Ich hatte neulich in einem Beitrag darüber geschrieben (Zu Prix sage ich nix), dass die Vorgaben für den Investorenwettbewerb Prixgelände gelockert wurden. Bewerben können sich nun auch Interessenten, deren Vorschläge vom Bebauungsplan abweichen. Je mehr ich darüber nachdenke, desto seltsamer finde ich diese Entscheidung.
Wettbewerb oder Planvorgabe
Auf dem ehemaligen Werksgelände der Firma Prix in Schondorf soll ein Wohngebiet entstehen. Dazu hat die Gemeinde das Areal gekauft, die Hallen abgerissen und mittlerweile alle Altlasten entsorgt.
Nun gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten, an so ein Projekt heranzugehen. Zum einen kann die Gemeinde einen Wettbewerb ausschreiben. Dann schaut man sich die eingehenden Entwürfe an und entscheidet sich für den, der den eigenen Vorstellungen am besten entspricht. Natürlich können dabei bestimmte Rahmenbedingungen vorgeben werden, z. B. eine festgelegte Anzahl von Wohnungen zu sozialverträglichen Preisen.
Die andere Möglichkeit ist, und dafür hat sich Schondorf entschieden, mit einem Bebauungsplan klar festzulegen, was auf dem Gelände wo gebaut werden darf. Es ist sicher müßig darüber zu streiten, welches Vorgehen besser ist. Beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile, und die Entscheidung ist in Schondorf nun mal gefallen.
Ich persönlich finde es übrigens gut, dass die Gemeinde hier auf klare Vorgaben setzt. Wir sollten selbst entscheiden, wie unser Ort in Zukunft aussehen soll.
Bebauungsplan ja, aber …
Mit der Entscheidung vom 9. August hat der Gemeinderat nun aber eine seltsame Mischform aus vorgegebenem Plan und Wettbewerb geschaffen. Es gibt zwar einen Bebauungsplan, aber den interessierten Investoren wird zugesichert, dass auch davon abweichende Entwürfe im Wettbewerb berücksichtigt werden: „Solange sich die Bebauungsvorschläge an die grundsätzliche Festlegung des Bebauungsplanentwurfs halten … werden sie gleichberechtigt in die Auswertung aufgenommen.“
Wie schon eingangs gesagt: Je mehr ich über diese Entscheidung nachdenke, desto seltsamer finde ich sie.
Normalerweise ist ja ein Bebauungsplan eine ziemlich strikte Vorgabe, und um Befreiungen von den Festsetzungen wird im Einzelfall heftig gerungen. Beim Prixgelände wird nun schon im Vorfeld signalisiert, dass man hier großzügig sein will. Das klingt für mich so ähnlich wie: Liebe Immobilieninvestoren, wir haben zwar einen Bebauungsplan, aber das müsst ihr nicht so eng sehen.
Zwei-Klassen-Baurecht
Ich frage mich, ob das nun in anderen Ortsbereichen von Schondorf auch so gehandhabt wird. Auch für das Gebiet Am Griesfeld wird ja gerade ein Bebauungsplan erstellt. Wird man den Bauherren dort ebenso großzügig entgegenkommen, oder entsteht hier ein Zwei-Klassen-Baurecht? Wird Großinvestoren in vorauseilendem Gehorsam eine flexible Auslegung zugesichert, während der normale Häuslebauer um eine etwas größere Terrasse oder Dachgaube zäh kämpfen muß?
Ich selber bin in Fragen des Baurechts ein Laie. Ich würde mich ehrlich freuen, wenn Leser, die etwas von der Sache verstehen, mir das erklären könnten.
Sind meine Bedenken berechtigt oder unbegründet?
Zu PRIX wollte ich aufgrund der mannigfachen Enttäuschungen für unser gemeinschaftliches Wohnprojekt der Fortgeschrittenen eigentlich auch nichts mehr sagen, aber Leo's letzter Beitrag und die Kommentare hierzu fordern mich…
Es war sicher beste Absicht zweier architektur-affiner Gemeinderäte die Ausschreibungs-Bedingungen in Richtung mehr Flexibilität zu verändern. Leider bringt die Streichung einiger Worte durch den Gemeinderatsbeschluß überhaupt nichts. Wie die Gemeinde 'tickt', zeigen eindeutig die Antworten auf diverse Fragen potentieller Investoren, demnach bleiben die rigiden Vorgaben erhalten, die genau verhindern, daß auch andere architektonische Konzepte mit einer gewissen Chance auf Berücksichtigung eingereicht werden. Dies ist auf der Schondorfer Homepage unter 'Prixgelände' zweifelsfrei nachzulesen.
