L’Année dernière à Theresienbad

Ich bin extra noch letzten Dezember zur Bahnstation Theresienbad spaziert, damit ich jetzt diese cineastisch angehauchte Überschrift verwenden kann. Sie bezieht sich natürlich auf Letztes Jahr in Marienbad von Alain Resnais, ein Klassiker des französischen Nouvelle Vague Kinos. Anders als man vermuten möchte, wurde der Film weder in Frankreich noch in der Tschechei gedreht, sondern komplett in Bayern. Allerdings nicht in Theresienbad, sondern in Nymphenburg und Oberschleißheim.

Spurensuche in Greifenberg

Zurück nach Theresienbad. Angeregt durch einen Beitrag im Magazin Jezza (https://www.jezza.de/), spaziere ich nach Greifenberg. Greifenberg ist ein interessanter Ort für die historische Spurensuche. Das konnte ich schon bei meiner Erkundung des ehemaligen Wohnortes des Zeichners Janosch feststellen (Raiders of the lost Tigerente).

Diesmal gehe ich aber nicht am Valloch hoch, sondern weiter zum Sportplatz. Dort halte ich mich links, bis zur Bahnunterführung, vor der ich rechts abbiege. Nach ein paar hundert Metern entdecke ich am Bahndamm die inzwischen ziemlich zugewucherte alte Bahnstation Theresienbad. Verblüffend ist, dass die Haltestelle recht einsam in der Gegend herumsteht. Gegenüber ist das alte Bahnwärterhaus, aber sonst sind kaum Häuser in der Nähe.

Die Bahnstation Theresienbad

Der Bahnhalt liegt zwar auf dem Gebiet der Gemeinde Greifenberg, aber der Ort selbst ist hoch droben über dem Tal der Windach. Als die Ammerseebahn 1898 eröffnet wurde, war es sicher mühsam, Passagiere und Fracht mit Pferdekutschen von hier nach Greifenberg zu bringen. Die Bahnstation war weniger für die örtliche Bevölkerung, sondern hauptsächlich für die Gäste des nahegelegenen Heilbades errichtet worden.

Ehemalige Station Theresienbad in Greifenberg

Dr. Hasingers Heilquelle

Eine sehr ausführliche Geschichte über Theresienbad wurde im Magazin Jezza veröffentlicht. Netterweise hat der Verlag den Artikel aus dem Archiv hervorgeholt und wieder zugänglich gemacht: https://www.jezza.de/download/category/10-artikel?download=10:theresienbad

Hier erfahre ich, dass ein Dr. Josef Hasinger 1833 auf eine Quelle stieß, deren Wasser eine hohe Konzentration von Schwefelwasserstoff, Eisen und Kohlensäure enthielt. Er eröffnete einen Badebetrieb, der bald einen guten Ruf genoss. Ob es mit der Heilwirkung des Wassers weit her war, kann ich nicht beurteilen. Tatsache ist allerdings, dass Dr. Hasinger schon sieben Jahre nach Entdeckung seiner Heilquelle verstarb.

Davor durfte er aber noch einen Besuch von König Ludwig I. und seiner Frau Theresia erleben. Den Majestäten scheint es gut gefallen zu haben. Kurze Zeit später erhielt Hasinger die offizielle Erlaubnis, seine Anstalt Theresien-Heilbad zu nennen.

Die Besitzer wechselten anschließend mehrfach und das Heilbad gewann zunehmend an Popularität. Die Bahnstation war damals wahrscheinlich gut frequentiert. In den 1870er-Jahren kurierten regelmäßig 50 bis 60 Gäste ihre Wehwehchen in Theresienbad. Dann war der Zenit überschritten und mit dem Kurbetrieb ging es bergab.

Königin-Theresia-Sprudel

Neuen Schwung erlebte Theresienbad noch einmal 1899. Der Münchner Unternehmer Max Schiff hatte die Idee, das Wasser in Flaschen zu füllen und als Königin-Theresia-Sprudel zu verkaufen. Zu seinen größten Abnehmern gehörte die Norddeutsche Lloyd, die das Selterswasser auf ihren Schiffen ausschenkte. Der Erfolg brachte aber logistische Probleme mit sich. Die Wasserkästen mussten mühsam per Pferdefuhrwerk zur Bahnstation Theresienbad gebracht werden. Schiff und seine Nachfolger versuchten mehrfach vergeblich, einen Gleisanschluss zu erhalten (von wegen, die Politik wäre früher wirtschaftsfreundlicher gewesen).

Das Ende

1907 wurde der Betrieb eingestellt, und die Gebäude verfielen. 1950 kaufte dann der Landkreis Landsberg das Areal und errichtete hier das Kreisseniorenheim (https://www.theresienbad.de/).

Die Bahnstation Theresienbad bestand noch bis 1963 weiter, dann wurde sie stillgelegt. Heute muss man schon genau aufpassen, um das kleine Holzhaus bei einer Bahnfahrt von Schondorf nach St. Ottilien am Rand der Geleise zu entdecken.

Bahnstation Theresienbad an der Ammerseebahn

Ich spaziere zurück nach Schondorf und träume ein bisschen von den Zeiten, als elegante Damen und Herren hier für einen Kuraufenthalt ankamen. Wahrscheinlich fanden sie den einfachen Holzbau des Bahnhofs entzückend rustikal. Vielleicht überließ man sein Gepäck dem Kutscher, und spazierte „durch das liebliche Tal, wo seit urdenklichen Zeiten die Windach in vielen Schleifen ohne Eile der nahen Ammer zuströmt“ (aus einem Brief Königin Theresias). Im Kurhaus wechselte man dann in Abendgarderobe und entspannte sich beim Tarock oder Billard spielen. So war das wohl, letztes Jahrhundert in Theresienbad.

5 Gedanken zu „L’Année dernière à Theresienbad“

  1. …und ich bin drei lange Jahre von dort aus in die Schule nach Weilheim gefahren, in Regenzeiten
    war der Weg immer überflutet und wir kamen mit nassen Schuhen und Strümpfen dort an..

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  2. Super recherchiert und geschrieben, was war denn im Theresienbad zur Zeit des dritten Reichs? Ich glaube mich erinnern zu können daß es dort ein „Erholungsheim“ für Krankenschwestern gab…… stimmt das?
    Herzliche Grüße

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  3. Lieber Leo, das hast du wunderbar zusammengefasst. In der Tat ist es schade, dass der ehem. Bahnhalt gewissermaßen im Niemandsland ist und somit nicht gepflegt wird – wobei in den letzten Jahren mal jemand das Dach wieder abgedichtet hat mit Dachpappe. Vielleicht nimmt sich ja mal jemand des Gebäudes an.
    Liebe Grüße aus der jezza!-Redaktion, Sigrid Römer-Eisele

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