Die Höhle als Katalog und Film

Sicher werden sich viele noch an das Projekt Die Höhle im studioRose erinnern. Im März und April dieses Jahres baute, bewohnte und gestaltete der Greifenberger Künstler Axel Wagner im Ausstellungsraum eine Höhle aus Pappkartons. Wagner geht mit seinen Arbeiten gerne auf die Gegebenheiten eines bestimmten Ortes ein. Das sah man schon an seinen Installationen am Schondorfer Skulpturenweg (Optische Täuschung) oder bei der Aktion Kunst geht Baden im Warmbad Greifenberg (Nur für immer).

Pappkartons im studioRose

Da das studioRose wegen der Quarantänebestimmungen ohnehin alle Ausstellungen absagen musste, konnte Wagner hier über zwei Monate hinweg zum Höhlenmenschen werden. Durchaus auch ein Symbol für den allgemeinen Rückzug während des Lockdowns.

Projekt Die Höhle im studioRose, Schondorf am Ammersee

Am Anfang war da nichts außer der Idee und einem großen Haufen Kartons und Klebebänder. Zug um Zug entstand daraus ein eigener Rückzugsraum. „Keine Ahnung, wie das werden wird. Ich werde mich ganz dem Prozess aussetzen und dann schon sehen, was ich mit der Höhle und die Höhle mit mir macht“, sagte Wagner damals (https://studiorose.de/2021/02/21/die-hoehle/).

Dokumentation eines Work-in-Progress

Was dann geschah, kann man jetzt in einem Katalog und einem Film zu diesem Projekt sehen. Ich gestehe, dass ich anfänglich etwas skeptisch war. Die Höhle im studioRose habe ich als Performance erlebt. Das Aufregende daran war, alle paar Tage das studioRose zu besuchen und zu sehen, wie sich die Höhle entwickelte und veränderte.

Kann man einen solchen volatilen Prozess nachträglich festhalten und konservieren? Der Performance-Künstler Tino Sehgal beispielsweise, verbietet es kategorisch, seine Arbeiten in irgendeiner Form zu dokumentieren.

Katalog zum Projekt Die Höhle von Axel Wagner

Ich war also eher skeptisch, aber nun blättere ich immer wieder in dem Katalog. Inzwischen finde ich, dass er dem temporären Work-in-Progress durchaus eine weitere Dimension hinzufügt. Die einzelnen Abschnitte des Höhlenbaus sind ausführlich mit Photos dokumentiert. Das beginnt damit, dass Axel Wagner sinnierend im völlig leeren studioRose steht. Dann werden Kartons zusammengeschnitten und -geklebt, bis eine begehbare Höhle entsteht. Die wird nun bewohnt und bald auch mit Höhlenmalerei geschmückt.

Der erste bewusste Handabdruck

Wagner wird immer mehr zum Höhlenmenschen, schläft, malt, träumt und zeichnet in seinem Refugium. So geht es weiter bis zum überraschenden, aber in sich völlig stimmigen Schluss, wenn sich die Dunkelheit der Höhle in Licht verwandelt. Axel Wagner teilt dazu seine jeweiligen Gedanken und Empfindungen, beispielsweise wenn er beginnt, die Wände zu bemalen: „Der erste bewusste Handabdruck auf der Höhlenwand ändert alles. Der Mensch erlangt durch die Kreativität die Freiheit.“

Axel Wagner im studioRose, Schondorf am Ammersee

Auf einzelnen Buchseiten kann man über QR-Codes Ausschnitte aus dem Video zur Höhle aufrufen. Dieses Video ist nicht einfach das abgefilmte Buch, sondern ein eigenständiger Blick auf das Projekt. Im Gegensatz zum Katalog, ist der Film nicht analytisch, sondern stimmungsvoll. Er vermittelt das Projekt auf eine mehr emotionale als rationale Weise. Mir gefallen beide Betrachtungsweisen. Katalog und Film sind für mich Anregungen, über den Ursprung der Menschheitsgeschichte nachzudenken, und darüber, wie viel Höhlenmensch noch heute in uns steckt.

Die Höhle

Katalog und Film
Zu beziehen über https://axelwagner.de/

Offenlegung: Ich schreibe ehrenamtlich Beiträge für die Website des studioRose.

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