Zu den zuvor von M.Rathke beschriebenen Vorgaben kommen ja auch die zwingenden Festlegungen von Reihenhaus-Anordnungen mit fixierter Anzahl (damit Größe) der Wohneinheiten dazu, die kaum unterschiedliche Angebote, geschweige denn mit relevant städtebaulich interessanter Wirkung, erbringen können.
So blieb zu hoffen, daß wenigstens der große Riegel, genannt der 'Aal', Architekten herausfordern könnte, in der besonderen und schwierigen Lage eine spannende Lösung zu finden. Aufgrund der exorbitanten Kostenvorgaben durch die Gemeinde dürfte dies aber auch scheitern, weil ich niemanden sehe, der dort für deutlich über € 5.000,– für den qm Wohnfläche wohnen wollte…
So befürchte ich, daß nurmehr e i n großer Investor/Spekulant über eine Mischkalkulation für das gesamte Gelände und eine rein zweckmäßige kostenoptimierte Bauweise einerseits die 30% Einheimischen-Sozialquote (evtl.) erfüllen kann und andererseits hierfür 70% Auswärtige anwirbt, die angeblich in Schondorf jeden Preis zahlen.
Die ursprünglichen Vorstellungen für ein gutes soziales Miteinander in einem schönen neuen Wohnquartier, passend zu Schondorf, können wohl ad acta gelegt werden.
Leo, auf die Frage nach der "seltsamen Mischform" die nach der letzten Sitzung der Gemeinde nunmehr auf das Prixgelände angewendet wird hast Du natürlich vollkommen recht. Die Antwort auf die verworrene Situation ist einfach: Angst raus, Vertrauen rein.
Der Gemeinderat ist von der Angst getrieben, bei der Auslobung eines Architektenwettbewerbs zahlreiche extreme Architektenentwürfe zu erhalten und im Anschluss von einer Jury vorgeschrieben zu bekommen welchen Entwurf sie zu nehmen hat – so die Aussage aus dem Bauamt auf Nachfrage. Deshalb lieber Bebauungsplan. Das ist natürlich Unsinn, da die Gemeinde zu jedem Zeitpunkt die Hoheit über jegliche Entscheidung hat.
Was bringt also ein Architektenwettbewerb?
Die vielfältigen Möglichkeiten der Anordnung von Baukörpern, Freiflächen und Grünanlagen können nur gezeigt werden, wenn viele Verfasser teilnehmen. Als gestalterische Vertiefung kann man die Detaillierung einzelner Gebäudeteile fordern. Der Einklang aus grossem städtebaulichem Entwurf und gestalterischem Detail wäre gewährleistet. Das Ganze kostengünstig, da bei solchen Verfahren, trotz vieler Teilnehmer, am Ende nur einer den Auftrag, also auch das Honorar, erhält – so etwas gibt es nur in der Architektenbranche.
Auf Grundlage eines solch detaillierten Entwurfs, den die Gemeinde im Einklang mit einer Fachjury ausloben könnte, hätte ein Bebauungsplan entwickelt werden können. Kleinere Baugruppen und Genossenschaften, aber auch grössere Investoren hätten Anteile erwerben können, sozialverträglich und bezahlbar, so wie die Gemeinde sich das wünscht.
Finanzen und Gestaltung wären klar getrennt gewesen.
Stattdessen wurde ein Architekturbüro mit der Planung beauftragt und der Gemeinderat wacht über die Gestaltung. Es braucht nicht viel um zu verstehen, dass man damit nur die Sicht eines Planers erhält, so flexibel der auch sein mag. Vielfalt, die bei so einer Aufgabe reichlich angelegt ist, erhält man so nicht – die hat man geradezu ausgeschlossen.
Zumal ein Bebauungsplan nur das Baurecht, also Höhe, Breite, Dachneigung regeln kann. Es kann also passieren (und das sieht man in vielen solchen Siedlungen), dass der eine in Schwarzwaldhütte baut und der Nachbar in kubischem Sichtbeton. Und keiner kann es verhindern.
Jetzt also die nachträgliche Aufweitung des Bebauungsplanes hin zu mehr Gestaltungsfreiheit. Mit der geht eine Konsequenz einher: das können nur Investoren, die grössere Teile bzw. das ganze Areal erwerben.
