Gudrun Daum und Thelonious Monk

Märchen Reloaded von Gudrun Daum
Bild © Gudrun Daum

Gudrun Daum und Thelonious Monk, Sigmund Freud und Choderlos de Laclos – heute wird es ein bißchen länger, dafür gibt es am Schluß zwei Empfehlungen.

Märchen in der Gegenwart

Die Malerin Gudrun Daum hat einen Zyklus „Deutsche Märchen Reloaded“ geschaffen. Ich habe verschiedentlich gehört, sie habe damit die alten Geschichten modernisiert und sexier gemacht. Beides finde ich irreführend. Meiner Meinung nach hat sie einfach sehr einfühlsam die vorhandene Substanz neu übersetzt.

Rotkäppchen 2018

Ihre Arbeiten zeigen, dass die von den Brüdern Grimm gesammelten Geschichten heute so aktuell sind wie 1812. Die Frage „Wer ist die Schönste im Land?“ beschäftigt die Menschen damals wie heute. Den in „Schneewittchen“ täglich befragten Zauberspiegel tragen wir jetzt als Handy mit Instagram und Facebook jederzeit bei uns. Die Angst vor den im Finstern lauernden, animalischen Bedrohungen ist heute noch so real wie zu Rotkäppchens Zeiten. In Daum’s Bildern ist nur der tiefe Wald durch die dunklen Straßen der Stadt ersetzt.
Die Grimm’schen Märchen müssen auch gar nicht erotisiert werden, das steckt schon tief in den Geschichten drinnen. Bereits Sigmund Freud hat das erforscht. Wer glaubt schon, dass das schlüpfrige, eklige Ding, das die Prinzessin in ihr Bett lassen muss, ein Frosch wäre?
Gudrun Daum hat die Märchen also weniger modernisiert, als ihren Inhalt unter der kindgerecht geglätteten Oberfläche freigelegt.

Gefährliche Liebschaften

Gerade als ich über die Ausstellung von Gudrun Daum nachdachte, stieß ich auf eine Platte des Jazzpianisten Thelonious Monk. Auch hier geht es um die neue Version einer alten Geschichte, diesmal aus dem Jahr 1782. Es ist der Roman „Gefährlichen Liebschaften“ von Choderlos de Laclos. Auch dieser wurde einmal behutsam neu übersetzt, nämlich in der Verfilmung von Roger Vadim aus dem Jahr 1959 (Nicht Stephen Frears‘ langweiliger Kostümschinken von 1988).

Vom Ancien Régime in die Jazz Clubs

Es ist überraschend, dass ausgerechnet Vadim eine so kongeniale Interpretation gelungen ist. Sonst kennt man ihn ja eher als Regisseur flacher Sexfilmchen („Das Gänseblümchen wird entblättert“). Bei den „Liaisons dangereuses“ ist er aber in Hochform. Er transportiert die Geschichte aus den Jahren vor der französischen Revolution mühelos in das Pariser Jet Set der späten 50er. Dabei hilft auch die wunderbar stimmige Musik. Diese stammt unter anderem von Art Blakey, zusammen mit dem leider sehr unterschätzten Barney Wilen.
Ich habe erst kürzlich entdeckt, dass Vadim eigentlich Thelonious Monk als Filmkomponisten wollte. Der konnte aber wegen einer Drogenanklage nicht nach Frankreich reisen, um den Soundtrack einzuspielen. Vadim flog nach New York und Monk spielte an nur einem Tag Musik für den Film ein, die aber nur teilweise verwendet wurde. Die komplette Aufnahme wurde erst letztes Jahr wieder entdeckt und neu veröffentlicht. Die Platte gibt es (natürlich) bei Discy in Landsberg, wo ich die LP  beim letzten Bllack Friday gefunden habe.

Hier also die beiden Empfehlungen:

Gudrun Daum – „Deutsche Märchen reloaded“

Vernissage: 13. April 2018, 19:00 Uhr
Ausstellung: 14./15. April und 21./22. April 2018, jeweils 11:00 – 18:00 Uhr
Studio Rose
Bahnhofstraße 35
Schondorf am Ammersee
www.studio-rose-schondorf.de

Les Liaisons Dangereuses 1960

Thelonious Monk
Sam Records SKU: SRS-1-LP
Erhältlich bei
Discy MusikBuchHandlung
Herzog-Ernst-Straße 179b
Landsberg am Lech
www.discy.de 


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