Mit Schondorf am Ammersee verbindet man allgemein erfreuliche Dinge. Man denkt an Wassersport und Wanderwege, zünftige Wirtshäuser und elegante Villen, alte Kirchen und moderne Kunst (Erhöhlung). Der dunkle Fleck in der Geschichte ist der Fall Ursula Herrmann. Dem widmet sich eine siebenteilige Reihe von Podcasts des BR: https://www.br.de/mediathek/podcast/entfuehrt-der-fall-ursula-herrmann/846
Der Fall Ursula Herrmann
Der Fall Ursula Herrmann ist einer der spektakulärsten Kriminalfälle der Bundesrepublik. 1981 wird das damals zehnjährige Mädchen auf dem Schulweg zwischen Eching und Schondorf entführt. Der oder die Täter sperren sie in eine im Wald vergrabene Kiste. Ursula Herrmann erstickt in dem Versteck bevor es zu einer Lösegeldzahlung kommt.
Erst 27 Jahre später nimmt die Polizei einen Tatverdächtigen fest. 2009 wird er in einem Indizienprozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Inhaftierte beteuert bis heute seine Unschuld. An die glaubt auch Michael Herrmann, der Bruder des Opfers. Er geht davon aus, dass bei den Ermittlungen Spuren vernachlässigt wurden, die in das Internat Landheim Schondorf geführt hätten.
Michael Herrmann versucht, unter anderem durch einen Zivilprozess gegen den Verurteilten, eine Wiederaufnahme des Falles zu erreichen. Das wird aber 2019 von der Staatsanwaltschaft Augsburg endgültig abgelehnt. Noch verwirrender wird der Fall Ursula Herrmann durch ein Bekennerschreiben, das ein Unbekannter 2020 an die Staatsanwaltschaft und die Presse schickt.
Eine emotionale Geschichte
Mehr an Emotionen lässt sich kaum in einen einzigen Fall packen. Da ist die Angst aller Eltern, dem eigenen Kind könnte etwas zustoßen. Da sind die Urängste vor dem finsteren Wald und vor dem lebendig begraben sein. Und da ist der Verdacht, dass ein Unschuldiger im Gefängnis sitzt, während die Schuldigen vor polizeilichen Ermittlungen geschützt wurden.
Eine solche Geschichte verführt gerne zu reißerischer Aufmachung und gewagten Spekulationen. Genau das vermeidet aber Katja Paysen-Petersen in ihrem Podcast für den Bayerischen Rundfunk. In sieben Episoden von jeweils knapp einer halben Stunde geht sie dem Fall nach.
Ein Jahr Recherche
Über ein Jahr lang hat die Journalistin, die selbst am Ammersee aufgewachsen ist, den Fall recherchiert. Sie hat Polizeiakten, Vernehmungsprotokolle und Gutachten studiert, und mit vielen der Beteiligten persönlich gesprochen. Mir gefällt, dass der Podcast Entführt – Der Fall Ursula Herrmann nicht sensationslüstern und dramatisierend aufgemacht ist. Paysen-Petersen hält sich an die Fakten, hört den Interviewten geduldig zu, und lässt Widersprüche auch einmal stehen, ohne sich zur Richterin aufzuspielen.
Die Sendung nimmt auch nie in Anspruch, das Geheimnis rund um dieses Verbrechen aufzuklären oder völlig überraschende neue Spuren ans Tageslicht zu bringen. Der Fall bleibt schrecklich und rätselhaft. Es ist die Suche nach einer Wahrheit, die viele Gesichter hat: https://www.br.de/mediathek/podcast/entfuehrt-der-fall-ursula-herrmann/846
Tief in der Erde
So spannend alleine die Fakten schon sind, verführen sie doch zum Weiterspinnen der Geschichte. Wie könnte es gewesen sein? Das macht der Kriminalroman Tief in der Erde von Christa von Bermuth.
Die Autorin war selbst Schülerin am Landheim Schondorf. Von daher kennt sie die Einrichtung sehr genau, und kann sie in vielen lebendigen Details beschreiben. Der Roman mischt die wahren Begebenheiten mit einem guten Schuss Phantasie, um eine eigenständige Version der Geschichte zu entwickeln. Und wie bei jedem ordentlichen Krimi wird der Fall am Ende geklärt.
Tief in der Erde gibt es bei Timbooktu in Schondorf, auch online zu bestellen unter https://timbooktu-ammersee.de/shop/item/9783442315734/tief-in-der-erde-von-christa-von-bernuth-paperback