Schall und Wahn

Die Kritik am Silvesterfeuerwerk gehört mittlerweile zum Jahreswechsel wie das obligatorische Glas Sekt um Mitternacht. Auch die Gemeinde Schondorf hat diesbezüglich einen Brief an alle Haushalte geschickt. Man möge doch bitte nach Möglichkeit auf die Knallerei verzichten oder sie zumindest auf ein erträgliches Maß begrenzen. Im Gemeinderat wurde auch schon über ein Verbot diskutiert (https://www.augsburger-allgemeine.de/landsberg/Verbietet-Schondorf-das-Silvesterfeuerwerk-id54884236.html).

Pro und kontra Silvesterfeuerwerk

Beim pro und kontra fällt mir zuerst das ein, was gegen die Böllerei spricht. Über 4.000 Tonnen Feinstaub werden da in die Luft geballert. Die Silvesternacht sorgt damit für rund 2% sämtlicher Feinstaubemissionen eines Jahres.

130 Mio. € werden für Feuerwerkskörper ausgegeben. Mit dem Geld könnte man Sinnvolleres anstellen, worauf die Aktion Brot statt Böller jedes Jahr wieder hinweist (https://www.brot-fuer-die-welt.de). Haus- und Wildtiere werden aufgeschreckt und zu allem Überfluß erleiden jährlich etwa 800 Menschen Augenverletzungen durch Feuerwerksraketen. Sollte man diese sinnlose Kracherei also verbieten?

Keine Raketen für mich

Eines vorneweg: Mich würde ein Verbot nicht mehr betreffen. Es ist gut und gerne 25 Jahre her, dass ich zuletzt Böller und Raketen für die Silvesternacht gekauft habe. Da waren unsere Kinder noch in einem Alter, dass sie an sowas einen Riesenspaß hatten und – zugegeben – ich auch. Heute gefällt mir ein organisiertes Profifeuerwerk oder das traditionelle Böllerschießen am Ammersee besser (Schondorfer Neujahrsschiessen 2019).

Schondorfer Neujahrsschiessen 2019

Ausschweifung, Rausch, Exzess

Trotzdem kann ich mich nicht mit der Idee anfreunden, dass anderen Leuten ihre Silvesterraketen verboten werden sollen. Natürlich sind wir Menschen vernunftbegabte Wesen und sollten demnach auch vernünftig handeln. Aber die Vernunft ist ja nicht das Einzige, was uns zu Menschen macht. Das Unvernünftige gehört für mich genauso dazu. Auch das Verrückte, Rauschhafte, Exzessive ist Teil unserer Natur. Zum Jahreswechsel mit wildfremden Menschen tanzen, das Gläschen zuviel und der Kater am nächsten Morgen, und eben auch die eigentlich sinnlose Knallerei sind ganz und gar menschlich.

Das ganze Jahr über haben wir genug Zeit, um vernünftig zu sein. Aber zwischendurch können wir das Leben auch einmal so nehmen, wie es Macbeth beschreibt: Als die Erzählung eines Narren, voller Schall und Wahn.

3 Gedanken zu „Schall und Wahn“

  1. Da möchte ich Dir recht geben, Allmählich bekommt man das Gefühl, in eine politisch und auch im Übrigen korrekte, aber völlig freudlose Zukunft gesteuert zu werden. Andererseit kann es nicht schaden, lieb gewonnene, unreflektiert ausgeführte Aktionen (weil Tradition!) zu überdenken. Die Möglichkeit, sich letztlich für das Unvernünftige zu entscheiden, bleibt ja bestehen…

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  2. Seit einer halben Stunde (14.30 Uhr) schleicht mein Kater wieder geduckt durch die Wohnung, weil unten am See ein paar Herren Lärm veranstalten.
    Was dir, lieber Leo, an dieser anachronistischen Veranstaltung gefällt, ist mir ein Rätsel.
    Ein Feuerwerk ist wenigstens schön anzuschauen, diese Böllerschießerei an Neujahrstag dagegen ist einfach nur Krach und in meinen Augen überflüssig wie ein Kropf.
    PS: Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Silvesterrakete abgeschossen. Ich feiere den Übergang ins neue Jahr mit einer Wunderkerze. Die sieht schön aus und ist leise. Und die Umweltbelastung ist minimal.

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    • Du hast schon recht, Renate. Rational ist meine Begeisterung für den Krawall nicht zu erklären. Vielleicht hängt es mit meiner Kindheit in Tirol zusammen. Da stehen die Schützenkompanien aus Andreas Hofer’s Zeiten hoch im Kurs und es wurde zu jeder möglichen Gelegenheit geböllert.
      Es hat natürlich auch damit zu tun, dass sich bei der Gelegenheit das halbe Dorf in der Seeanlage trifft. Wäre es kein Böllern, sondern das traditionelle Schondorfer Papierflieger werfen, würde ich wahrscheinlich genauso gerne hingehen.

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