Nichtstun

Häuser werden üblicherweise dazu errichtet, damit in ihnen etwas getan wird. In ihnen wird gewohnt, gekocht, gegessen, geschlossert, geschreinert, verkauft, verwaltet und vieles mehr. Selbst die alte Güterhalle hätte fast noch eine neue Bestimmung gefunden (Neues Bier in alten Schläuchen). Spontan fällt mir in Schondorf nur ein Gebäude ein, das explizit zum Nichtstun errichtet wurde: die Wartehalle am Bahnhof. Genau der passende Ort für die Künstlerin Margit Hartnagel (https://www.margithartnagel.de/). Ihre Installation Kaishi in der Wartehalle des Schondorfer Bahnhofs lädt zum Nichtstun ein, zum stillen Lauschen und Betrachten.

Kaishi in der Wartehalle

Kaishi ist Japanisch und bedeutet soviel wie Anfang oder Beginn. Das passt gut in den Bahnhof, weil auch der Aufenthalt in der Wartehalle meistens der Anfang einer Reise ist. Für den Aufbruch zu einer inneren Reise hat Margit Hartnagel hier einen poetischen Schwellenraum geschaffen. Der schnöde Wartebereich wird zu einem Ort der Stille und der Präsenz. Für die Installation Kaishi zeigt Hartnagel hier im wöchentlichen Wechsel jeweils eines ihrer Bilder aus der gleichnamigen Serie.

Textinstallation Kaishi

Die dazugehörigen Texte sind in ausgestanzter Folie an die Fenster geklebt, was dem Raum ein mildes, goldiges Licht gibt. Genau wie die Bilder erschließen sich auch die Texte nicht auf den ersten Blick. „Ich leuchte, indem ich mir selbst Nacht bin“, heißt es beispielsweise.

Meditative Musik

Kaishi in der Wartehalle mit Viz Michael Kremietz und Margit Hartnagel
Viz Michael Kremietz und Margit Hartnagel

Dazu ertönen aus dem Lautsprecher kurze Textpassagen und die meditative Musik von Viz Michael Kremietz. Bei der Eröffnung am 9. Juli waren Poesie und Musik live zu hören. Ich war überrascht von dem Instrumentarium, mit dem Kremietz anrückte. Statt Elektronik verwendet er konventionelle Musikinstrumente, die für mich allerdings recht exotisch waren. Für ihn sind sie ganz normal, und er erklärte sie mir beispielsweise als „gewöhnliche Spring-Drum“ oder als „handelsübliches Waterphone“. Ich habe nur das Didgeridoo erkannt und selbst das ist ungewöhnlich, weil es aus dem Ast einer Esche geschnitzt ist. Wenn man die Musik dann hört, möchte man kaum glauben, dass sie ganz ohne Sampler und Laptop entsteht.

Margit Hartnagel im atelierRose

Die Malerin Margit Hartnagel

Kaishi in der Wartehalle des Bahnhofs ist noch bis zum 31. Juli zu sehen und zu erleben. Parallel dazu zeigt die Malerin Bilder ihrer Serien arising colors und Licht im atelierRose. Hier ist die Ausstellung jeweils von Mittwoch bis Sonntag von 15:00 – 18:00 Uhr geöffnet: https://studiorose.de/2021/07/05/kaishi/

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