Neulich bin ich an der Weltzeit-Sonnenuhr im Landheim Schondorf vorbeispaziert. Sie ist eine von drei Sonnenuhren in Schondorf. Die beiden anderen sind am Bahnhof und am Eingang zum Landhaus, und die sind recht einfach verständlich. Der Schatten eines Stabes wandert mit der Sonne über ein Zifferblatt und zeigt dadurch die Zeit an. Das Instrument im Park des Landheims, westlich vom Haupthaus, sieht dagegen ziemlich rätselhaft aus.
Weltzeit im Schattenwurf
Die Weltzeit-Sonnenuhr ist eine waagrechte, etwa 1,50 x 1,50 m große Metallplatte, aus der ein schräger Stab hervorragt. So weit, so gut. In die Platte sind allerlei Linien und Kreisbögen eingraviert. Am Rand stehen verschiedene, leicht verwitterte Beschriftungen. Zum einen lese ich hier die Monate des Jahres, zum anderen stehen da verschiedene Ortsnamen.
Schließlich entdecke ich in der Mitte des Zifferblattes noch eine Art langgestreckte Ziffer Acht.
24 Stunden sind kein Tag
Diese gestreckte Acht habe ich schon einmal gesehen. Die hat damit zu tun, dass die Sonnenzeit nicht gleich verläuft wie unsere Normzeit. Alle Tage wären gleich lang, wenn die Erde sich auf einer Kreisbahn um die Sonne drehen würde. Tut sie aber nicht. Die Bahn ist elliptisch, und die Erdachse steht auch noch leicht schräg dazu. Dadurch ist die Zeitspanne von einem Sonnenhöchststand zum nächsten unterschiedlich lang.
Aus praktischen Gründen rechnen wir mit der 24 Stunden Normzeit, also dem Mittelwert aller Sonnentagslängen des Jahres. Es ist nämlich ausgesprochen aufwändig, die Sonnenzeit mit mechanischen Uhren anzuzeigen. Einige Luxusuhren können das, wie beispielsweise die Marine Équation Marchante 5887 der Firma Breguet: https://www.breguet.com/de/zeitmesser/la-marine/5887.
Mit ausgetüfteltem Räderwerk zeigt sie Mondphasen, Weltzeit und eben auch die Sonnenzeit. Das Ganze kostet dann schlappe € 222.400,- (Uhren Wempe in München hat sie laut Website auf Lager. Nur für den Fall, dass sich jemand heute schnell dieses mechanische Wunderwerk besorgen will)
Das Analemma
Die von der Sonnenuhr angezeigte Uhrzeit stimmt also nicht genau mit unserer Normzeit überein. Diese je nach Jahreszeit unterschiedliche Abweichung kann man grafisch als langgestreckte Acht darstellen – das sogenannte Analemma.
Weil sich die Zeitgleichung mit der Jahreszeit ändert, gibt es auf dem Zifferblatt die Linien für die Monate. Der Schnittpunkt der Monatslinie mit dem Analemma zeigt die Zeitgleichung. Das ist der Abstand, den man zum Schattenwurf hinzurechnen oder abziehen muss, um von der Sonnenzeit auf unsere Normzeit zu kommen. Ganz einfach, oder? Allerdings ist der Unterschied zwischen Sonnen- und Normzeit maximal etwa eine Viertelstunde. In den meisten Fällen reicht also eine ganz normale Sonnenuhr, wie die am Torhaus des Landheims.
Die Weltzeit
Bleibt noch die Frage nach den Zeitzonen, und da muss ich leider passen. Auf der Weltzeit-Sonnenuhr im Landheim sind verschiedene Linien mit Ortsnamen wie Bangkok, Bombay oder Teheran beschriftet. Ich habe aber keine Ahnung, was ich ablesen muss, wenn ich wissen will wie spät es gerade in Bangkok, Bombay oder Teheran ist.
Also, wer kennt sich aus in der Gnomonik, der schönen Kunst der Konstruktion von Sonnenuhren?
Fehler!
In meinem Kommentar gestern ist mir leider ein Flüchtigkeistfehler unterlaufen: Die Mittagslinie (12Uhr-Linie) bei einer WOZ anzeigenden horizontalen SU zeigt natürlich nach rechtweisend Nord (und nicht Süd). Die Sonne steht zum wahren Mittag im Ortsmeridian in rechtweisend Süd! Der Schatten des Polstabes zeigt somit nach Norden.
Sorry!
S. Netzband
Bei der Sonnenuhr (SU) handelt es sich offensichtlich um eine horizontale SU mit einem Polstab (gen Himmels-Nordpol, Polarstern, gerichtet) als Schattengeber die die wahre Ortszeit (WOZ) anzeigt (12-Uhr-Mittagsline nach rechtweisend Süd). Vom Fußpunkt des Polstabes gehen die Stundenlinen aus die die ganzen Stunden der WOZ angeben. Mit Hilfe des Endes des Schattens des Polstabes kann das Datum zwischen den Monatshyperbeln interpolliert/festgestellt werden.
Am Analemma kann je nach Datum der Wert der Zeitgleichung abgelesen werden. Durch Addition oder Subtraktion dieses Wertes (+ oder – am Analemma angegebn!) gelangt man zur Mittleren-Orts-Zeit (MOZ). Jetzt muss noch, je nach Geographischer Länge des Ortes der SU (müsste auf der SU eingertragen sein), die Laufzeit der Sonne von 15 Grad Ost (Mittelmeridian des Ortes der Zeitzone am Ort, MEZ) zum Ortsmeridian (4MIn / Grad) zur MOZ addiert werden um die lokale gesetzliche Zeit (MEZ) zu erhalten. Während Sommerzeit muss einen Stunde zusätzlich addiert werden.
Die SU wird zur Weltzeituhr indem man die Zeitdifferenz an den angegebenen Orten zwischen den Stundenlinien interpoliert und zur ermittelte MEZ hinzufügt um die gesetzliche Zeit an entpr. Ort zu erhalten.
Klingt kompliziert, ist es aber nicht wenn man es einmal durchgespielt hat.
Vielen Dank für die Erklärung. Ich werde das an einem sonnigen Tag einmal ausprobieren.