Liegengebliebenes

Zwischen Weihnachten und Neujahr ist traditionell die Zeit, um Liegengebliebenes aufzuarbeiten. Post wird aufgeräumt und endlich beantwortet, weggeworfen oder vom Stapel links auf dem Schreibtisch in einen neuen Stapel nach rechts umsortiert. Auch im Schondorf Blog gibt es einiges Unerledigtes. Es sind Entwürfe für Beiträge, die ich irgendwann angefangen, aber nie fertig geschrieben habe. Es hat sich einfach nicht die richtige Form dafür gefunden, mir sind die passenden Worte nicht eingefallen.

Hans Pfitzner

Zu dieser Gruppe gehört beispielsweise ein Beitrag über Hans Pfitzner. Der Komponist hat lange in Schondorf gelebt. Ihm sind eine Straße im Ort und ein Denkmal in der Seeanlage gewidmet (Das Vermächtnis großer Namen). Um die vorletzte Jahrhundertwende war Pfitzner hoch angesehen, prominente Musiker wie der Dirigent Bruno Walther schätzten seine Arbeit.

Denkmal für den Komponisten Hans PfitznerNach dem Ersten Weltkrieg begann Pfitzner gegen das Judentum in der Musik zu hetzen und sich später bei den Nazis anzubiedern. Man könne Hitler nicht vorwerfen, was er getan habe, schrieb Pfitzner nach dem Krieg, man könne ihm höchstens vorwerfen, dass er seine Aufgabe wie ein Kammerjäger angegangen habe (womit wohl die Gaskammern in den KZs gemeint sind).

Ich habe mich viel mit Pfitzner auseinandergesetzt, im Internet recherchiert, seine Musik gehört und zwei Biographien über ihn gelesen. Trotzdem bin ich mir unsicher, wie ich ihn beurteilen soll. Entwertet seine menschliche Widerwärtigkeit seinen Rang als Musiker?

Fritz Erler

Ganz ähnlich geht es mir mit meinem immer noch unfertigen Beitrag über Fritz Erler, dessen Werk das Studio Rose 2018 präsentierte (http://schondorfer-kreis.de/2018/09/14/fritz-erler-und-die-kuenstlerkolonie-holzhausen/). Der Maler gehörte um 1900 zur künstlerischen Avantgarde, gründete die Künstlervereinigung Die Scholle und war einer der Wegbereiter des Jugendstils.

Plakat Kriegsanleihe, Maler Fritz ErlerAuch bei ihm war der Erste Weltkrieg eine Zäsur in seiner Entwicklung. Er arbeitete als Propagandamaler für die kaiserliche Armee und entwarf erfolgreiche Plakate für Kriegsanleihen. Den Nationalsozialisten gefielen seine heroischen Kriegerdarstellungen und Erler avancierte zum Porträtisten verschiedener Nazigrößen. Ein Hitlerbild von Erler erwarb die italienische Botschaft im Auftrag von Mussolini.

Wie bei Pfitzner bin ich mir unsicher, ob man künstlerisches Wirken und menschlichen Charakter trennen kann oder trennen soll. Ist es überheblich, als später Geborener über das Verhalten der Menschen dieser Zeit zu urteilen? Der Umgang mit dem historischen Erbe ist schwierig.

Der Schondorfer Bahnhof

Nicht ganz so dramatisch liegt die Sache beim Umgang mit dem historischen Erbe des Schondorfer Bahnhofs. In einem Bürgerentscheid hatte eine Mehrheit dafür gestimmt, die Güterhalle abzureißen um Platz für einen Busparkplatz zu schaffen. Allerdings steht das Gebäude unter Denkmalschutz und kann deswegen nicht einfach platt gemacht werden (Das ungeliebte Denkmal bleibt).

Seither steht die Güterhalle leer und im Gemeinderat sind alle Versuche gescheitert, den Ort neu zu beleben. Am Ammersee Gymnasium hat sich ein Kunstseminar überlegt, was man aus leerstehenden Gebäuden in unserer Gegend machen könnte (Lost Traces).

Ausstellung Lost Traces
Projektideen für leerstehende Gebäude am Ammersee

Eine dieser Projektarbeiten befasste sich mit der Schondorfer Güterhalle. Ich wollte diese Idee vorstellen und dazu auch mit der Urheberin des Plans sprechen. Leider kam ständig etwas dazwischen. Mal war sie im Abiturstress, mal war ich im Freizeitstress, mal war sie verreist, mal war ich unterwegs. Irgendwie sind wir nie zusammengekommen und deshalb liegt die Projektvorstellung immer noch unvollendet bei den Entwürfen.

