Räumpflicht

Es klingt etwas seltsam, dass ich mich jetzt im Frühling mit dem Thema Schnee und Räumpflicht beschäftige. Eine Leserin dieses Blogs hat mich darauf gebracht. Im Februar hat der Schondorfer Gemeinderat die entsprechende Verordnung aktualisiert. Nach einigem Suchen habe ich sie auf der Website der Gemeinde gefunden. Die Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter steht unter Rathaus & Verwaltung im Unterpunkt Verordnungen: https://www.schondorf-ammersee.de/rathaus-verwaltung/ortsrecht/verordnungen

Wie der Name schon sagt, geht es neben der Reinhaltung der Gehwege auch um die Räumpflicht im Winter. Die Anwohner haben die Gehwege „an Werktagen ab 7 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ab 8 Uhr von Schnee zu räumen und bei Glätte mit geeigneten abstumpfenden Stoffen zu bestreuen“. So in etwa hatte ich das auch im Hinterkopf.

Theorie und Praxis

In der Theorie ist das eine prima Idee. Ab 7 Uhr morgens schwingen rund 4.000 Menschen in Schondorf die Schneeschaufel, räumen die 20 oder 30 Meter Gehweg vor ihrem Haus, und 20 Minuten später sind alle Fußwege gefahrlos zu begehen. Da alle parallel arbeiten, geht das viel schneller als das Räumen der Fahrstraße durch die gemeindlichen Schneepflüge. Die Gehwege wären am Morgen also viel früher schneefrei als die Fahrbahnen. Soweit die Theorie.

Räumpflicht verschneiter Strassen in Schondorf

In der Praxis sieht man, dass 7 Uhr ein sehr dehnbarer Begriff ist. Auch bei der Art des Räumens gibt es unterschiedlichste Ansätze. Mal wird penibel freigeschaufelt, mal nur ein schmaler Durchgang freigemacht. Manche streuen Salz aus, als würden sie eine Surhaxe pökeln, andere verlassen sich einfach auf das Tauwetter, das früher oder später schon kommen wird.

Auch dass Fußgängerüberwege freigehalten werden müssen, hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Oft sind die Fußwege von kompakt zusammengeschobenen Schneewällen eingefasst. Die wollen überklettert werden, wenn man zur anderen Straßenseite muss. Wer mit Kinderwagen oder Rollator unterwegs ist, hat an diesen Stellen ein echtes Problem.

Fahrstraßen und Gehwege

In der Praxis sieht es also so aus, dass die Fahrbahnen schon in der Früh professionell geräumt sind. Dagegen steht allen, die zu Fuß unterwegs sind ein Hindernislauf bevor. Genau dieser Punkt hat meine Leserin gestört. Sie hat deshalb an die Gemeinde Schondorf geschrieben und gefragt: „Warum werden die Auto – Fahr – Strassen vom Bauhof der Gemeinde auf Gemeindekosten mehrmals täglich von Eis und Schnee befreit – mit der Räumung der Gehwege jedoch die Hausbewohner*innen beauftragt?“

Räumpflicht im Winter in Schondorf am Ammersee

Ich habe die Antwort der Gemeinde gesehen. Wenig überraschend bezieht man sich auf die aktuelle Rechtslage. Laut Bayerischem Straßen- und Wegegesetz sind die Gemeinden nur dann zur Schneeräumung verpflichtet, wenn nicht andere aufgrund einer Rechtsvorschrift dazu verpflichtet sind. Die oben beschriebene Verordnung verpflichtet die Anlieger zum Räumen der Gehwege, weshalb sich die Räumpflicht der Gemeinde auf die Fahrbahnen beschränkt.

Vorteil für Autos

Rechtlich ist das alles hieb- und stichfest. Ist es auch gerecht? Autos bekommen die Fahrbahnen verlässlich von der Gemeinde geräumt. Wer dagegen zu Fuß unterwegs ist, kann nur hoffen, dass die Anlieger die Räumpflicht ernst nehmen. Die Mutter, die ihr Kind mit dem SUV zur Schule bringt, bekommt von der Gemeinde eine schneefreie Straße. Eine Mutter mit Kinderwagen steht dagegen oft vor einem Hindernislauf. Es ist eines der kleinen Bausteinchen, die den Autoverkehr bequemer, und das zu Fuß gehen weniger attraktiv machen.

