Der schwierige Weg zum Lärmschutz

Das ist nun so ein Thema, bei dem ich etwas zeitlichen Abstand gebraucht habe, um mich nicht von meinen Emotionen leiten zu lassen. In der letzten Gemeinderatssitzung wurde bekanntgegeben, dass das Landratsamt Landsberg den Lärmaktionsplan in Schondorf und Tempo 30 auf den Durchfahrtsstraßen blockiert. Die Maßnahme sei unverhältnismäßig, die geplagten Anwohner könnten ja Schallschutzfenster einbauen (https://www.merkur.de/lokales/landsberg-kreisbote/tempo-30-in-utting-und-schondorf-erstmal-ausgebremst-93397655.html).

Die Gemeinde Schondorf protestiert jetzt bei der Regierung von Oberbayern gegen diese Entscheidung des Landratsamtes.

Der Lärmaktionsplan in Schondorf

Der ganzen Thematik bin ich verbunden, seit ich vor drei Jahren mit Gleichgesinnten die Initiative Freiwillig 30 gegründet habe (Tempo 30 nimmt Fahrt auf). Richtig hoffnungsvoll wurde ich, als die Gemeinde letztes Jahr einen Lärmaktionsplan in Schondorf beauftragte (Der Lärmaktionsplan liegt aus).

Dessen Ergebnisse waren recht eindeutig. Entlang der Staatsstraßen werden tagsüber 475 und nachts 247 Menschen durch zu hohen Verkehrslärm belastet. Als Gegenmaßnahme empfiehlt der Plan eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h und später nach Möglichkeit einen leiseren Fahrbahnbelag (Flüsterasphalt).

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Die Gemeinde war zu der Zeit optimistisch, die empfohlenen Maßnahmen schnell umsetzen zu können. „Jetzt fehlt nur noch das Einvernehmen der Regierung von Oberbayern, des staatlichen Bauamtes in Weilheim und der Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt Landsberg“, hieß es damals.

Schallschutzfenster statt Tempo 30

Die ersten beiden Behörden hatten keine Einwände, nur aus dem Landratsamt ließ die Stellungnahme auf sich warten. Nach sieben Monaten hat sich die Straßenverkehrsbehörde im Landratsamt jetzt gemeldet, und die Einführung von Tempo 30 in Schondorf und Utting abgelehnt.

Die Lärmberechnung zeige keine unzumutbare Lärmbelästigung, und außerdem sprächen verkehrliche Belange gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h. Stattdessen empfiehlt die Behörde passive Maßnahmen, wie zum Beispiel den Einbau von Schallschutzfenstern.

Tief durchatmen

Das war der Punkt, an dem ich tief durchatmen musste. Statt ein paar Schilder an die Straße zu stellen, sollen sich die Anwohner selbst teure Schallschutzfenster einbauen.

Lärmaktionsplan Bayern: Ohr in Großaufnahme
Lärm macht krank

Nun versuche ich nach Möglichkeit immer beide Seiten eines Argumentes zu sehen. Klar ist, dass es sich bei der Frage nach Tempo 30 im Ortsgebiet um eine Abwägung handelt. Bei Tempo 50 leiden die Anwohner unter mehr Lärm, dafür kommen die Autos schneller voran. Umgekehrt haben mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung die Menschen mehr Ruhe, dafür dauert die Ortsdurchfahrt länger. Die Frage ist, was man als wichtiger erachtet.

Die Pros und Kontras

Allerdings ist die Abwägung nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick aussieht. Dass Verkehrslärm auf Dauer krank macht, hat beispielsweise das Umweltbundesamt ausführlich dargestellt: https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/verkehrslaerm-kann-risiko-fuer-depressionen Deshalb gibt es hier klare Vorgaben, die in den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen RLS 19 festgelegt sind.

Andererseits ist es unbestreitbar, dass eine Autofahrt mit geringerem Tempo länger dauert. Aber um wie viel länger und ist das zumutbar? Von Ortsschild zu Ortsschild ist die Durchfahrt durch Schondorf auf der Staatsstraße St2055 etwa 1,4 km lang.

Lärmaktionsplan in Schondorf für die Ortsdurchfahrt auf der Staatsstrasse
1,4 km Ortsdurchfahrt

Mit 30 km/h braucht man dafür zwei Minuten, 30 Sekunden. Mit konstant 50 km/h ist man rund eine Minute schneller. Allerdings ist das nur die berechnete Ersparnis. In der realen Welt kann man höchstens zu mitternächtlicher Stunde konstant Tempo 50 durch den Ort fahren.