Die ursprünglich gewünschten kleineren Baugruppen oder Genossenschaften die sich für einzelne Parzellen interessieren, können das nicht leisten.
Ergebnis: für die grossen Investoren wurde das Feld geöffnet. Sie werden Vorschläge unterbreiten die im Einklang mit ihren wirtschaftlichen Interessen stehen und versuchen die Wohnungen so teuer wie möglich zu verkaufen.
Die Wünsche der Gemeinde nach hochwertiger Gestaltung, bezahlbarem und sozial verträglichem Wohnraum für Grosse und Kleine sind so nicht realisierbar.
Fazit: Angst raus, Vertrauen rein – einen Architektenwettbewerb veranstalten, losgelöst von Finanzspekualtionen, ist der richtige Weg zur besten Siedlung.
Die rechtliche Frage ist ein interessanter Aspekt, Rainer? Wäre es theoretisch möglich, dass ein Investor klagt, weil er nicht zum Zug kommt?
Meine Ansicht dazu habe ich klar in der Gemeinderatssitzung geäußert. Leo, ich sehe das ähnlich wie du. Wir hatten 3 Varianten diskutiert: 1. Selber bauen (viel Arbeit, Gemeinde ist Bauherr, maximale Kontrolle), 2. Bebauungsplan mit anschließendem Investorenwettbewerb, dafür haben wir uns entschlossen (wenig Arbeit, Investor ist Bauherr und auch der, der die Gewinne bekommt, Kontrolle über das was gebaut wird), 3. Architektenwettbewerb.
Jetzt sind wir irgendwo zwischen 2. und 3. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass wir nicht wie ein Unternehmen über frei über einen Dienstleister entscheiden dürfen, sondern wir sind klar an die Ausschreibungsregeln gebunden. Und was dieser "Zwitter" letztlich für rechtliche Implikationen bringt, werden wir sehen. Ich selbst kann dies baurechtlich nicht abschätzen und auf den Rat der Fachleute angewiesen. Der Entwurf für die Antwort wurde von unserem Baujuristen Hoffmann vorgegeben. Dass wir nach dem Antrag eines Gemeinderates einfach 2 Worte wegstreichen, kann ungeahnte Folgen haben, die der Gemeinderat einfach nicht abschätzen kann, deshalb habe ich auch dagegen gestimmt. Das war mir wirklich zu heiß. Dazu hätte ich erst den Rat des Juristen eingeholt. Jeder der selbst schon mal versucht hat Verträge zu formulieren, weiß wie gut man es damit selbst meint und was aus juristischer Sicht damit passiert.
Gut ist zu wissen, dass wir KEINEN der Vorschläge umsetzen müssen! Wir müssen also kritisch, offen und standhaft zugleich bleiben und ggf. wieder zurück auf Start gehen, bevor wir einen Schandfleck für unser Dorf bauen lassen! Allerdings ist der politische Druck mittlerweile sehr hoch: Seit 3,5 Jahren ist „nichts passiert“, was natürlich nicht stimmt. Solche Prozesse brauchen seine Zeit, ob so lange, dass vermag ich nicht einzuschätzen. Wenn wir jetzt sagen müssten, dass wir nochmals ein paar Schritte zurückgehen müssen, dann würde das nicht gut ankommen.
Trotzdem, ich bleibe dabei. Lieber dafür geschimpft werden, als einen Entwurf umzusetzen, der nicht zu Schondorf passt.
Aber denken wir bitte zunächst positiv und nicht in Problemen! Es werden gute Vorschläge dabei sein, die wir gerne umsetzen werden. Ich bitte das KommWFP trotzdem weiter im Auge zu behalten und den Blick ab und zu nach Utting zu richten.
Da ich auch Laie bin, kann ich deine Frage leider nicht beantworten. Ich kann nur sagen, wie der oben zitierte Satz bei mir rüber kommt. "Reicht ein, was ihr wollt, wundert euch später aber nicht, wenn wir aufgrund nicht eingehaltener Vorgaben den Antrag ablehnen."
Würde mich mal interessieren, wer sich diese Vorgehensweise ausgedacht hat. Und vor allem, warum. Meine Vermutung: Dahinter steckt eine ganz bestimmte Absicht …
P.S.: Ich habe ein "Foto", das gut zu deinem Artikel passen würde. Ich maile es dir.