Grenzen Küssen nennt sich eine gemeinsame Arbeit der Künstlerinnen Hannah Doepke und Felina Beckenbauer. Es sind vier Skulpturen im Stil katholischer Bildstöcke, die in Dießen, Utting, Schondorf und Windach aufgestellt sind. Wie der Titel schon ahnen lässt, geht es in den Skulpturen um das Küssen. Der Kuss ist immer ein Zeichen der menschlichen Nähe. Verliebte Paare küssen sich, Eltern und Kinder, und auch gute Freunde begrüßen sich oft mit einem Bussi. Die vier Bildsäulen thematisieren das Küssen über die gewohnten Grenzen hinaus.
Innige Verbindungen
Das Projekt entstand im Rahmen des Landsberger Kultursommers für das Happening der Bildenden Kunst. Diese Reihe will Kunst aus den Museen und Galerien hinaus in die Öffentlichkeit bringen. Genau das tun die Bildstöcke von Doepke und Beckenbauer. Beide stammen vom Ammersee, auch wenn es sie inzwischen in die Welt hinaus gezogen hat. Sie studieren Kunst in Dresden, bzw. Wien. Der Heimat sind sie aber trotzdem – oder gerade durch die Entfernung – innig verbunden.
Um innige Verbindung geht es auch bei Grenzen Küssen. Die vier Skulpturen zeigen küssende, umschlungene Paare. Zu sehen sind sie im Schlosspark Windach, im Uttinger Summerpark, und in der Dießener Mühlstraße (die offizielle Adresse ist Marktplatz 4). In Schondorf hätten die Künstlerinnen gerne eine Bildsäule in die Seeanlage gestellt. Das lehnte der Gemeinderat aber mehrheitlich ab. Dargestellt sind nämlich zwei küssende Männer. Diese Interpretation von Grenzen Küssen sei wohl „Zu provokant für Schondorf?“, wie der Kreisbote schreibt: https://www.kreisbote.de/lokales/landsberg/zu-provokant-fuer-schondorf-91213211.html
Zu provokant für Schondorf?
Mich hat das ehrlich gesagt etwas überrascht. Ich hätte eigentlich gedacht, Schondorf – und auch der Gemeinderat – seien woke genug, um mit so einer Darstellung entspannt umzugehen. Vielleicht liegt der Ablehnung auch ein Missverständnis zugrunde. Doepke und Beckenbauer wollen sich mit ihren Bildstöcken nämlich keineswegs über den christlichen Glauben lustig machen.
Wie uns die Heimat prägt
In ihren Arbeiten spüren sie der Frage nach, wie sie ihre Kindheit im katholischen Oberbayern geprägt hat. Die Bildsprache der Kirche ist bei uns schließlich allgegenwärtig. Selbst wer nicht religiös ist, stößt an allen Ecken und Enden auf christliche Symbole. Das reicht vom Kreuz im Klassenzimmer über die landschaftsprägenden Kirchtürme bis eben zu den Marterln am Wegrand.
Wie wir diese Vorstellungswelt erleben und wie sie unsere Gemeinschaft prägt, darum ging es bereits in Hannah Doepkes Projekt Bild gegen Bild im Uttinger raumB1 (https://raumb1.de/bild-gegen-bild-gegen-gedanken-von-hannah-doepke/). Alle, die Lust dazu hatten, konnten mit der Künstlerin darüber sprechen, wie wir Gemeinschaft in unserer Region erleben. Selbstverständlich war dabei auch der Katholizismus ein Thema, wie er unser Denken über Liebe und Sexualität beeinflusst. Es geht bei Grenzen Küssen also nicht um Spott und Blasphemie, sondern um ein Weiterdenken der christlichen Werte von Nächstenliebe und Gemeinschaft.
Küssende Männer in der Bahnhofstraße
Ich finde, das hätte sehr gut in die Schondorfer Seeanlage gepasst, vielleicht in der Nähe der viel beachteten Liegenden (Wenn das Wünschen hilft). Einen prominenten Standplatz im Ort haben die beiden küssenden Männer schließlich doch noch gefunden. Die Bildsäule steht jetzt gut sichtbar hinter einem Gartenzaun unmittelbar an der Bahnhofstraße, neben der Buchhandlung Timbooktu.