Im Normalfall sind da Bahnschranke und Ampel, Radfahrer und Fußgänger, Ein- und Ausparker, und manchmal auch ein Lieferwagen, der auf der Straße hält. Wie viel Zeitersparnis bleibt dann tatsächlich übrig? 40 Sekunden, 30 Sekunden? Ist dieser zusätzliche Zeitaufwand zumutbar?

Subjektives Empfinden

Hier kommen wir von objektiven Berechnungen zu subjektiven Einschätzungen. Ich kenne Autofahrer, denen schnellt der Blutdruck schon beim Gedanken an eine Geschwindigkeitsbeschränkung in bedenkliche Höhe. Die werden dem Landratsamt für seine Ablehnung von Tempo 30 sicher Beifall klatschen.

Nicht alle können sich mit Tempo 30 anfreunden

Persönlich stört es mich nicht, bei einer Ortsdurchfahrt den Fuß vom Gas zu nehmen (Zumindest jetzt nicht mehr. Über meine Jugendsünden hülle ich ein Mäntelchen gnädigen Schweigens). In Inning gilt jetzt schon länger Tempo 30. Ich habe nicht das Gefühl, dadurch auf der Fahrt nach Herrsching entscheidend Zeit zu verlieren. Mir fällt nur auf, dass der Verkehr jetzt gleichmäßiger dahinrollt, mit weniger Stop-and-Go.

Aber das ist wie gesagt nur eine subjektive Einschätzung. Wie seht ihr das? Applaus für die Ablehnung durch das Landratsamt oder Hoffnung, dass die Regierung von Oberbayern doch noch Tempo 30 in Schondorf durchsetzt?

5 Gedanken zu „Der schwierige Weg zum Lärmschutz“

  1. Es bedarf eigentlich keiner Klarstellung und es liegt auch kein Missverständnis vor.
    Dass es sich beim Lärmaktionsplan nicht um eine private Initiative der Anwohner respektive der Bürgerinitiative „Freiwillig 30“ handelt ist unstrittig. Bekannt ist ebenso, dass dieser Lärmaktionsplan ein Projekt der Staatsregierung ist.

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  2. Die Entscheidung des Landratsamtes ist absolut nachvollziehbar, denn fraglos sollte das Ziel einer Staatsstraße sein, schnell von A nach B zu kommen.
    Es wurde doch schon mehrfach gesagt, dass das hohe Verkehrsaufkommen und die damit verbundene Problematik nicht durch Tempo 30 gelöst werden. Damit erreicht man nur eine Lärmminderung, aber es werden deswegen nicht weniger als aktuell 17.000 Fahrzeuge pro Tag durch Schondorf fahren. Bei geringem Tempo können sich die Abgase sogar verstärken, weil die Durchfahrt länger dauert.
    Sehr merkwürdig die Interpretation vom Mitglied des Gemeinderates, Herrn W. Schraml, ( Schondorf.Blog vom 28. 11. 2023 Lärmaktionsplan ) dass die seit Jahrzehnten ungelöste Verkehrsproblematik durch eine Beschränkung der Durchfahrtsgeschwindigkeit endlich zu lösen ist.
    Zur Lärmreduzierung wäre nach dem vorliegenden Lärmaktionsplan u.a. auch ein Flüsterasphalt sinnvoll, allerdings verbunden mit relativ hohen Kosten. Aber dies wurde ohnehin bereits vom Straßenbauamt abgelehnt.
    Hinter dieser Aktion „Tempo 30 auf der Staatsstraße“ steht auch die Initiative „Freiwillig Tempo 30“, wobei vier die fünf Initiatoren, welche Überraschung, direkt an der Uttinger Straße wohnen; und auch überwiegend erst seit wenigen Jahren. Bemerkenswert wiederum, dass die Mehrheit der Initiatoren in einem Mischgebiet lt. Flächennutzungsplan wohnen, also keinem reinen Wohngebiet und dort muss ohnehin aufgrund der Richtwerte eine höhere Lärmbelastung in Kauf genommen werden.
    Dass es an einer Staatsstraße auch noch Verkehrslärm gibt, hätte man eigentlich schon vorher wissen müssen, bevor man sich dort direkt angesiedelt hat. Also ein überwiegend rein persönliches Interesse dieser Initiatoren und nicht „für Schondorf“ wie der Slogan dieser Initiative lautet.
    Gemeinde, Straßenverkehrsbehörde und Straßenbauamt sollten nun für Ruhe sorgen und dies auch noch irgendwie finanzieren. Tolle Idee !
    Bevorzugt wurde von den Initiatoren als Argument gerne der Hinweis, dass wir in einem Dorf leben, indem sich Kinder nicht frei bewegen können. Klingt so als darf es in einem Dorf nur Kühe, Schafe und Traktoren geben.
    Der Zusatz „dorf“ hat nun einmal keine zwangsläufige Bedeutung ( Beispiel Düsseldorf ). Wir gehören mit 4 Tsd. Einwohnern lt. der amtlichen Statistik der BRD zu einer Landstadt ( 2-5 Tsd . Einwohner ).
    Herr Jünger, Mitglied des Gemeinderates und Mitinitiator „Freiwillig Tempo 30“ und direkter Anwohner in der Uttinger Straße, reklamierte schon in 2014 bei seiner Bewerbung als Bürgermeister Tempo 30 in dieser Straße in seinem Wahlprogramm und er argumentierte in einer TV Sendung des Bayerischen Fernsehens erneut, weil wir ein Dorf sind muss Tempo 30 her. Gut gemeint und wohl nicht ohne Eigeninteresse.
    Außerdem sind die Fahrradfahrer in der Staatstraße nicht gefährdet wie von dieser Initiative gerne erwähnt. Es gibt über den „Alten Alten Anger“ einen quasi fast durchgehenden Ortsmitte-Fahrradweg neben bzw. in der Nähe dieser Straße. Dies ist offensichtlich noch nicht angekommen.
    Es ist festzuhalten, dass nach der Ampel Ortsmitte in Richtung Utting ein problemloser Straßenverkehr mit Tempo 50 stattfinden kann und es gibt überhaupt kein Argument, dort mit Tempo 30 zu fahren. Dort sind keine Geschäfte für den täglichen Bedarf, auch das Fußgängeraufkommen ist dort sehr gering.
    Vom Ortseingang aus Richtung Greifenberg bis zur Ampel in der Dorfmitte sind tagsüber ohnehin durch Kreuzung des Fahrradweges nach dem Bahnübergang und vielen Abbiegern kaum mehr als 30 km möglich.
    Die drei Lösungsvorschläge wegen der Verkehrsproblematik von der Orts-CSU, insbesondere durch Herrn Jünger, von Herrn Ploner ( Schondorf.Blog vom 16. 08. 2021 Patentlösung mit Tücken ) und von Herrn Deboeser ( Schondorf.Blog vom 28. 11. 2023 Der Lärmaktionsplan liegt aus ), sind die einzigen und perspektivisch vernünftigen Lösungen: Eine Ortsumgehung !
    Alles andere ist und bleibt Makulatur, also ohne Sinn und Zweck und löst in keinster Weise den fraglos starken und vermutlich stärker werdenden Durchgangverkehrs in Schondorf.

