Wie neutral ist die Bauplanung?

In einer der letzten Sitzungen diskutierte der Schondorfer Gemeinderat über die Transparenz in der Bauleitplanung. Auslöser dafür war ein Brief von Tobias Heigl, dem Gründer der Initiative See-U (https://www.see-u.de/). In diesem Schreiben äußert sich Heigl kritisch zur Neutralität der beauftragten Planungsbüros und schlägt einen Transparenzreport vor.

§34 und Bebauungspläne

Kurz zur Ausgangssituation: Generell wird eine Bebauung in Bayern durch den §34 des BauGB geregelt. Ein Bauvorhaben ist zulässig, „wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die Umgebung einfügt“. Das ist natürlich ein Gummiparagraph, auf dessen Basis man alles Mögliche genehmigen oder ablehnen kann.

Schondorf, An der Point
Für den Bereich zwischen An der Point und Weingartenweg wird derzeit ein Bebauungsplan erstellt

Wenn in einem bestimmten Ortsgebiet der gewachsene Charakter erhalten werden soll, kann die Gemeinde dafür einen Bebauungsplan aufstellen. Der regelt dann mehr oder weniger detailliert, was und wie in dem Gebiet gebaut werden darf. Das sorgt regelmäßig für Unmut bei den Grundbesitzern, weil ein solcher Bebauungsplan die Möglichkeiten normalerweise stärker einschränkt, als der sehr flexible Paragraph 34. Andererseits kann ein Bebauungsplan auch Varianten eröffnen, die sonst nicht gegeben wären (Projekt Jaudelschuster).

Aktuell gibt es für 28 Gebiete in Schondorf gültige Bebauungspläne. Drei weitere sind derzeit in Aufstellung: https://www.schondorf.de/aktuell/bauleitplanung/

Transparenz in der Bauleitplanung

Für die Erstellung der Bebauungspläne wird ein Planungsbüro beauftragt. Dieses entwickelt einen Vorschlag, der dann – nach mehr oder weniger intensiver Diskussion – vom Gemeinderat verabschiedet wird. Hier setzt die Kritik von Tobias Heigl an. Wie neutral sind die Planungen und wie wird sichergestellt, dass sie nicht durch persönliche Interessen beeinflusst sind? Die Planungsbüros sind oft aus Schondorf und haben zu einzelnen Grundstückseignern im überplanten Gebiet möglicherweise geschäftliche, familiäre oder freundschaftliche Verbindungen.

Bebauungspläne in Schondorf: An der Point
Bebauungsplan An der Point Nord

Nun muss man sich bei dieser Frage keine Illusionen machen. Ein Architekturbüro aus Schondorf, das für die Gemeinde einen Bebauungsplan erstellt, kann unmöglich völlig unbefangen sein. In manchen Fällen mögen sie als Grundstückseigner oder Nachbarn persönlich betroffen sein. In jedem Fall haben sie im Ort Kunden und Geschäftspartner, Freunde und Bekannte, und manche davon möglicherweise auch in dem zu überplanenden Gebiet.

Das ließe sich nur vermeiden, wenn die Gemeinde nur noch Planungsbüros aus Bielefeld oder Magdeburg beauftragt, die garantiert überhaupt keine Beziehung zu unserem Ort haben. Das wollen wir aber sicher nicht. Im Gegenteil, wer den Bebauungsplan erstellt, sollte die örtlichen Gegebenheiten und die ganz speziellen Rahmenbedingungen in Schondorf kennen.

Einerseits, Andererseits

Transparenz in der Bauleitplanung: Möwenweg
Bebauungsplan Möwenweg

Einerseits lässt sich eine gewisse Befangenheit also gar nicht vermeiden. So sah das auch der Gemeinderat bei der Diskussion des Themas. Andererseits bedeutet das aber nicht, dass die Planenden nach Gutsherrenart beliebig Baugrundstücke und Hausgrößen vergeben können. Der Bebauungsplan ist erst einmal ein Vorschlag, und die Entscheidung liegt letztlich beim Gemeinderat. Dem würde es schon auffallen, wenn das Baurecht für ein bestimmtes Grundstück völlig aus dem Rahmen fällt. Außerdem liegen die Bebauungspläne zur Einsicht aus, und Betroffene können auf Missstände hinweisen.

Einerseits hat also der Gemeinderat das letzte Wort. Andererseits haben die Planenden in dem Verfahren natürlich eine gewichtige Stimme. Sie sind die Experten, während die Ratsmitglieder beim Baurecht Laien sind (auch wenn sich manche im Lauf der Jahre ein recht umfangreiches Wissen angeeignet haben).

Egal wie die Entscheidung für einen Bebauungsplan abläuft, am Ende gibt es immer wieder Gerüchte über Mauscheleien. Ich höre dann Sprüche in der Art von: „X hat nur deshalb ein größeres Baufenster bekommen, weil Planer Y für ihn schon mal ein Haus gebaut hat …“

Braucht es einen Transparenzreport?