Bedarfsbus

Bedarfsbus in SchorndorfDa wir gerade vom Busparkplatz gesprochen haben, fällt mir noch ein liegengebliebener Beitrag ein. Weil Google unser Schondorf gerne mit einer Stadt in Baden-Württemberg verwechselt („Meinten Sie Schorndorf?“) stieß ich zufällig auf ein fortschrittliches Nahverkehrsprojekt. Schorndorf setzt nämlich versuchsweise einen Bedarfsbus ein, dessen Routen je nach Bedarf von einem Software-Algorithmus geplant werden. Es ist gewissermaßen eine Weiterentwicklung des Konzeptes der Anruf-Sammel-Taxis (AST).

Das könnte durchaus auch für den Ammersee interessant sein, wo das Netz der Linienbusse bekanntlich etwas dünn ist. Die CSU Bürgermeisterkandidatin Bettina Hölzle hat eine solche AST-Lösung in ihrem Wahlprogramm. Vielleicht eine gute Gelegenheit, um das Modell aus Baden-Württemberg einmal im Detail vorzustellen.

Jetzt bin ich gespannt, ob einer dieser unerledigten Beiträge 2020 fertig wird, oder ob sie zum nächsten Jahreswechsel immer noch in der Schublade mit Unerledigtem liegen.

7 Gedanken zu „Liegengebliebenes“

  1. Ja, die leidige Geschichte der Güterhalle. Tatsache ist, dass die Güterhalle schon unter Denkmalschutz stand, als die Planungen begannen. Das war damals allen Verantwortlichen klar. Es sollte kein `Busparkplatz´ gebaut werden, sondern die gefährliche Einstiegssituation für sehr viele Schondorfer Realschüler sollte verbessert werden. Das war eine Güterabwägung zwischen Denkmalschutz und Schutz der Realschüler. Die kann natürlich jeder für sich anders beantworten. Die Gegner einer Verbesserung der Einstiegssituation der Realschüler initiierten den Bürgerentscheid gegen den Abriss den Güterschuppens – wirklich ihr gutes Recht. Sie VERLOREN diese Abstimmung! Die Mehrheit der Bürger entschied sich für die Sicherheit der Schüler und gegen den Denkmalschutz. Leider wurde dieser klar formulierte Wille der Mehrheit der Abstimmenden seit 2014 nicht umgesetzt. Der Landrat Walter Eichner hat seinerzeit unmissverständlich erklärt, wenn die Gemeinde eine schlüssige Planung vorlegt, hebt er den Denkmalschutz auf, was er als Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde kann. Landrat Eichinger hat seinerzeit als Gemeinderat in Schondorf für den Abriss des Güterschuppens und damit für die Sicherheit der Realschüler gestimmt. Es liegt schlicht an einem schlüssigen Konzept. Das aber war Auftrag der Abstimmenden! Man kann über die Sinnhaftigkeit eines Abrisses und der Güterabwägung zwischen Denkmalschutz und Sicherheit der Schüler sehr wohl verschiedener Meinung sein. Nicht verschiedener Meinung darf man über den Vollzug eines Bürgerentscheides sein. Sich nicht um dessen Ergebnis zu scheren ist schlicht undemokratisch, damit verliert dieses Instrument an Wert! Da helfen auch die ganzen argumentativen Nebelkerzen nicht, die in den letzten sechs Jahren geworfen wurden.