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    • Vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar, aber ich glaube, ich muss mit einem Missverständnis aufräumen. Der Schondorfer Lärmaktionsplan wurde nicht von der Bürgerinitiative „Freiwillig 30“ eingeleitet, sondern beruht auf geltendem Recht. Die zentrale Lärmaktionsplanung Bayern ist vom Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz gestartet worden, um die EU Richtlinie 2002/49/EG umzusetzen. Ziel ist es, vorhandene Lärmprobleme zu analysieren und zu beheben, sowie ruhige Gebiete vor einer Zunahme des Lärms zu schützen. Dazu sollen die in den Lärmaktionsplänen festgelegten Maßnahmen entsprechend Bundes-Immissionsschutzgesetz umgesetzt werden. Bei der Erfassung der Lärmbelastung kommen einheitlich die Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS) zur Anwendung. Die Lärmaktionsplanung ist also keine Schondorfer Extrawurst, sondern ein Verfahren, das in Bayern über 1.300 Gemeinden an Hauptverkehrsstraßen betrifft.

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      • Wie schon in einem früheren Kommentar, möchte ich noch einmal klarstellen, dass es sich hier nicht um eine private Initiative der Anwohner handelt. Der Lärmaktionsplan ist ein Projekt der Staatsregierung, mit dem erklärten Ziel „vorhandene Lärmprobleme zu analysieren und ggf. zu beheben“ (https://www.umgebungslaerm.bayern.de). Dazu gibt es klare Vorgaben, wie der Lärm zu erfassen ist. Genau diese Erfassung hat die Gemeinde durchführen lassen und die kam zu dem Ergebnis, dass 475 Anwohner durch zu hohen Verkehrslärm belastet werden. Der Lösungsvorschlag ist, die Lärmbelastung durch Tempo 30 zu reduzieren. Weder das staatliche Straßenbauamt noch die Regierung von Oberbayern hatten dagegen Einwände. Nur das Landratsamt Landsberg lehnt das als unverhältnismäßig ab und schlägt stattdessen vor, dass sich die Betroffenen spezielle Schallschutzfenster einbauen lassen sollen (natürlich auf eigene Kosten).

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