver mit der schwierigen Persönlichkeit Pfitzners befassen, und mich in sein Leben und Werk einlesen, bzw. einhören.