Dass dieses Buch und ich zusammenkamen, ist ein schier unglaublicher Zufall, man möchte es fast ein Wunder nennen. Dazu muss ich sagen, dass ich mit Religiosität nichts am Hut habe. Deshalb gehöre ich sicher nicht zur Zielgruppe des Verlags Friedrich Pustet, der theologische Sach- und Fachbücher herausgibt. Das gilt auch für das Buch Von Glanz und Elend der Gnade, das im Untertitel als „ein Beitrag zur politischen Theologie“ beschrieben wird. Trotzdem habe ich das Buch gerade gelesen, und es hat mir durchaus gefallen.
Heimatpfleger, Jurist, Philosoph
Der größtenteils verregnete Frühling hat bewirkt, dass ich mich noch mehr als sonst mit Büchern beschäftigt habe (Bücher prägen Menschen). Von Glanz und Elend der Gnade hätte ich aber normalerweise nicht in die Hand genommen. Ich stieß nur deswegen darauf, weil es Prof. Peter Cornelius Mayer-Tasch geschrieben hat, den ich von unserer gemeinsamen Tätigkeit im Schondorfer Kreis kenne.
Er leitet dort den Arbeitskreis Ortsbild und in dieser Funktion kennen ihn sicher viele Schondorfer. Er ist bekannt als unermüdlichen Streiter für den Erhalt der gewachsenen, historischen Strukturen im Ort, ob es nun um St. Jakob geht (http://schondorfer-kreis.de/2019/11/21/st-jakob-und-die-geistige-welt-des-mittelalters/) oder um die Ufermauer in der Seeanlage (http://schondorfer-kreis.de/2023/03/06/schondorfer-ufermauer-in-gefahr/).
In der akademischen Welt genießt Mayer-Tasch Ansehen als Professor für Politikwissenschaft und Rechtstheorie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sowie als Gründer und Mit-Leiter der Forschungsstelle für Politische Ökologie. Darüber hinaus gehört er zu den Pionieren der Umweltbewegung in Deutschland, und war vierzig Jahre lang im Kuratorium des Öko-Instituts e.V., dessen Ehrenmitglied er heute ist.
Weil ihn das alles anscheinend noch nicht auslastet, beschäftigt er sich auch intensiv mit Philosophie und Mythologie. Um hier sein Wissen weiterzugeben, betreibt er in Schondorf die philosophische Praxis Boëthius (http://www.philosophische-praxis-boethius.de/).
Ein Buch zur politischen Theologie
Wenn also jemand wie Prof. Mayer-Tasch ein Buch zur politischen Theologie schreibt, dann werde sogar ich als nichtreligiöser Mensch neugierig. Ich wurde nicht enttäuscht, denn in Von Glanz und Elend der Gnade werden nicht trocken irgendwelche Glaubensgrundsätze heruntergebetet. Es geht grob gesagt darum, warum der Begriff der Gnade in allen monotheistischen Religionen so einen immens hohen Stellenwert hat, und warum gerade dieser Aspekt die Religion für absolutistische Herrscher aller Zeiten so attraktiv machte.
Allerdings ist das kein Buch, das man am Ende zur Seite legt und sagt: „Aha, so ist das also“. Es ist das gerade Gegenteil von leicht konsumierbarem Wartezimmerzeitschriftenwissen. In dem Buch geht es munter vom antiken Rom zum englischen Königshaus, und vom alten Ägypten zum Philosophen Ludwig Feuerbach.
Das Konzil von Nicäa
Etliche der beschriebenen Ereignisse waren mir völlig neu. Ich wusste beispielsweise nicht, dass die Gottgleichheit Jesu Christi erst auf dem Konzil von Nicäa – auf massiven Druck des Kaisers Konstantin der Große – festgeschrieben wurde. Ihm war es wichtig, dass das Christentum nicht nur auf den Offenbarungen eines gottähnlichen Propheten beruhte, sondern direkt auf den Worten Gottes. Mir war nicht klar gewesen, dass das heute selbstverständliche Dogma der Dreifaltigkeit erst über 300 Jahre nach Christus festgeschrieben wurde.
Wie bereits gesagt, erzählt Mayer-Tasch nicht einfach brav von Anfang bis Ende, sondern springt munter von einem Gedanken zum nächsten. Bei ihm sprudeln die Assoziationen und Argumente wie die Perlage in einem Glas Champagner. Der Effekt ist dann auch ganz ähnlich: Man fühlt sich etwas schwindelig im Kopf, aber auf eine angenehme Art.