Im Schondorfer Skriptorium zeigt die Künstlerin Amelie Ries ihre Ausstellung Du siehst es, dann ist es weg. Die Schau ist in ihrer Art ziemlich ungewöhnlich. Normalerweise sieht man während der Laufzeit einer Ausstellung immer dieselben Bilder. Im Skriptorium werden die Kunstwerke aber alle paar Tage gewechselt. Kaum, dass man sie gesehen hat, sind sie schon wieder weg.
Ars longa, vita brevis
Amelie Ries konzipiert ihre Ausstellungen immer mit Bezug auf den Ort, wo sie stattfinden. Für das Schondorfer Skriptorium war die Überlegung, dass viele Passanten regelmäßig an dem Kunstschaufenster in der Bahnhofstraße vorbeikommen. Warum sie also nicht regelmäßig mit neuen Inhalten überraschen.

„Die Kunst ist lang, das Leben ist kurz“, sagte schon Hippokrates. Ries dreht den Spieß um und macht ihre Kunst bewusst kurzlebig. Alle paar Tage findet sich im Schaufenster des Skriptoriums eine neue Arbeit. Meistens ein paar Worte mit einer reduzierten Zeichnung, die Raum für freie Assoziationen lässt. Das macht die Ausstellung zu einer Meditation über Vergänglichkeit und Erinnerung. Was war es eigentlich, was ich hier vor kurzem gesehen habe?
Verschwinden und vergehen
Offensichtlich ist Amelie Ries eine Seelenverwandte von Andreas Kloker, der ihr sein Skriptorium für dieses Projekt zur Verfügung gestellt hat. Auch bei ihm geht es oft um die Themen vergehen und verschwinden. Am bekanntesten sind wahrscheinlich seine Elementarzeichnungen, die sich buchstäblich in Luft auflösen (Nach Vor Ostern).

Noch eine zweite Gemeinsamkeit betonte Kloker bei der Vernissage: Genau wie er spürt auch Amelie Ries gerne den unbewussten Bedeutungen von Wörtern nach. Beispielsweise „vergehen“. Darin steckt doch „gehen“, die Bewegung hin zu einem anderen Ort. Mit Wörtern spielt die Künstlerin auch auf andere Art. Einige hundert Begriffe hat sie auf kleine Keramiktäfelchen geprägt.

Wenn das Skriptorium gerade geöffnet ist, kann man sich aus einer großen Schale welche herauspicken. Entweder ganz per Zufall, wie ein chinesisches Glückskeks, oder man stellt sich aus den gefundenen Begriffen einen eigenen Spruch zusammen.
Gedanken zum Weiterspinnen
Bei einem Spaziergang zum Skriptorium kann man also etwas zum Nachdenken mitnehmen, das Gesehene im Kopf weiterspinnen, bevor es wieder weg ist. Ganz verschwunden ist die Kunst nach wenigen Tagen allerdings nicht. Im Zeitalter des Internets bleiben die digitalen Spuren erhalten, nämlich auf Instagram: https://www.instagram.com/amelie_ries/
Amelie Ries: Du siehst es, dann ist es weg
31. Mai bis 31. Juli 2025
Bahnhofstraße 35
Schondorf am Ammersee
https://www.amelie-ries.de/