Vorhang auf

Am 14. Mai war die Eröffnung der Kreiskulturtage 2022 im Landkreis Landsberg (https://kreiskulturtage-landsberg.de/). Los ging es am Samstag mit einem Galaabend im Landsberger Stadttheater. Die Kreiskulturtage sollen die Vielfältigkeit des künstlerischen Lebens im Landkreis zeigen. Dementsprechend war schon die Auftaktveranstaltung ausgesprochen abwechslungsreich.

Landrat Thomas Eichinger führte gewohnt souverän durch den Abend, an dem sicher für jeden Geschmack etwas dabei war. Man hörte Musik von der Liszt-Sonate über Csárdás bis zu Elektro-Pop, und sah Ballett, Multimediainstallation, und eine Mal-Performance von Andreas Kloker. Alles auf sehr hohem künstlerischen Niveau.

Andreas Kloker bei der Eröffnung der Kreiskulturtage
Elementarzeichnungen: Verdunstende Wasserbilder von Andreas Kloker

Überraschung aus Prittriching

Die wirkliche Überraschung des Abends war für mich aber ein Auftritt, den ich im Programmheft nicht groß beachtet hatte. Von zwei Turnerinnen des TV Prittriching erwartete ich nicht mehr als einen netten Pausenfüller mit ein paar Sprüngen und Purzelbäumen.

Was Simone und Theresa Schäfer dann aber am Vertikaltuch zeigten, ließ nicht nur mir die Kinnlade herunterklappen. Das war eine Nummer voller Akrobatik, Kraft und Eleganz, wie sie auch gut ins Programm des Cirque du Soleil passen würde. Einen kleinen Eindruck davon gibt dieses Video, das Annunciata Foresti vor zwei Jahren aufgenommen hat: https://youtu.be/NS7lUQxp-Ok

Erster Tag der Kreiskulturtage

Am folgenden Sonntag war das Programm dann so umfangreich, dass man alleine dafür eine ganze Woche gebraucht hätte. Ich schaffte nur einen kleinen Teil davon, und fing damit im Blauen Haus in Dießen an. Silvia Dobler, Kuratorin des Schondorfer studioRose, hat dort mit Sehnsucht nach Sein eine sehr feine Ausstellung zusammengestellt, die mich schon bei der Ankündigung neugierig gemacht hatte.

Sehnsucht nach Sein
Kuratorin Silvia Dobler (links) stellt Teilnehmerinnen der Ausstellung „Sehnsucht nach Sein“ vor

Über die Arbeiten von Oliver Grüner, Maria Mayer, Gabriele Rothweiler und Ute Wild hatte ich neulich schon geschrieben (Sehnsucht nach Sein). Jetzt entdeckte ich auch die vier anderen Beteiligten. Da sind sehr interessante Kontraste, beispielsweise zwischen den großformatigen, von den Mythen der Antike inspirierten Ölgemälden von Alexander Hupfer, und den Photoarbeiten von Tanja Hust, die an verwackelte Urlaubsbilder aus der heilen Welt der 50er-Jahre erinnern.

Neben den Kontrasten gibt es auch erstaunliche Parallelen. Bei den Unterwasserphotos von Birgit Roschach denke ich spontan an düster-romantische Märchenwelten. Man erwartet ein bisschen, dass sich Drachen und Ungeheuer in diesem Dickicht verstecken. Einen leicht unheimlichen Unterton haben auch die expressiven, farbstarken Portraits von Katharina Schellenberger. Ihre Verkopfungen blicken in das Innenleben der dargestellten Köpfe; ein Innenleben, in dem sich ebenfalls sehr seltsame Wesen verbergen.

