Bei der Gewerbesteuer bestimmt der sogenannte Hebesatz, wie viel die Unternehmen am Ende abführen müssen. Schondorf hat diesen Hebesatz jetzt von 300 auf 270 gesenkt. Damit gehören wir nun zu den günstigsten Gemeinden bei der Gewerbesteuer am Ammersee.
Der Hebesatz
Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden in Deutschland. Sie richtet sich nach dem Ertrag eines Unternehmens und beträgt 3,5 %. Allerdings können Gemeinden diesen Wert durch den sogenannten Hebesatz erhöhen. Er gibt in Prozent den Faktor an, mit dem der Steuersatz multipliziert wird.
Seit 2004 muss dieser Hebesatz bei 200 oder mehr liegen. Die Gemeinden versteuern den Ertrag der Unternehmen in ihrem Ort also faktisch mit mindestens 7 %. Mir ist schleierhaft, warum nicht einfach der Steuersatz erhöht wurde. Die jetzige Regelung ist etwa so, als wäre auf Landstraßen ein Tempolimit von 50 km/h, und gleichzeitig eine Festlegung, dass diese Geschwindigkeit um das Doppelte überschritten werden darf.
Gewerbesteuer am Ammersee
Generell lassen sich die großen Städte ihren attraktiven Standort von den Unternehmen gut bezahlen. Kleinere Gemeinden auf dem Land locken dafür mit niedrigeren Steuersätzen. Beispielsweise hat München einen Hebesatz von 490. Die Gewerbesteuer am Ammersee dagegen liegt zwischen 270 (Eching) und 380 (Dießen).
In Schondorf hat der Gemeinderat jetzt beschlossen, den Hebesatz von 300 auf 270 zu senken. Die Betriebe im Ort sparen damit zukünftig 10 % Gewerbesteuer, was sie sicher freuen wird. Der Bund der Selbstständigen hat sehr erfreut auf die Nachricht reagiert: „Gerade in Zeiten, in denen viele Betriebe noch unter den Nachwehen von Corona leiden und versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, ist das eine wichtige Hilfe.“ (https://bds-ammersee.com/der-bds-begruesst-die-staerkung-der-wirtschaft-vor-ort/)
Nun hat die Gemeinde diese Steuersenkung natürlich nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit beschlossen. Die Hoffnung ist, dass ein niedrigerer Steuersatz in Zukunft mehr Firmen zu uns an den Ammersee lockt.
Hoffnung auf stilles Gewerbe
Eine niedrige Gewerbesteuer ist vor allem für das sogenannte stille Gewerbe interessant. Beim produzierenden Gewerbe sind andere Faktoren bei der Standortwahl wichtiger. Da schaut man auf billigen Baugrund für die Fertigungshallen, preisgünstige Energieversorgung und gute Verbindungen auf Straße und Schiene für den Güterverkehr.
Bei Finanzdienstleistern, Werbeagenturen oder IT-Firmen sieht das anders aus. Die brauchen keine Fabrikhallen und keine Eisenbahnwaggons, dafür spielt die Steuerbelastung relativ eine größere Rolle. Außerdem brauchen sie ein attraktives Umfeld mit hoher Lebensqualität, um Spitzenkräfte anheuern zu können.
Für die Gemeinden ist gerade dieses stille Gewerbe besonders interessant. Wie der Name schon sagt, macht es weder Lärm noch Gestank, sondern erzielt seine Wertschöpfung an ruhigen Büroarbeitsplätzen. Darüber hinaus bringen überdurchschnittlich bezahlte Angestellte Schwung in die örtliche Wirtschaft. Darum wollte zum Beispiel Inning mit dem Ponyhof der Pioniere genau diese junge Kreativszene anlocken. Allerdings liegt dort das Projekt nach der Insolvenz des Immobilienentwicklers erst einmal auf Eis.
Ein mutiger Schritt
Üblicherweise will die Politik die Finanzen durch mehr Belastungen aufbessern. Die Bundesregierung gibt da den Takt vor. Um an mehr Geld zu kommen werden Steuern erhöht (Gastronomie), Subventionen gestrichen (Agrardiesel) oder Schulden gemacht (Sondervermögen).
Schondorf geht her einen anderen Weg und hat mit der Senkung des Hebesatzes einen mutigen Schritt gemacht. Wir haben jetzt eine der niedrigsten Gewerbesteuern am Ammersee und hoffen, dass das neue Firmen in den Ort holt. Mir gefällt dieser Mut.
Erst einmal muss die Gemeinde aber auf Steuereinnahmen verzichten, denn auch die bereits ansässigen Unternehmen zahlen jetzt 10 % weniger. Ein Erfolg wird es erst, wenn neue Ansiedlungen diese Minderung ausgleichen. Selbst wenn die Gewerbesteuereinnahmen unterm Strich gleich bleiben, entstehen durch neue Gewerbeansiedlungen zusätzliche Arbeitsplätze, was unserem Ort guttut. Ob die Rechnung aufgeht, werden wir in einigen Jahren sehen.