Die Schrecken des Krieges

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine sind uns die Schrecken des Krieges näher gerückt, als wir uns das hätten vorstellen können. In den Nachrichten sehen wir täglich Bilder von explodierenden Bomben und einstürzenden Häusern, von Toten und Schwerverletzten. Bei mir sind es aber gerade ganz andere Kriegsbilder, die mir nicht aus dem Kopf gehen wollen. Zu sehen sind sie im kleinen Schaufenster des Stüssihauses am St.-Jakobs-Bergerl.

Der Fotograf Stüssi Reisinger

Alois „Stüssi“ Reisinger war als Fotograf, Kaufmann, Friseur und Amateurschauspieler in Schondorf bekannt wie ein bunter Hund. Soweit ich weiß, kam er im 1. Weltkrieg an der Front zum Fotografieren. Ein gefallener Kamerad hatte ihm seinen Apparat vermacht. In Schondorf betrieb Reisinger dann lange Jahre ein Fotostudio, und seine Nachfahren haben das reichhaltige Archiv aufbewahrt.

Das sogenannte Stüssihaus in Schondorf am Ammersee. Hier lebte und arbeitete der Bader und Fotograf Alois Reisinger
Das Haus des Fotografen Alois Reisinger

Es gab auch einmal eine Website mit etlichen Aufnahmen aus dieser Sammlung. Leider scheint die aber nicht mehr online zu sein. Zumindest gibt es aber in der Vitrine am Haus immer wieder kleine historische Ausstellungen (Freitag). Aktuell sind hier Soldatenbilder zu sehen.

Bei Kriegsausbruch

Beim Ausbruch des 2. Weltkriegs war Reisingers Fotostudio anscheinend sehr gefragt. Viele junge Männer ließen sich in Uniform ablichten, bevor sie einrückten. Bezahlt wurden die Bilder gleich, abgeholt erst später. Es dauerte damals noch ziemlich lange, die Filme zu entwickeln und auf Papier zu bringen. Oft sahen die jungen Soldaten die Bilder erst beim ersten Heimaturlaub.

Fotografien junger Soldaten, die wahrscheinlich in den Schrecken des Krieges ihr Leben verloren haben
Soldatenporträts von Alois Reisinger

Das Schaufenster im Stüssihaus zeigt nun ein Dutzend dieser Aufnahmen, die nie abgeholt wurden. Sicher, man kann sich harmlose Erklärungen dafür ausdenken. Vielleicht hatten die jungen Männer die Bilder einfach vergessen. Vielleicht wollten sie später gar keine Aufnahmen von sich in Uniform sehen.

Die traurige Wahrheit

Die traurige Wahrheit ist aber, dass die Fotos höchstwahrscheinlich deshalb liegen blieben, weil die Männer von der Front nicht mehr zurückkamen. Jetzt sehe ich diese Gesichter, und sehe darin die Verwüstungen und Schrecken des Krieges.

Der Autor DBC Pierre hat einmal ein ähnliches Foto eindrücklich beschrieben: Die Porträtierten blicken blindlings optimistisch in die Zukunft jenseits der Linse (Ich glaube, das ist aus dem Roman Vernon God Little, aber da müsste ich erst nachschauen).

Zerstörte Lebensträume

Die Männer auf den Fotos schauen allesamt optimistisch, dass alles gut gehen würde. Dass sie heil zurückkehren würden, zu ihrer Familie, ihrer Verlobten, ihren Freunden. Lebensträume, die in diesem Moment noch ganz real schienen, und kurz darauf brutal zerstört wurden.

Die nie abgeholten Soldatenporträts von Alois Reisinger vermitteln einen Eindruck von den Schrecken des Krieges
Fotografien, die nie abgeholt wurden

Jedes einzelne der Fotos erzählt so eine Geschichte von vernichteten Träumen. Die vier jungen Burschen, vielleicht waren es Brüder, werden sich nie mehr so vertrauensvoll die Arme auf die Schultern legen. Das kleine Kind auf einem anderen Foto wird ohne Vater aufwachsen. Das liebevoll blickende Paar mit dem Blumenstrauß wird keine glückliche Gemeinsamkeit erleben.

Mich lassen diese Bilder und die möglichen Geschichten dahinter nicht los. Sie stehen für die Schrecken des Krieges, die auch heute noch jeden Tag Menschen auf unserer Welt ereilen.

1 Gedanke zu „Die Schrecken des Krieges“

  1. In einer Welt voller Konflikte und Krisen fällt es zunehmend schwer, zwischen berechtigter Anteilnahme und politisch gefärbter Einseitigkeit zu unterscheiden. Viele Menschen empfinden tiefes Mitgefühl für das Leid anderer;doch nicht selten richtet sich dieses Mitgefühl fast ausschließlich auf bestimmte Krisen, während andere weitgehend unbeachtet bleiben.

    Ein Beispiel dafür ist der Krieg in der Ukraine. Seit mehr als neun Jahren dauert dieser Konflikt an, doch erst seit 2022 steht er im Zentrum westlicher Medien und politischer Debatten. Zugleich werden zahlreiche andere Krisenherde – in Afrika, im Nahen Osten, in Asien – kaum thematisiert. Die mediale Fokussierung erzeugt ein verzerrtes Bild globaler Realität.

    Gleichzeitig wächst die Sorge, dass im Schatten dieser internationalen Debatten die innenpolitischen Entwicklungen in Deutschland aus dem Blick geraten. Kritiker werfen der Bundesregierung vor, mit teils fragwürdigen Gesetzesinitiativen grundlegende Freiheitsrechte wie die Meinungsäußerung einzuschränken, wirtschaftliche Fehlentscheidungen zu treffen und soziale Ungleichheit zu verschärfen. Milliarden fließen ins Ausland, während viele Menschen hierzulande mit steigenden Preisen und wachsender Unsicherheit kämpfen.

    Statt sich ausschließlich mit der Lage in anderen Ländern zu befassen, wäre es an der Zeit, auch die politische Entwicklung im eigenen Land kritisch zu hinterfragen – und nicht jede internationale Loyalität als moralisch alternativlos darzustellen. Eine funktionierende Demokratie braucht genau das: differenzierte Debatten, Meinungsvielfalt und eine klare Haltung gegenüber jeder Form von Korruption – im In- wie im Ausland.

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