Es ist eine traurige Ironie: Ausgerechnet im Advent, in dem wir uns auf das Fest der Liebe vorbereiten, wurde in Schondorf ein Denkmal der Liebe zerstört. Getroffen hat es die Skulptur Grenzen Küssen, die seit fast drei Jahren an einem Gartenzaun in der Bahnhofstraße stand. War das blinde Zerstörungswut, oder hat sich jemand an der Darstellung von zwei küssenden Männern gestört?
Zu provokant
Ganz unumstritten war die kleine Skulptur von Anfang an nicht. Die Künstlerinnen Hannah Doepke und Felina Beckenbauer hätten ihre Bildstöcke gerne im öffentlichen Raum aufgestellt, so wie das in Utting, Windach und Dießen möglich war (Grenzen Küssen). In Schondorf fand das der Gemeinderat zu provokant, was einiges Kopfschütteln auslöste (https://www.merkur.de/lokales/landsberg-kreisbote/zu-provokant-fuer-schondorf-91213211.html).
Am Ende gab es doch eine gütliche Lösung. Das Denkmal der Liebe wurde in der Bahnhofstraße gut sichtbar am Gartenzaun eines Privatgrundstücks aufgestellt. Ich komme oft dort vorbei und habe häufig Leute gesehen, die sich die kleine Skulptur angesehen haben. Provoziert hat sich dabei niemand gezeigt.
Irgendjemand muss es aber dann doch gestört haben. Anfang Dezember wurden die beiden Figuren nachts aus dem Bildstock herausgerissen. Am Morgen fand man sie wenige hundert Meter weiter zertrümmert auf. War das nun einfach Vandalismus oder ein Fall von Homophobie?
Vandalismus oder Homophobie
Das ist schwer zu sagen. Einerseits wurden auch an unserem Haus schon einmal zwei kleine Raben aus Keramik abgerissen und zerdeppert (Ausgeflogen). Ich nehme an, das war kein Fall von Ornithophobie, sondern einfach Lust am Kaputtmachen. So könnte es auch bei Grenzen Küssen gewesen sein. Vielleicht war es den Tätern völlig egal, was die Skulptur darstellte, sie wollten nur irgendwas zertrümmern.
Andererseits gibt es entlang der Bahnhofstraße genug Straßenlampen, Pflanzkübel oder Fensterscheiben, die man einschlagen könnte. Da war es vielleicht doch kein Zufall, dass ausgerechnet die Darstellung zweier küssender Männer demoliert wurde.
Gesten der Solidarität
Eigentlich sollte es heute normal sein, dass ein Mensch einen anderen lieben kann, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Nationalität oder Geschlecht. Immerhin geht selbst die stramm rechte AfD mit einer offen lesbischen Spitzenkandidatin in die Bundestagswahl. Da möchte man doch meinen, Homosexualität sei endgültig in der Gesellschaft akzeptiert.
Anscheinend muss diese Toleranz aber immer noch geschützt und verteidigt werden. Insofern ist die Zerstörung von Grenzen Küssen eine Mahnung, dass wir das bisher Erreichte nicht als selbstverständlich nehmen dürfen.
Erfreulicherweise klatscht niemand Beifall für diesen Akt des Vandalismus. Ganz im Gegenteil. Die Künstlerin Hannah Doepke erhielt viele Botschaften der Aufmunterung und Bestärkung, und Passanten haben Blumen vor dem kaputten Denkmal der Liebe niedergelegt.
Die umstehenden Sträucher sind mittlerweile mit vielen passenden Figürchen geschmückt, beispielsweise einem schwarzen Weihnachtsengel oder einem bunten Regenbogen. Überall finden sich kleine Zeichen der Solidarität. Schondorf bleibt bunt.
Wenn gesellschaftskritische Kunst sogar nach ihrer Zerstörung noch weiterwirkt bzw. lebt, hat sie ihr Ziel auf beeindruckende Weise erreicht. Chapeau!