Manchmal stellen wir uns Hilfe für die Dritte Welt etwa so vor: Barmherzige Europäer kommen in ein abgelegenes Dschungeldorf und überreichen mildtätige Gaben, worauf die Eingeborenen dankbar auf die Knie sinken, ein Freudenfest veranstalten und ihre Erstgeborenen nach den weißen Wohltätern nennen. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus.
Photo © Empuleg Esp Leguizamo |
Putumayo – Ammersee
Das zeigt sich am Beispiel der Klimapartnerschaft zwischen Schondorf am Ammersee und dem kolumbianischen Puerto Leguizamo am Fluß Putumayo.
Diese Partnerschaft begann im März 2015 mit dem Besuch einer Schondorfer Delegation im kolumbianischen Dschungel (Gegrillte Meerschweinchen und Spuckebier). Im September erfolgte dann der Gegenbesuch der kolumbianischen Partner am Ammersee (Gegenseitiges Lernen).
Ein erstes Zwischenergebnis war eine Putumayo Regenwald Schokolade (Der große Schoko-Test) und es wurden konkrete Projekte besprochen. Dazu gehörte der Aufbau einer regenerativen Energieversorgung, damit der Stromverbrauch nicht mehr ausschließlich über Dieselgeneratoren gedeckt werden muss.
Partnerschaft mit Hindernissen
Bis dahin verlief alles überraschend glatt, doch bei der nächsten Reise der Schondorfer nach Kolumbien kam die erste Ernüchterung. Mittlerweile hatten Wahlen stattgefunden, welche die Opposition an die Macht brachten. Diese tauschte nicht nur den Bürgermeister aus, sondern auch die gesamte Gemeindeverwaltung. Die bisherigen Ansprechpartner waren weg, die Planung der Klimaschutzprojekte begann praktisch bei Null.
Klagen und Verhaftungen
Differenzen gibt es auch mit Klaus Hecht, der das Klimapartnerprojekt ursprünglich angestoßen und Anfangs als Berater begleitet hat. Hecht berät in einer Nachbargemeinde von Leguizamo die Corporación Solano, die ebenfalls ein Solarenergie-Projekt am Start hat. Laut Süddeutscher Zeitung fühlt er sich „hintergangen, ausgenutzt und über den Tisch gezogen“, und erwägt rechtliche Schritte gegen die Gemeinde Schondorf. Anscheinend hatte sich Hecht Hoffnung gemacht, dass Corporación Solano die Installation, Schulung und Wartung übernehmen würde.
Ende November 2016 folgte dann der nächste Schock. Der neue Bürgermeister Juan Carlos Paya war von den Bundesbehörden unter Korruptionsverdacht verhaftet worden. Er soll gegen Bestechung die illegale Goldwäsche mit giftigem Quecksilber erlaubt haben.
Menschen wie du und ich
Über diese Rückschläge lässt sich leicht spotten, aber haben wir Grund dazu? Sind Verzögerungen bei öffentlichen Baumaßnahmen oder Bürgermeister unter Korruptionsverdacht in Deutschland etwa undenkbar? So sieht die Wirklichkeit nun mal aus, auch in Kolumbien.
Seit den Zeiten von Karl May verklären wir fremde Völker gerne zu edlen Wilden. Unbeschädigt von unseren kapitalistischen Charakterdeformationen lebten sie harmonisch im Schoß von Mutter Erde. Dabei gibt es auch dort politische Querelen und pragmatische Lösungen, Aufbruch und Trägheit, engagierte Bürger und Schlitzohren – ganz normale Menschen wie bei uns.
Elektroboot mit Stromtankstelle
Wartungsplattform für Flussturbine Photo © Empuleg Esp Leguizamo |
Erfreulich ist, dass trotz aller Hindernisse die Klimapartnerschaft erste konkrete Ergebnisse zeigt. Als umweltfreundliche Transportmöglichkeit wurden ein Elektroboot (von der Gautinger Firma Torqueedo) und eine dazugehörige Stromtankstelle installiert. Dafür lieferte die Firma Smart Hydro Power ein Komplettpaket aus 5kW Flußturbine, Photovoltaik und Batteriespeicher. Inklusive Transport, Zoll und Aufbau kostete das Projekt rund € 60.000, die vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit finanziert werden.
Auf Schondorfer Seite ist Gemeinderätin Stefanie Windhausen-Grellmann sehr für das Projekt engagiert, und war dafür bereits mehrfach in Kolumbien. Wer mehr über die Klimapartnerschaft wissen möchte, findet schöne Beschreibungen und Photos in ihrem Blog Sprechperlen und in einem Beitrag in der Gemeindezeitung „Einhorn„.
Teurer Technologietransfer
Was mir persönlich an diesem und ähnlichen Projekten nicht so gefällt, ist die Verteilung der finanziellen Mittel. Der Großteil des Budgets ging bislang an die Technologielieferanten in Deutschland, an Spediteure und Fluggesellschaften, die ein gutes Dutzend Tickets München – Bogota und retour verkaufen konnten. Eigentlich ist das mehr heimische Wirtschaftsförderung als Entwicklungshilfe.
Oder sehe ich das zu eng?