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    • Lieber Peter Wittmaack,
      vielen Dank für diesen fundierten und sehr ausführlichen Kommentar. In einem Punkt muss ich tatsächlich zugeben, dass meine Darstellung nicht korrekt war, in einem anderen Punkt möchte ich aber widersprechen.
      Richtig ist, dass die Güterhalle schon zum Zeitpunkt des Bürgerentscheids unter Denkmalschutz stand. Das habe ich in meiner komprimierten Zusammenfassung falsch dargestellt.
      Wo ich widersprechen muss, ist die Behauptung, die Gemeinde hätte sich nicht um das Ergebnis des Bürgerentscheids geschert und damit undemokratisch gehandelt. Nach meiner Erinnerung hat die Gemeinde sehr wohl den Abriss der Güterhalle beantragt. Allerdings wurde dieser Antrag vom Landratsamt abgewiesen. Es hatte sich herausgestellt, dass der geplante Busparkplatz gar nicht realisiert werden konnte. Für einen wesentlichen Teil dieses Platzes lag (und liegt) die Planungshoheit gar nicht bei der Gemeinde, sondern bei der Bahn, die das ablehnt.
      Ich wollte mich hier nicht auf mein Gedächtnis verlassen und habe in den Zeitungsarchiven nachgeschaut. Dieser Artikel aus dem Kreisboten bestätigt, dass ich die Angelegenheit richtig in Erinnerung habe:
      https://www.kreisbote.de/lokales/landsberg/schondorfer-buergerentscheid-verpufft-1898-errichtetes-baudenkmal-bahnhof-soll-erhalten-bleiben-7014133.html

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  2. Genau das war am Rande Thema meines Beitrags in der Sommerausgabe des EINHORN 2017 („Hans Pfitzner – Gedanken zur Diskussionsrunde im Landheim Schondorf“).
    „Wie bei Pfitzner bin ich mir unsicher, ob man künstlerisches Wirken und menschlichen Charakter trennen kann oder trennen soll“, sagst Du. Es wird immer Menschen geben, die
    sich für ein Ja entscheiden, und andere, die für ein entschiedenes Nein sind.
    Ich erinnere bei der Gelegenheit an Daniel Barenboim, russisch-jüdischer Abstammung und Bürger Isreals, der 2002 bei einem Konzert in Jerusalem einen Skandal auslöste, weil er es wagte, Wagners Vorspiel zu „Tristan und Isolde“ zu Gehör zu bringen.
    Ein Gedankenspiel: Was wäre, wenn Hitler kein kleiner Postkartenmaler, sondern ein Genie vom Format eines -sagen wir – Rubens gewesen wäre? (Vermutlich wäre er in diesem Fall nicht zu einem Hitler geworden…)

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    • Nur um das klarzustellen: Ich bin nicht dafür, dass man Pfitzner als Komponisten boykottiert oder das Denkmal abreißt. Ich frage mich aber schon, ob es richtig ist, ihn unreflektiert als Musiker zu würdigen und so zu tun, als ob es die dunklen Seiten an ihm nie gegeben hätte.

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  3. Das ist schon lustig. Jetzt habe ich dreimal versucht einen Kommentar zu dem Hans Pfitzner Thema zu schreiben und jedesmal habe ich ihn wieder gelöscht! Ein Fluch. Ganz klar.

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      • Eigentlich ist mir schon klar WAS ich sagen möchte, nur nicht WIE ?. Also, ich könnte sagen, ich habe eine super Zeit mit der Musik von Michael Jackson gehabt. Wenn ich ihn höre, dann erinnere ich mich angenehm an die schöne Zeit. Ich könnte jedoch jederzeit eine nach ihm benannte Konzerthalle umbenennen, wenn klar wird, wie es um sein Privatleben steht. Sein Ruhm wäre mir egal. Mir ginge es da eher um die Opfer und die Zumutung einer solchen Namensgebung. Eigentlich ist es eher eine Angelegenheit des Sehens mit dem Herzen. Das Gleiche mit Pfitzner. Die Vorstellung, es kommt ein Verwandter eines Verfolgten nach Schondorf, um zu sehen, wie sein Großonkel gelebt hat und wo er denunziert wurde. Und dann steht er vor dem Denkmal und der Straße und sagt zu seinem Kumpel: die verehren immer noch Antisemiten und das am besten Platz! Auch wenn es nicht stimmt, muß ich mich bei dem Gedanken, es könnte so sein, schämen. Da geht es nicht darum, irgendwie Recht zu haben, sondern um Rücksicht. Es sind viele Künstler durch den Antisemitismus vertrieben worden und gestorben. Wie immer prägen die Sieger, Opportunisten und Überlebenden die Namen und den Ort, nicht die Toten und Nichtgeborenen. Daher wäre ich bei Pfitzner und Co vorsichtig, wenn es um öffentliche Wahrnehmung geht.
        Wir können ja für jede berühmte Person, die in den letzten 100 Jahren für 10 Jahre oder länger in Schondorf gelebt hat, ein Denkmal neben das von Pfitzner stellen. Wie versteckt man einen Baum? Man pflanzt einen Wald 😉

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