Um solchen Verdachtsfällen vorzubeugen, hatte Tobias Heigl ein konkretes Instrument vorgeschlagen: Einen Transparenzreport. Darin sollen die Architekturbüros schon vor Vergabe der Planungsaufgaben darlegen, welche persönlichen Interessen sie in dem betreffenden Gebiet haben. Ob also Verwandte oder sie selbst Grundstücke in dem fraglichen Gebiet besitzen, oder als Nachbarn direkt betroffen sind. Das Dokument soll auch Auskunft darüber geben, ob es aktuelle oder frühere Kundenbeziehungen zu Grundstückseigentümern im Plangebiet gibt.

Dieser konkrete Vorschlag ging in der Diskussion im Gemeinderat leider ziemlich unter. Vonseiten der Gemeinde ist in dieser Richtung wohl kein Vorstoß zu erwarten. Aber wie wäre es, wenn die Planungsbüros von sich aus aktiv würden? Vor dem Beginn der Planung wird offengelegt, welche geschäftlichen und familiären Beziehungen man in dem entsprechenden Gebiet hat. Wie schon gesagt, es ist ist völlig normal und auch nicht verwerflich, wenn die Planenden in Schondorf Kunden oder Geschäftspartner haben. Es ginge lediglich darum, diese Verbindungen transparent zu machen und zu zeigen, dass man trotzdem fachlich neutral arbeitet.

Ich glaube nicht, dass die Bebauungspläne deswegen anders aussehen würden. Aber die größere Transparenz in der Bauleitplanung könnte zumindest die Gerüchte um Mauscheleien eindämmen.

5 Gedanken zu „Wie neutral ist die Bauplanung?“

  1. Einer der wichtigsten Punkte zum Thema „Transparenz in der Bauleitplanung“ ist die Möglichkeit, die 28 rechtsgültigen Bebauungspläne als Bürger überhaupt online einsehen zu könnnen. Nicht einmal die Hälfte ist online. Dabei gibt es wohl alle Pläne auch digital. Das Gebiet in dem ich wohne, ist nicht online. Mein Vermesser hat mir aber eine digitale Version aus Landsberg per Email zukommen lassen. Die Gemeinde stellt die Hälfte der Bebauungspläne ganz einfach nicht ein.
    Wichtiger als der „Ursprungsplan“, ist übrigens die letzte Änderung. Nur aus der letzten Änderung geht die derzeit gültige Fassung des Bebauungsplans hervor. Bei jeder Änderung kann immer der gesamte Bebauungsplan – auch im Text – verändert werden. Kein von den vielen Änderung ist in Schondorf online verfügbar. Kein Schondorfer kann im Onlineangebot erfahren, wie es um das Baurecht an einem bestimmten Punkt in der Gemeinde tatsächlich bestellt ist. Hierfür bräuchte es die letzte Änderung. Auch kann zum Beispiel der Herr Niemand, nicht online recherchieren, welcher Planer welche Änderung in den letzten Jahren durchgeführt hat. Bei anderen Gemeinden geht das super einfach.

    Beispiele für umfassende Transparenz in der Bauleitplanung:
    Dießen: https://www.diessen.de/rathaus-gemeinde/das-rathaus/bebauungsplanverfahren/
    Landkreis Starnberg: https://geolis.lk-starnberg.de/GeoLISmapapps/resources/apps/Bebauungsplaene/index.html?lang=de

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  2. Wir wohnen doch nicht in der Nähe von Bielfeld oder Magedburg? Wir haben hier am Ammersee sehr viele, sehr gute Architekturbüros und unsere nächsten Großstädte sind Augsburg und München. Das Problem ist doch nicht die Entfernung, sondern die Nähe.

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  3. Der von mir vorgeschlagene Transparenz Report ist Ergebnis zahlreicher Besuche im Gemeinderat.

    Bei der Auswahl eines Planers geht es im Gemeinderat oft so zu: Ein Bauthema wird besprochen und „Etwas“ soll am Bebauungsplan geändert werden. Dann hat jede Gemeideratin und jeder Gemeinderat das Recht einen Planer vorzuschlagen: Der eine sagt Planer A, die andere sagt Planer B usw.. Es wird abgestimmt und der Planer steht innerhalb von wenige Minuten fest. Dann kommt der obligatorische Hinweis vom Bürgermeister: Wir müssen natürlich noch fragen, ob der Planer Zeit hat.

    Im Gemeinderat weiß natürlich bei der Abstimmung niemand, wo der Planer privat und geschäftlich unterwegs sind. Einmal gewählt, kann ihm später nicht einfach wieder das Vertrauen entzogen werden. Wie unschön wäre das?