Sehnsucht nach Sein im Blauen Haus ist noch bis zum 22. Mai zu sehen (jeweils 14:00 bis 18:00 Uhr)

Der Salon see-refusèe

Wie immer bei kuratierten Ausstellungen ist das Problem, dass unmöglich alle Interessierten zum Zug kommen können, und einige abgelehnt werden müssen. Im Fall von Sehnsucht nach Sein war einer davon Martin Gensbauer, sicher einer der bekanntesten Maler am Ammersee (https://gensbaur.jimdofree.com/kunstfenster/). Er zog sich deswegen aber nicht in den Schmollwinkel zurück, sondern organisierte zur Eröffnung der Kreiskulturtage seine eigene Veranstaltung.

Augenzwinkernd nennt er es see-refusèe. Das ist eine Anspielung auf den Salon des Refusés von 1863, in dem damals die von der offiziellen Kunstwelt abgelehnten Maler ausstellten. Heute gilt dieser Salon als Geburtsstunde der Moderne in der Kunst.

Der Maler Martin Gensbauer bei see-refusee
Martin Gensbauer (links) im Gespräch mit dem Photographen Christoph Franke

Über Ablehnung und Auswahlverfahren, verschiedene Sichtweisen und künstlerische Ansätze sprach Gensbauer mit Alois Kramer von https://aloys.news. Auch das Publikum und Künstlerkollegen wie Christoph Franke, Gabriele Rothweiler oder Harry Sternberg beteiligten sich engagiert an dieser Diskussion.

Die Kombination aus Ausstellung und Diskussionsrunde in der Dießener Galerie am Markt wird am kommenden Sonntag (22. Mai) noch einmal wiederholt.

Kreiskulturtage im studioRose

Auch in Schondorf startete das Programm am Sonntag. Im studioRose werkelte der Bildhauer Matthias Rodach (http://matthias-rodach.de/) buchstäblich bis zur letzten Minute an seinen kinetischen Skulpturen. Pünktlich zur Eröffnung der Kreiskulturtage in Schondorf funktionierte dann aber alles wie geplant.

Matthias Rodach im studioRose, Schondorf am Ammersee
Matthias Rodach bei letzten Vorbereitungen seiner Ausstellung „Kreis im Quadrat“

Über seinen Kreis im Quadrat mag ich gar nicht zu viel verraten, um die Überraschung nicht zu verderben. Rodachs Skulpturen und beweglichen Objekte wecken vielfältige Assoziationen, von Pompeji über menschlichen und göttlichen Atem bis zu Donna Haraways Cyborg Manifesto. Manche mögen den Kreis im Quadrat als verstörend empfinden, aber es ist mit Sicherheit eine Installation, die niemand kaltlässt. Zu sehen ist sie bis 5. Juni im studioRose (jeweils Mittwoch bis Sonntag, 15:00 bis 18:00 Uhr).

Streetart im atelierRose

Nebenan im atelierRose hat während der Kreiskulturtage der Streetart-Künstler Erwa.One seine Zelte aufgeschlagen (https://www.instagram.com/erwa.one/). Er ist die letzten Jahre durch halb Europa gereist und hat von Berlin bis Marseille graue Wände mit seinen Graffitis verschönert. Durch diesen Austausch mit der internationalen Graffiti-Szene hat er einen reichen Erfahrungsschatz gesammelt und eine ausgefeilte Technik entwickelt.

Zum Endsport der Kreiskulturtage den Streetart-Künstler Erwa.One in Schondorf erleben
Der künstlerische Nachwuchs ist fasziniert vom Streetart-Künstler Erwa.One

Während der Kreiskulturtage kann man ihm nun im atelierRose bei der Arbeit über die Schulter schauen. Das erlaubt einen Einblick in eine Kunstform, die den meisten von uns eher fremd ist. Ich fand ihn jedenfalls einen sehr umgänglichen und witzigen Typen, und werde ihn sicher ein paar Mal im Atelier besuchen.

Das war für den Sonntag meine letzte Station zur Eröffnung der Kreiskulturtage. Bis zum Ende am 4. Juni stehen noch sage und schreibe sechsundvierzig weitere Veranstaltungen im ganzen Landkreis Landsberg auf dem Programm. Einen vollständigen Überblick gibt es hier: https://kreiskulturtage-landsberg.de/veranstaltungen/

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