9 Gedanken zu „Räumpflicht“

  1. Ich erinnere mich sehr gern an verschneite Wege in meiner Kindheit. Und ich stapfte mit Wonne durch den knirschenden Schnee.
    Warum müssen wir alles, und damit meine ich alles, der Natur entreißen? Es so verändern, dass es unseren jeweiligen und individuell unterschiedlichen Wünschen/Vorstellungen passt?
    Dass Fahrstraßen geräumt werden, verstehe ich. Aber müssen alle auch noch so kleinen Wege „geräumt“ werden? Wir wissen doch gar nicht mehr, wie Winter aussieht.
    Dort, wo ich jogge, brauche ich keine geräumten Wege und Pfade. Ich liebe das Geräusch des knirschenden Schnees. Aber irgendwann in absehbarer Zukunft werden wir auch dieses Geräusch nicht mehr hören (können).
    Wollen wir das wirklich?
    Ich nicht!

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    • Liebe Renate, auch ich stapfe bei meinem Morgenspaziergang liebend gerne durch knirschenden Schnee. Mir ist aber bewusst, dass ich privilegiert bin, dass ich meine Tage mit einem gemütlichen Morgenspaziergang beginnen kann. Für andere beginnt der Tag oft genug hektisch, sie müssen in die Arbeit, die Kinder in die Schule oder zum Kindergarten bringen (oder alles zusammen). Die freuen sich dann natürlich über geräumte Gehwege.

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  2. ….und weißt Du was dann noch das Schönste ist?
    Wenn ich morgens den Gehweg freiräume und 10 Minuten später das Räumfahrzeug kommt und mir den komplette Gehweg mit schwerem Schnee von der Fahrbahn auf den Gehweg schiebt. D.h ich räume nicht nur den Schnee vom Gehweg, dann dopplet runter, sondern auch noch den von der Fahrbahn! Kurios, ich muss mal nachlesen ob das auch so in der Verordnung steht.

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    • Also ich fühle mich nur für den Schnee verantwortlich, der aus den Wolken rieselt, nicht für den, den das Räumfahrzeug auf den Gehweg schiebt. Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass das bei uns kein großes Problem ist.

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    • Egal ob es um Straßenbreiten, Gehwege, Stellplätze, Radwege oder Schneeräumen geht: Das Auto hat in unserer Verkehrsplanung immer noch oberste Priorität. Hier ein Umdenken zu schaffen wird sicher noch ein langer Prozess.

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      • …hm – wenn wir glauben, dass es ein langer Prozess wird – dann wird es, dem Gesetz der Resonanz ein langer Prozess – wenn wir erstmal wahrgenommen haben, dass es schlicht UNRECHT ist, das vom Auto – Prestige – Denken geleitet wird und sukzessive darauf aufmerksam machen, es kommunizieren… freundlich und gelassen, dennoch mit Bestimmtheit, dann kann es sich ganz schnell ändern – plötzlich ist es da!:-)

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    • Liebe Annuciata, als kleines Kind wurde ich nicht mit Kinderwagen durch die Schneelandschaft geschoben, sondern auf dem Schlitten. Und es war wunderbar! Eine meiner schönsten Kindheitserinnerungen.
      Du, als Künstlerin, weißt doch zu genau, dass Bequemlichkeit nicht unser Leben ausmacht. Sondern das Leben als solches. Und das ist meist nicht bequem. Aber es kann so wunderbar sein. Vor allem durch Unbequemlichkeiten. Aber wem sage ich das …

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      • Liebe Renate, du kennst die Umstände nicht und wie alt das Baby im Kinderwagen war, ist doch wunderbar, dass Du mit dem Schlitten gefahren würdest, meinst Du ich hätte das nicht gemacht?
        Ich mag keine erhobene Finger!

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