    Gerade erst ist die seltsame Situation entstanden, dass ein Planer beauftragt wurde, sein eigenes Grundstück bei einer Bebauungsplan Änderung mit zu überplanen. Dabei war der Planer selbst einer der Hauptauslöser für die Änderung des Bebauungsplans. Seit längerem kämpft er für eine Änderung auf seinem Grundstück. Ohne Zweifel ist es möglich, dass eine gute Überarbeitung des Bebauungsplan entsteht und alle Betroffenen zufrieden sind. Aber die Möglichkeit sein eigenes Grundstück und auch das Eigentum der Nachbarn zu überplanen, ist schon etwas, dass normalerweise nicht allen Bürgern von Schondorf zugestanden wird. Wir Bürger müssen uns schon sicher sein, dass wenn wir heute einen Nachbarn wegen sonntaglichem Rasenmähen anmeckern, nicht morgen von der gleichen Person überplant werden 😉

    Das Problem muss im Vorfeld gelöst werden. Daher wäre ein kurzer Report VOR der Vergabe eine elegante Lösung. Gerade jüngere Gemeinderäte haben dann die Chance, sich eine eigene Meinung vor der Abstimmung zu bilden. So wie jetzt, werden sie überrumpelt. Es ist gedacht als eine Hilfe für Gemeinderäte.

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  4. Nun, das Interesse an den Schondorfer Bebauungsplänen beschränkt sich meist auf die direkt Betroffenen, dafür ist es dort umso ausgeprägter. Das ist aber wahrscheinlich in Utting auch nicht anders.
    „Noch besser wäre es der Gemeinderat hätte auch eine Vorstellung davon welche Idee verfolgt werden soll.“ Ja, stimmt, allerdings ist der Gemeinderat keine homogene Einheit. Bei uns sind das drei Parteien und 16 Individuen, deren Vorstellungen oft weit auseinander liegen. Generell gebe ich Dir aber recht: Es geht um die große Frage, wie sich unsere Orte in Zukunft entwickeln sollen. Wollen wir als Randgemeinden im Speckgürtel Münchens erscheinen (in Schondorf kam dazu der Begriff „Germeringisierung“ auf) oder einen eigenen Charakter bewahren? Die Broschüre „lebenswert“ des Wessobrunner Kreises gibt dazu wirklich sehr gute Anregungen, und ich habe im Blog schon einmal darüber geschrieben: https://schondorf.blog/2020/02/24/taten-fuer-morgen/

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  5. Mit großer Freude lese ich, dass die Bürger und der Gemeinderat in Schondorf sich mit den Hintergründen der Entstehung eines Bebauungsplanes beschäftigen – das Thema ist wichtig und brisant!

    Erst einmal grundsätzlich: Die Gemeinde hat das Planungsrecht. Das heißt weder der Planer, noch der Grundtückeigentümer entscheidet über das was entstehen soll, sondern die Gemeinde, also der von den Bürgern gewählte Gemeinderat. Dieser gibt die Ziele zu der gewünschten Dichte, Höhe und größe der Gebäude vor. Noch besser wäre es der Gemeinderat hätte auch eine Vorstellung davon welche Idee verfolgt werden soll: was macht ein Dorf aus, wie sehen dörfliche Strukturen aus, welches soziales Miteinander mit viel gemeinsam genutzen Freiflächen ist erwünscht, statt des monotonen Einerleis aktueller Bebauungspläne…

    Da Gemeinderäte keine Planer sind, sondern Entscheidungsträger, kommen jetzt befähigte Planer ins Spiel, die Ideen geben und umsetzen können.
    Um zu wissen welche Möglichkeiten im Bauplanungsrecht stecken, welche Ziele erreichbar sind, weshalb die Planungshoheit für Gemeinden überhaupt besteht, müssen sich die Gemeinderäte fortbilden. Hier kann ich Seminare bei Herrn Matthias Simon, LL.M., Dipl.sc.pol.Univ, Verwaltungsdirektor beim Bayerischen Gemeindetag, München, Geschäftsführer der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum e.V., empfehlen. Er ist Koautor des Buches: Brandl / Dirnberger / Simon / Miosga (Hrsg.), Wohnen im ländlichen Raum/Wohnen für alle, Bedarfsgerechte und (flächen-)nachhaltige Planungs- und Umsetzungsstrategien.
    https://www.rehm-verlag.de/shop/autoren/Matthias-Simon/

    Unsere Dörfer, unser gesamter ländlicher Raum ist und wird in den kommenden ein bis zwei Jahrzehten einem ungeheuren Wandel unterworfen sein. Die daraus erwachsende Verantwortung müssen sich alle an diesem Prozess beteiligten bewust sein, ob nun Planer, gewählter Gemeinderat oder mündiger Bürger und nicht zuletzt Bauherren und Investoren! Sollen unsere Dörfer bald wie Randgemeinden im Speckgürtel Münchens erscheinen, oder sollen wir die positiven Impulse des Dorfes stärken: Dichte, wo sie möglich ist, gemeinschaftliches Grün, statt Abstandsgrün, Wege statt autogerechte Straßen, Carsharing statt Tiefgaragen?

    Bettina Sunder-Plassmann, für den Wessobrunner Kreis e.V.
    https://www.wessobrunner-kreis.de/fileadmin/user_upload/Bilder_Programm/2019/Taten_fuer_Morgen/WK_TatenfuerMorgen2019.pdf

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