Zu meiner Zeit wurde in der Volksschule noch Schönschreiben unterrichtet und benotet. Es war, milde ausgedrückt, nicht gerade mein stärkstes Fach. Für mich war es ein Glücksfall, dass sich Computer durchgesetzt haben, und wir heute praktisch alle Texte mit der Tastatur oder dem Mikrofon festhalten können. Eine Ausstellung im Schondorfer Gestalt-Archiv (http://gestalt-archiv.de/) zeigt jetzt, dass mit dieser Entwicklung auch viel Schönheit verloren gegangen ist.
Schreiben damals und heute
Wie gesagt, war Schönschrift in der Schule nicht meine starke Seite. Dabei haben meine Großeltern damals über das niedrige Niveau gelacht. Ein bisschen Schreibschrift mit der Füllfeder, das sei doch keine Herausforderung. Sütterlin. Feder- und Schattenstrich, der Umgang mit der Schreibfeder – das sei noch die hohe Schule der Schönschrift gewesen.
Heute runzeln Pädagogen bei solchen Konzepten missbilligend die Stirn. Das Erlernen der feinmotorisch komplizierten Schreibschrift sei in den ersten Schuljahren zeitraubend, und außerdem benachteilige es schreibschwache Schüler. Keine Frage, in den Schönschreibstunden sind wahrscheinlich viele Tränen geflossen. Andererseits gab es sicher auch viele Erfolgserlebnisse und es sind kleine Meisterwerke entstanden.
Der Kunstpädagoge Hans Herrmann
Eine Auswahl davon zeigt jetzt das Schondorfer Gestalt-Archiv Hans Herrmann in der Ausstellung Schön – Schrift. Hans Herrmann (1899 – 1981) war ein Pädagoge, dessen Ideen den Kunstunterricht ganzer Generationen geprägt haben. Er wollte die bildnerischen Anlagen, die in jedem Menschen vorhanden sind, im Unterricht wecken und stärken. Dazu entwickelte er Lehransätze, um die Schüler ganzheitlich anzusprechen und ihre Gestaltungskräfte zu fördern.
Zusammen mit seiner langjährigen Mitarbeiterin Eleonore Weindl baute er das umfangreiche Archiv auf, das wir heute glücklicherweise in Schondorf besitzen. Aus dieser Sammlung zeigt die Ausstellung über 200 Originale aus rund acht Jahrzehnten, von Kindern in verschiedenen Altersklassen und Schularten.
Dabei wird das Schönschreiben auf vielfältige Weise in Szene gesetzt. Zu sehen sind kalligrafische Einzelbuchstaben, ebenso wie kunstvoll gestaltete Schriftzüge, Buchstabenlandschaften, Schriftbilder und typografische Experimente. Kurz gesagt, es ist ein wahres Feuerwerk an kindlicher Kreativität. Ich wünschte mir, ich hätte beim Schönschreiben in der Schule einen Lehrer wie Hans Herrmann gehabt.
Ausstellung Schön – Schrift
November 2024 bis 2. Mai 2025
jeweils samstags von 15:00 bis 17:00 Uhr
oder nach Vereinbarung unter 08192 7675
Gestalt-Archiv Hans Herrmann
Landsberger Straße 19
Schondorf am Ammersee