Schwarmwissen gefragt

Wer war eigentlich Toni Ruhr? Die Frage kam auf, als ich die Coworking-Arbeitsplätze in den Räumen der Business Lounge Ammersee besuchte (Coworking in Schondorf). Dort wollte man mehr über die Geschichte des Hauses Am Eichet 3 wissen, und Toni Ruhr war einer der Vorbesitzer. Ich dachte mir, das sollte nicht allzu schwierig sein. Schließlich gehört er zu den bekannten Namen in Schondorf. Nebenan ist eine Straße nach ihm benannt, und in der Seeanlage erinnert ein Gedenkstein an ihn.

Der Fabrikant aus dem Rheinland

Ich habe mich also ein bisschen umgehört, und in etwa das herausgefunden, was ich vorher auch schon wusste. Toni Ruhr war wohl ein Tuchfabrikant aus dem Rheinland, der etwa 1920 in Schondorf ein Landhaus erwarb. Angeblich ist das Haus ursprünglich von Mitgliedern der Unternehmerfamilie Stinnes gebaut worden. Das Haupthaus war damals übrigens das jetzige Anwesen Am Eichet 5, das später mit wenig Liebe zum Appartmentblock umgebaut wurde. Am Eichet 3 war anscheinend das Nebengebäude für die Dienstboten.

Das ehemalige Wohnhaus von Toni Ruhr am Ammersee

Über die Suchbegriffe „Tuchfabrik“ und „Ruhr“ stieß ich auf das Industriemuseum des Landschaftsverbandes Rheinland (https://industriemuseum.lvr.de/). Dort war man sehr hilfsbereit, und schickte mir ausführliche Unterlagen über die Stofffabriken in Euskirchen. Es gab in dem Ort seit 1919 eine Tuchfabrik Ruhr-Lückerath Vereinigte Textilindustrie. Dieses Unternehmen wurde von einem Josef Ruhr geleitet. Ein Toni wird nur an einer Stelle kurz erwähnt. Er war wohl ab 1914 Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes der Tuchindustrie Euskirchen. Ob es sich dabei um „unseren“ Toni Ruhr handelt, ist ungewiss.

Ein Kunstmäzen

Es macht aber auch keinen großen Unterschied, denn auch in Euskirchen ist kaum etwas zu diesem Mann überliefert. Es gibt nur den dürren Hinweis, dass der Tuchfabrikanten Toni Ruhr den in Euskirchen lebenden Maler Jean Spessart gefördert hat. Auf einer Website über den Künstler fand ich den Hinweis: „Selbst als Ruhr später seinen Wohnsitz an den Ammersee verlegte, war Spessart oft monatelang sein Gast, um Bilder der dortigen Gegend zu malen.“ (http://www.wisoveg.de/euskirchen/hkalender/62spessart.html)
Das würde zumindest zeitlich passen, denn Spessart wurde 1886 geboren, könnte also in den 20er-Jahren als junger Maler am Ammersee gewesen sein.

Der mysteriöse Toni Ruhr

Gedenktafel für Toni Ruhr in schondorf am Ammersee

Wie gesagt, ich finde es erstaunlich, wie wenig über Toni Ruhr bekannt ist. Die von ihm in den 20er-Jahren gebaute Ufermauer gab der Schondorfer Seeanlage ihr heutiges Gesicht. Die Einweihung muss doch ein großes Ereignis gewesen sein, mit Blaskapelle, Lokalprominenz und Lobreden auf den Erbauer. Ein Ereignis, von dem man später noch den Kindern und Enkelkindern erzählt hat.

Vielleicht erinnert sich jemand noch an solche Erzählungen oder hat einen alten Zeitungsausschnitt aufgehoben. Möglicherweise findet sich auch eine Spur über Ruhrs Malerfreund Jean Spessart. Ich bin schon gespannt auf Kommentare, die etwas Licht in die Sache bringen.

6 Gedanken zu „Schwarmwissen gefragt“

  1. Servus,
    der Toni Ruhr wollte in Schondorf vor dem 2. WK eine Tuchfabrik bauen. Das Bauvorhaben wurde von den Bürgermeistern / Gemeinderäten – hauptsächlich Wagner, sen. (Großbauer) und Erhard (Wäscherei) abgelehnt, da diese befürchteten, daß ihre Dienstboten in diese Fabrik aufgrund besserer Bezahlung abwandern

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    • Vielen Dank, auf diesen Zusammenhang bin auch ich bei meinen Recherchen gestoßen. Über das LVR-Industriemuseum habe ich dann auch umfangreiche Informationen zur Geschichte der Tuchmacherei in Euskirchen bekommen. Nur über die Person von Toni Ruhr, sein Leben und Wirken, ist dort anscheinend auch nichts bekannt.

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  2. Hallo Herr Plonner,

    ich arbeite in der Verwaltungsgemeinschaft Schondorf und habe heute, 06.10.2021 in der Ortschronik Pfarrer Holzbock gestöbert. Dabei habe ich unter der „Ortsgeschichte“ gefunden, dass 1926 drei Tagwerk Bodenfläche am See um 1000 M erkauft wurden. Auf dem Grunde wurde durch Toni Ruhr die prächtige Seeanlage errichtet, welche reichlich Arbeitsgelegenheit für die vielen Erwerbslosen gab. 1932 wurde von Kommerzienrat Hardt zu Ehren des Schöpfers der Seeanlage Toni Ruhr an der Seemauer ein Gedenkstein errichtet.
    Mehr war leider nicht zu finden, auch keine Einweihungsfeier.

    Viele Grüße
    Claudia Band
    Vorzimmer Bürgermeister

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    • Liebe Frau Band,
      vielen herzlichen Dank, dass Sie in dieser Gelegenheit weiter nachgeforscht haben. Eine Schondorfer Historikerin hat mittlerweile eine Tochter Toni Ruhrs in Utting ausfindig gemacht. Leider ist die Dame aber anscheinend nicht bereit, über ihren Vater oder ihre Familie zu sprechen. Toni Ruhr bleibt geheimnisvoll.

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