Ich wurde auf eine Petition hingewiesen, die sich gegen die geplante Erdgasförderung am Ammersee, genauer gesagt in Reichling richtet: https://umweltinstitut.org/energie-und-klima/mitmachaktionen/keine-bohrtuerme-am-ammersee/. Die Petition wurde vom Verein Umweltinstitut München gestartet, und wird von Greenpeace, dem BUND und der Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen unterstützt. Diesen Protest kann ich gut verstehen. Ich möchte in Schondorf auch nicht auf einen Bohrturm schauen.
Woher das Erdgas kommt
Trotzdem stellt sich die Frage, wo das Erdgas herkommen soll, das wir verbrauchen. Darauf geht auch die Website des Umweltinstitut München ein. „Ist heimisches Erdgas nicht besser, als es von weit her zu importieren?“, heißt es dort. Die Antwort klingt beruhigend. Bislang importiere Deutschland rund 95 % seines Gasbedarfs per Pipeline aus den Niederlanden, Norwegen und Belgien. Wir beziehen unser Gas also praktisch aus der Nachbarschaft.
An diesem Punkt werde ich etwas stutzig. Laut Wikipedia verbraucht Deutschland rund 90 Mrd. m3 Erdgas pro Jahr, von denen knapp 5 % im Land gefördert werden. Die Lieferungen per Pipeline aus den Niederlanden, Norwegen und Belgien machen 26 %, 43 % und 22 % der Importe aus, wie man bei der Bundesnetzagentur nachlesen kann.
Norwegen gehört tatsächlich zu den zehn größten Förderländern, aber schon bei den Niederlanden passen Produktion und Export nicht mehr zusammen. Die fördern laut Wikipedia 15 Mrd. m3 pro Jahr, also deutlich weniger als die Menge, die sie nach Deutschland pumpen. Belgien taucht in der Liste der größten Erzeugerländer überhaupt nicht auf, produziert also noch weniger als Deutschland (https://de.wikipedia.org/wiki/Erdgas/Tabellen_und_Grafiken#Nach_L%C3%A4ndern). Wie kann das funktionieren?
Erdgas und LNG
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, Erdgas zu transportieren. Man kann es einerseits durch eine Pipeline direkt von der Quelle zum Abnehmer pumpen. So lief die deutsche Gasversorgung aus Russland. Alternativ kann man Erdgas verflüssigen, indem man es auf ca. -160 °C herunterkühlt. Das nennt sich dann Liquefied Natural Gas (LNG), und kann mit speziellen Tankschiffen überall hin auf der Welt hintransportiert werden.
Für diese Schiffe haben die Niederlande und Belgien eine gut ausgebaute Infrastruktur von Häfen mit den entsprechenden Terminals. Hier wird LNG aus den USA, den Golfstaaten oder Nordafrika wieder in Gas umgewandelt, und dann über Pipelines in Europa verteilt. Vermutlich wird das Gas offiziell als Import aus diesen Ländern gerechnet, weil es am Ende der Kette über eine Rohrleitung aus Holland oder Belgien nach Deutschland kommt.
Es ist also nicht so, dass wir unser Erdgas auf kurzem Weg von unseren netten Nachbarn bekommen würden. Der mit Abstand größte Teil der LNG Importe in Europa kommt aus den USA, wo das Gas zu zwei Dritteln mittels Fracking gefördert wird.
Weg vom Erdgas
Man kann jetzt durchaus argumentieren, dass man deswegen nicht die Erdgasförderung am Ammersee vorantreiben, sondern möglichst ganz vom Erdgas wegkommen sollte. Dabei ist allerdings der Ausbau der erneuerbaren Energien auch nicht viel beliebter als die Suche nach fossilen Rohstoffen, beispielsweise wenn es um Windkraft im Landkreis Landsberg geht.
Neue Gaskraftwerke
Dass wir vom Gas nicht so schnell wegkommen, sagt auch unser Wirtschaftsministerium. In der von der Ampel vereinbarten Kraftwerksstrategie sollen neue Gaskraftwerke mit insgesamt 12,5 Gigawatt Leistung gebaut werden (https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2024/07/20240705-klimaneutrale-stromerzeugung-kraftwerkssicherheitsgesetz.html).
Wenn ich es richtig sehe, ist diese Leistung etwa das Doppelte von dem, was alle vorhandenen Wasserkraftwerke in Deutschland heute erzeugen. Dementsprechend will die Bundesnetzagentur laut Netzentwicklungsplan bis 2030 fast 1.000 km neue Gasleitungen bauen (https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/NEP/Gas/start.html).
Berechtigte Bedenken
Zugegeben, die neuen Gaskraftwerke sollen H2-ready sein, sollen also ab 2035 nicht mehr mit Erdgas, sondern mit grünem Wasserstoff betrieben werden (Grau, blau oder grün). Da bin ich allerdings etwas skeptisch. Ich sehe, wie Deutschland bei Wohnungsbau, Stromtrassen oder Digitalisierung den eigenen Plänen hinterherhinkt. Ob das beim Aufbau der Infrastruktur für grünen Wasserstoff besser funktioniert, sei dahingestellt.
