Mögen hätten wir schon wollen …

„Mögen hätten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.“ An dieses Zitat von Karl Valentin musste ich denken, als ich von der Entscheidung des Schondorfer Gemeinderats zu Hans Pfitzner gelesen habe. Nach langer Diskussion um das Andenken an den umstrittenen Komponisten hat man sich auf einen Minimalkompromiss geeinigt. Die Hans-Pfitzner-Straße bleibt bestehen, das Denkmal in der Seeanlage ebenfalls, aber es wird mit einer Texttafel zum Hans-Pfitzner-Mahnmal umgestaltet.

Der Komponist Hans Pfitzner lebte von 1919 bis 1929 in Schondorf am Ammersee. Damals war er als Musiker hoch geschätzt, heute erinnert man sich hauptsächlich an seine Nähe zu den Nationalsozialisten und seinen erklärten Antisemitismus. In Schondorf wird er gleich doppelt geehrt: Einmal mit einem Denkmal in der Seeanlage, und zum anderen mit der nach ihm benannten Straße.

Eine langjährige Debatte

Man kann der Gemeinde nicht vorwerfen, dass sie hier eine überstürzte Entscheidung getroffen hätte. Schon 2016 wurde über Pfitzner diskutiert (Passt das hierher?), und diese Debatte ist seither nicht abgerissen. Das Thema wurde mehrfach im Gemeinderat und im Kulturausschuss besprochen, es gab Diskussionsrunden und eine Vielzahl von Zeitungsartikeln.

Hans Pfitzner Denkmal in Schondorf
Das Pfitzner-Denkmal am Ammersee

Vor kurzem setzten sich auch prominente Persönlichkeiten dafür ein, die Widmung des Denkmals und der Straße zu überdenken. Charlotte Knobloch von der Israelitischen Kultusgemeinde München, und der ehemalige bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle wandten sich in diesem Sinn an die Gemeinde. Vor der Entscheidung im Gemeinderat wurde dann noch unter den Anwohnern eine Umfrage zur Hans-Pfitzner-Straße durchgeführt.

Das macht viel Arbeit

Diese Befragung war anscheinend ausschlaggebend, als es um eine Umbenennung der Straße ging. Die Anwohner waren mehrheitlich gegen einen neuen Straßennamen. „Eine Adressenänderung verursache viel Arbeit und Kosten“, berichtet der Kreisbote (https://www.kreisbote.de/lokales/landsberg/pfitzner-debatte-in-schondorf-tafel-soll-vor-totalitaeren-systemen-warnen-91627050.html).

Da muss ich gleich noch einmal an einen bekannten Ausspruch von Karl Valentin denken: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ So ist das wohl auch mit dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus. Eine schöne Sache, aber sie sollte bitte nicht zu viel Arbeit machen.

Kein Bürgerentscheid

Etwas befremdlich finde ich in diesem Zusammenhang die Schlagzeile „Die Basis hat entschieden“ auf Aloys.News (https://aloys.news/de/global/umbenennung-pfitznerstrasse-in-schondorf-die-basis-hat-entschieden-von-carmen-tagliapietra). Die rund 40 Familien, die in der Pfitzner-Straße wohnen, repräsentieren wohl kaum „die Basis“ von 4.000 Schondorfern.

Um tatsächlich die Basis einzubeziehen, hatte Gemeinderat Marius Polter einen Bürgerentscheid im Rahmen eines Ratsbegehrens vorgeschlagen. Diese Idee fand aber keine Mehrheit.

Das Wohnhaus des Komponisten in der Hans-Pfitzner-Strasse
Das ehemalige Wohnhaus des Komponisten in der Hans-Pfitzner-Straße

Anders als in Wiesbaden, Hamburg, Herzogenaurach, Mainz, Lübeck oder Frankfurt, wird es also in Schondorf auch in Zukunft eine Hans-Pfitzner-Straße geben. Immerhin sollen die Straßenschilder nun mit einem erklärenden Zusatz und einem QR-Code versehen werden, der zu weiteren Informationen im Internet führt.

Das Hans-Pfitzner-Mahnmal

Auch beim Denkmal in der Schondorfer Seeanlage entschied sich die Gemeinde für einen Zusatztext. Gemeinderat Simon Springer hatte angeregt, die ohnehin zweiteilige Skulptur neu zu gestalten. Die Wellenförmige Spalte zwischen den beiden Hälften kann man auch als Bruchlinie verstehen. Sie kann den Bruch zwischen dem Komponisten Pfitzner und dem Antisemiten Pfitzner symbolisieren. Auf dem einen Teil soll in Zukunft eine Erklärung zu lesen sein, mit der sich die Gemeinde von Pfitzners faschistischen Anschauungen distanziert.

Hans Pfitzner Denkmal Schondorf

Das ist eine Lösung, mit der ich mich durchaus anfreunden kann. Wir können ja nicht so tun, als habe es Pfitzner oder andere Steigbügelhalter der Nazis nie gegeben.

Wenn die Erinnerungskultur nicht nur ein Ritual sein soll, dann muss sie in die Zukunft weisen. Dann müssen wir aus dieser Erfahrung heraus davor warnen, „sich als Nutznießer von totalitären Systemen vereinnahmen zu lassen“. So soll es in Zukunft auf dem Hans-Pfitzner-Mahnmal in Schondorf zu lesen sein.

Ich bin froh, dass sich in dieser Angelegenheit nach vielen Jahren nun endlich etwas tut. Trotzdem finde ich persönlich es schade, dass sich der Gemeinderat nicht zu einer grundlegenden Neugestaltung des Denkmals und einer Umbenennung der Straße durchringen konnte.

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