Die Tragödie des Norwegerhauses

Als „tragischen Fall“ bezeichnet Gerald Modlinger im Ammerseekurier die Geschichte rund um das Wielandhaus in Eching. Es hat tatsächlich etwas von einer Tragödie in ihrer ursprünglichen Bedeutung: Die Hauptfigur ist in unlösbare Konflikte verstrickt, die zwangsweise zum tragischen Scheitern führen. Nach dieser Definition erscheint der Abriss des Norwegerhauses am Ammersee wie eine klassische griechische Tragödie.

Abriss des Norwegerhauses am Ammersee

Die Vorgeschichte habe ich schon einmal in dem Beitrag Baudenkmal oder Schwarzbau? kurz skizziert. Erbaut wurde das Haus 1900 von dem Maler Hans Beat Wieland. Er hatte sich von einer Reise nach Spitzbergen inspirieren lassen, und baute ein Holzhaus mit der landestypischen roten Wandfarbe und den weißen Fenstern. 1999 verkauften Wielands Erben das denkmalgeschützte Haus, und der neue Besitzer baute es innen nach seinen Vorstellungen um.

Historische Ansicht des Wieland-Hauses am Ammersee
Historische Aufnahme des Wielandhauses (Quelle: Staatsarchiv Uri)

Ob der Besitzer hier einfach etwas naiv war oder ob er kaltschnäuzig seine Vorstellungen durchsetzen wollte, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls nahmen ab da die unlösbaren Konflikte der Tragödie ihren Lauf. Nach dem Umbau blieb vom Original nämlich nur noch die äußere Hülle übrig. Das bemerkte auch der Denkmalschutz. Die Behörde stellte fest, dass das Gebäude mit dem ursprünglichen Norwegerhaus kaum noch etwas gemein habe, und als Neubau zu bewerten sei.

Dummerweise liegt das Haus im Außenbereich der Gemeinde Eching, in dem Neubauten kategorisch untersagt sind. Es war rechtlich gesehen also ein Schwarzbau, der wieder abgerissen werden musste.

Das ist die Kurzfassung. Wer genau wissen will, wann welche Behörde und welches Gericht welche Entscheidung getroffen hat, kann sich hier durch über 30 Zeitungsartikel zu dem Fall lesen: https://www.augsburger-allgemeine.de/suche/?q=norwegerhaus

Schein und Sein

Ob der Abriss nun gerechtfertigt war oder nicht, erhitzt am Ammersee die Gemüter. Einer meiner Leser zeigt in einem Kommentar volles Verständnis für das harte Durchgreifen des Landratsamtes: „Das ehemalige, typische Holzhaus, wurde ein Ziegelrohbau, nach außen getarnt wie eine Filmkulisse!“ (https://schondorf.blog/2017/03/19/baudenkmal-oder-schwarzbau/#comment-18058).

Dagegen schreibt der renommierte Schondorfer Architekt Kurt Bergmaier in einer Presseaussendung: „Und mit welcher Berechtigung sollen all die Bewohner von Eching, Schondorf und Umgebung inklusive ihrer Gäste dafür bestraft werden, dass ein Bauherr die Gesetze nicht befolgt hat – zumindest nicht im Inneren des Hauses?“

Das sogenannte Norwegerhaus in Eching am Ammersee
So sah das Wieland-Haus aus

Die Meinungen zum Abriss des Norwegerhauses am Ammersee gehen also weit auseinander. Auch ich bin da gespalten. Einerseits war das Wielandhaus immer ein erfreulicher Anblick auf dem Weg von Schondorf nach Eching. Mir als Laien hat es einfach gefallen, egal ob die Substanz nun historisch ist oder nicht. Denkmalschützer sehen das natürlich anders. Ihnen geht es nicht um den schönen Schein, sondern um die inneren Werte. Ein Haus, bei dem die alte Fassade nur noch als Kulisse dient, hat keinerlei historische Bedeutung. Lässt man das einem Eigentümer durchgehen, schafft man auch einen Präzedenzfall für die Zerstörung weiterer Baudenkmäler.

Versöhnlicher Schluss noch möglich

Nun ist das, was vom Wielandhaus übrig war, also weg. Wie in der klassischen Tragödie ist das für den Eigentümer ein tiefer Fall: vom stolzen Besitzer eines historischen Anwesens zum Inhaber der wohl teuersten Badewiese Bayerns. Neu bauen darf er wie gesagt nach aktueller Rechtslage nicht.

Wieland-Haus in Eching. Abriss des Norwegerhaus am Ammersee
Abriss des Norwegerhauses in Eching

Es kann aber durchaus sein, dass dem tragischen Schauspiel noch ein versöhnlicher Schlussakt hinzugefügt wird. Wie Bürgermeister Luge am Rande der Abrissarbeiten sagte, arbeitet die Gemeinde Eching weiterhin an einer Lösung. Gedacht ist wohl an einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, der eine Rekonstruktion des Wielandhauses ermöglichen würde. Im Gespräch ist anscheinend auch an ein kleines Museum, das an den Landschaftsmaler Wieland erinnert. Vielleicht sehen wir also in ein paar Jahren wieder ein Haus im traditionellen norwegischen Stil am Ammersee.

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