Natürlich gibt es noch weitere berechtigte Bedenken gegen eine Erdgasförderung am Ammersee: Die Bohrtürme verschandeln die Landschaft, seltene Tier- oder Pflanzenarten werden gestört, und man macht sich auch Sorgen um das Trinkwasser.
Das sind alles stichhaltige Gründe gegen die Bohrungen, aber sie treffen in Kansas, Norwegen oder Texas genauso zu. Aktuell ist es so, dass wir in Deutschland zwar tüchtig Erdgas verbrauchen, die unschönen Nebeneffekte aber gerne in andere Länder auslagern. Mit dem staatlich geförderten Bau neuer Gaskraftwerke wird sich diese Situation nicht so schnell ändern.
Wie schon gesagt, sehe ich diesen Zwiespalt auch bei mir selbst. Einerseits erwarte ich eine sichere Energie- und Stromversorgung. Andererseits würde ich wahrscheinlich auch protestieren, wenn die Erdgasförderung in Schondorf in Schondorf geplant wäre.
Man muß sich über diese stimmungsmachenden Bilder wirklich sehr wundern! Ähnlich wie bei dem „Umweltinstitut“ verwendest du Bilder, die vermutlich Angst machen sollen? Nicht vergessen, würden wir Geothermie nutzen hätten wir einen ganz ähnlichen Bohrturm in Finning, mit einer Industriehalle, wie wir viele im Landkreis haben, wohl ähnlich wie bei der Erdgasförderung.
Wer gibt euch überhaupt die Gewissheit, daß man ein weiteres, tiefes Loch in Ammersee Nähe bohren müsste? Die Gaslagerstätte ist schichtgebunden und damit mehr oder weniger Horizontal (oft in Fallen angesammelt), weshalb man bereits sein Jahrzehnten solche Lagerstätten mit Horizontalbohrungen erschließt. Es ist also gut möglich, daß man nur in Reichling in die Tiefe geht. Und sicherlich ist ein Bohrturm sehr sehr viel niedriger (einige 10er Meter, hoher Kirchturm), wie z.B. eine moderne Windkraftanlage.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bohrturm
Naja, manchmal braucht es eben ein aufmerksamkeitsstarkes Bild, um die Leser zu ködern 🙂
Manche nennen es auch FakeNews, es ist immer ein schmaler Grad und dabei meine ich jetzt nicht dein Bild, denn es ist so überzogen, daß es jeder versteht.
Ach, Rainer, wenn alle Fake News so leicht zu erkennen wären wie meine Fotomontage, dann hätten wir damit gar keine Probleme 🙂
… und unsere lieben Nachbarn, die Niederländer hatten durch die sehr intensive Gasförderung mit schweren Folgen zu rechnen. Deshalb konnte es dort auch niemand verstehen, dass wir 3 funktionierende Kernkraftwerke abschalten, während die Niederlande gerade den Beschluss gefaßt hat, die Laufzeit ihres einzigen AKWs zu verlängern und ein weiteres zu bauen und stattdessen Gas aus den NL zu importieren, um ihn dann zu verstromen.
„Löst eure Probleme doch bitte selbst, ihr habt selbst genug Gas und gute Atomkraftwerke!“, musste ich mir von Freunden und Familie oft anhören, übrigens auch sollte die „GroenLinks“, also Grüne wählen.
„Die Regierung hatte bereits 2018 angekündigt, die Gasproduktion zu beenden. Doch im Zuge der Energiekrise als Folge des Ukrainekriegs war die Produktion verlängert worden. Erst in dieser Woche stimmte auch die Erste Kammer des Parlaments (vergleichbar dem Bundesrat) zu.
Die Gasförderung in Groningen war von einem Segen zum Albtraum geworden. In 60 Jahren wurden mehr als 2300 Milliarden Kubikmeter gefördert, davon etwa die Hälfte für den Export, auch nach Deutschland. Der Staat verdiente gut daran: mehr als 360 Milliarden Euro, die beteiligten Ölgesellschaften Shell und ExxonMobil rund 66 Milliarden Euro.“
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/erdgas-in-den-niederlanden-europas-groesstes-gasfeld-wird-geschlossen-a-764ef01c-93f9-4b90-9227-fefb44a15ba0
Ich wusste erst nicht, was mit „von einem Segen zum Albtraum“ gemeint ist. In dem Spiegel-Artikel, den Du verlinkt hast, lese ich, dass die Gasförderung wohl zu 1.600 Erdbeben in der Gegend geführt hat.
So ist es. Was die Niederlande jetzt machen, wird man sehen. Die Elektrifizierung geht ja auch bei weitem nicht so schnell voran, wie man sich das wünscht, obwohl die Niederlande planen noch weitere Atomkraftwerke zu bauen und über die Nordsee sehr, sehr viel regelmäßig wehenden Wind bekommen, entlang ihrer langen Küstenlinie.
Ich frage mich bei dem Thema Elektrifizierung oft, wie gut die Netze auf lokaler Ebene darauf vorbereitet sind. es ist sicher wichtig, dass wir den Backbone, die Gleichstromtrassen, ausbauen. Aber wie sieht es eigentlich in den Gemeinden aus, wenn dann wirklich jeder E-Auto und Wärmepumpe am Netz hängen hat? Sind die Verteilerstationen und Kabelnetze auf das ausgelegt?