Der andere Fritz Erler

Vor zwei Jahren habe ich mich erstmals mit dem Maler Fritz Erler beschäftigt. Damals zeigte eine Ausstellung im Schondorfer studioRose einige seiner Arbeiten. Seither versuche ich etwas über Erler zu schreiben, und komme dabei einfach nicht voran (Liegengebliebenes).

Jugendstil und Die Scholle

Wenn man sich die Biographie des Künstlers anschaut, möchte man fast glauben, es habe zwei Fritz Erler gegeben. Da ist zum einen der junge Erler, der an zwei wesentlichen Entwicklungen der Kunstgeschichte beteiligt war. Er war ein sehr produktiver Mitarbeiter der Zeitschrift Die Jugend, die dem Jugendstil seinen Namen gab. Darüber hinaus war er auch Mitbegründer der Künstlervereinigung Die Scholle. Diese wandte sich gegen die erstarrte akademische Malerei ihrer Zeit. Sie wurde damit zum Vorbild ähnlicher Zusammenschlüsse wie den Blauen Reiter oder Die Brücke.

Der Herbst 1906
Fritz Erler: Der Herbst

Erler wäre heute eine feste Größe in der Kunstgeschichte, wenn er 1914 plötzlich vom Erdboden verschwunden wäre. In dieser Beziehung ist sein Schicksal dem Komponisten Hans Pfitzner nicht unähnlich (Das Vermächtnis großer Namen). Ein früher Tod ist für die Betroffenen natürlich unangenehm, kann dem künstlerischen Nachruhm aber durchaus förderlich sein.

Der Kriegsmaler

Plakat Kriegsanleihe, Maler Fritz Erler

So aber kam 1914 ein anderer Fritz Erler zum Vorschein. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs wandelte sich der rebellische Künstler zum glühenden Nationalisten. Ganz im Sinne der Propaganda des Kaiserreichs, sah er Deutschland von Feinden umzingelt, gegen die sich das Land wehren musste.

Er produzierte nun keine dekorativen Jugendstilbilder mehr, sondern Schlachtenszenen und Propagandaplakate. Die Soldaten blicken dabei so heroisch und kampfbereit, wie sich die Heeresführung das wünschte. Man sieht das sehr gut an dem Werbeplakat Helft uns siegen!, das Erler für eine Kriegsanleihe von 1917 gestaltete. Die Augen des Soldaten scheinen unter dem Schatten des Stahlhelms vor Entschlossenheit zu glühen.

Erler in Holzhausen

Nach dem Krieg wurde es erst einmal ruhig um den Maler Fritz Erler. Er lebte in seinem Wohn- und Atelierhaus in Holzhausen/Utting und malte romantisch gefärbte Bilder des bäuerlichen Lebens (http://unser-dorf.com/fritz-erler-1868-1940/). Einen zweiten Karriereschub erfuhr Erler mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus.

Kompanieführer 1016

Erlers Darstellungen von heldenhaften Kriegern kamen bei den Nazis ausgesprochen gut an. In der Sonderschau Kriegsbilder der Dresdner Kunstausstellung von 1935 war Erler gleich mit 15 Bildern vertreten. NSDAP-Prominenz wie Gauleiter Adolf Wagner oder Reichsinnenminister Wilhelm Frick ließen sich von ihm malen. Auch Adolf Hitler ließ sich von Erler in typischer Führerpose porträtieren. Das Bild wurde von Mussolini für die Deutsch-Italienische Kulturgesellschaft angekauft.

Der Maler Fritz Erler

DasGrab von Fritz Erler in Holzhausen am Ammersee
Das Grab des Malers Fritz Erler in Holzhausen

1940 starb Erler in seinem Haus in Holzhausen am Ammersee. Das Atelier brannte 1965 vollständig ab, wodurch viele seiner Bilder zerstört wurden. Was soll ich nun von dem Maler Fritz Erler halten? Kann man den Gründer des Künstlerbundes Die Scholle feiern, und dabei seine späteren, kriegsverherrlichenden Arbeiten verdrängen?

Die oben angesprochene Ausstellung im studioRose musste Kritik einstecken, weil Erlers Verbindung zu den Nazis dabei ausgeblendet blieb: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/starnberg/ausstellung-heroen-der-scholle-1.4106304. Enthält das Aktbild Fischermädchen tatsächlich bereits „das Heroische und Martialische, den Verweis auf das Heldische, Urhafte und Schollenhafte“, wie die SZ schreibt? Oder ist es umgekehrt so, dass die heroisierenden Kriegsbilder im Nachhinein auf unsere Betrachtung der früheren Arbeiten abfärben?

Ich weiß es nicht. Wie denkt ihr darüber?

Aktualisierung 30. 12. 2023: Mittlerweile hat sich eine Urenkelin von Fritz Erler bei mir gemeldet (s. Kommentar unten). Wenn jemand im Rahmen wissenschaftlicher Forschung an einem Gespräch interessiert ist, stelle ich gerne den Kontakt haer.

4 Gedanken zu „Der andere Fritz Erler“

    • Vielen Dank, dass Sie sich gemeldet haben. Ich selber bin kein Kunsthistoriker. Ich kann mir aber vorstellen, dass das sehr interessant wäre für Leute, die zu Erler oder seiner Epoche forschen. Dazu habe ich einen entsprechenden Hinweis in den Beitrag eingefügt.

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  1. Danke dass Du über Fritz Erler nochmals nachgedacht und geschrieben hast.

    Die Künstlervereinigung „Die Scholle“ bei der auch Fritz Erler Mitglied war mit ihrem Thema Mensch und Natur und auch den Bezug zu Holzhausen am Ammersee , löste sich schon 1911 wieder auf. Hier war Leo Putz ihr wichtigster Vertreter.

    Unter folgendem Link, wird wie ich meine ein guter Einblick mit Texten und Bildern über das Wirken von Fritz Erler auch nach der Zeit bei der Scholle gewährt. Hier kann sich jeder selbst ein Bild zu Fritz Erler machen:

    https://germanartgallery.eu/fritz-erler-adolf-hitler/

    Hier werden u. a. auch seine Arbeiten für die Zeitschrift “Jugend”, seine Arbeiten zum 1. Weltkrieg als Kriegsmaler und seine Portraitmalerei zur Zeit des Nationalsozialismus gezeigt. Auch seine Wandbilder, Fresken und Dekorationsmalereien mit Szenen aus der germanischen Mythologie sind zu sehen.

    Ich kann mich mit Fritz Erler und seinen Arbeiten nicht anfreunden und finde auch keinen Zugang zu ihnen.

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  2. Zu Deiner Frage, kann man den Gründer des Künstlerbundes die Scholle feiern, und dabei seine späteren, kriegsverherrlichenden Arbeiten verdrängen? Beides ist m.E. untrennbar. Der Charakter eines Menschen ist eben kein in sich logisches Konstrukt, sondern voller Widersprüchlichkeiten. Es ist letztlich eine Frage der Gewichtung. Wäre Hitler ein Genie vom Schlag eines Rubens gewesen, wäre er trotzdem als Verbrecher in die Geschichte eingegangen. – Im übrigen sollte man Bilder unbefangen betrachten, ohne die Belastung durch Gewusstes.
    Die Heroisierung sehe ich im Einklang mit dem Sinn jener Zeit für das Pathos, der uns Heutigen ja so gar nicht liegt. Wir sind pathosresistent. Ich sehe in dem Fischermädchen nichts Martialisches, keinen Verweis (zumindest) auf das Heldische. (Psychologen würden das Bild vermutlich ganz anders deuten!)

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