Bayern und Nigeria

Auf der Kunstausstellung Documenta 14 in Kassel habe ich eine interessante Entdeckung gemacht. Der nigerianische Künstler Emeka Ogboh fragte in Deutschland lebende Landsleute, was sie denn aus der Heimat vermissen. Die Antwort könnte gerade so gut von im Ausland lebenden Bayern kommen: “A gscheit’s Bier.”

Bier Sufferhead von Emeka Ogboh
Das Bier Sufferhead

Sufferhead – Leidender Kopf

Der nach den puristischen Gesetzen des Reinheitsgebotes hergestellte Saft schmeckt den Nigerianern etwas zu dünn. Für die Documenta hat Ogboh deshalb extra ein Bier gebraut, das – im Rahmen der Möglichkeiten der deutschen Lebensmittelverordnung – dem Geschmack der Westafrikaner näher kommt.  
Sufferhead ist ein kräftig malziges Stout, angereichert mit ein paar Chiliflocken. Schmeckt gar nicht schlecht, aber nach ein paar Gläsern weiß man vermutlich, woher der Name „Leidender Kopf” kommt. Der Katalog zur Documenta streitet das ab und behauptet, Sufferhead beziehe sich auf eine Platte des Afrobeat-Stars Fela Kuti.
Ich trinke aber trotzdem lieber ein gepflegtes Helles und hebe mein Glas auf die völkerverbindende Kraft des Bieres.

Documenta 14 in fünf Bildern

Was es sonst noch auf der Documenta 14 zu sehen gibt, ist ja schon in unzähligen Zeitungsberichten und Fernsehbeiträgen gezeigt worden. Von mir deshalb nur ein Kurzrundgang in fünf Bildern.

Aufrufe an die Bürger

Dmitri Aleksanych Prigow auf der Documenta

Für seine „Aufrufe an die Bürger“ wurde Dmitri Aleksanych Prigow in der Sowjetunion in eine psychiatrische Anstalt eingesperrt. Für die heurige Documenta hat er sich neue Aufrufe einfallen lassen. Manchmal sind diese gefährlich nahe an den kitschigen Lebensweisheiten, die auf Facebook so populär sind. Die meisten aber sind mehr Herausforderung als billiger Trost, und alleine schon das einleitende „Bürger!“ gibt ihnen ein wohltuendes Augenzwinkern.

Eirene

Bemalte Eirene Statue in der Kasseler Karlsaue

Kunst oder Vandalismus? Vermutlich ist das kein Original Documenta Kunstwerk, zumindest war kein Schild dran. Nur mit einem Topf Farbe wurde aus der klassizistischen Statue in der Karlsaue ein Kommentar zum Konflikt zwischen Erster und Dritter Welt. Die Friedensgöttin Eirene soll auch einen schwarzen Plutos nähren, der Gaben und Wohlstand bringt.

Kunst im Tunnel

Kulturbahnhof auf der Documenta 14

Die Macher der Documenta freuen sich sichtlich daran, auch ein paar großstädtisch-abgefuckte Ausstellungsorte zu haben. Hier der aufgelassene Bahnsteig unter dem Kasseler Hauptbahnhof. Wer Lust hat, kann sich dort eine 14-Kanal Videoinstallation von Michel Auder ansehen. Spannender fand ich den Ausgang entlang der rostigen Geleise, hinaus ins Licht. 

Verhüllung einmal anders

Ibrahim Mahama auf der Documenta 14

Erstaunlich, dass sich nach Christo noch ein Künstler traut, Gebäude zu verhüllen. Die Installation von Ibrahim Mahama aus Ghana ist aber eher eine Ent- als Verhüllung. Die zusammengenähten Jutesäcke auf der Kasseler Torwache erzählen eine Geschichte des globalen Handels, wie der Besitz der einen aus der Enteignung der anderen entsteht. 

Shakespeare remixed

Roee Rosen auf der Documenta 14

In der Kasseler Grimmwelt hat der israelische Künstler Roee Rosen Shakespeare’s „Kaufmann von Venedig“ bearbeitet. Dem Original ist ein Prolog und ein paraller Text aus der Perspektive des Juden Shylock hinzugefügt. Die Blätter sind mit manchmal ergänzenden, manchmal widersprüchlichen Zeichnungen illustriert. Ich fand diese Auseinandersetzung mit der identitätsstiftenden und -vergiftenden Macht der Erzählung beklemmend und faszinierend. 

1 Gedanke zu „Bayern und Nigeria“

  1. Ein aufmerksamer Leser hat mich gefragt, ob die angesprochene Platte von Fela Kuti nicht eigentlich "Original Sufferhead ITT" heißt.
    Bei der europäischen Erstveröffentlichung von Sufferhead 1981 war die A-Seite der Platte das Stück "Power Show". Bei der CD von 1990 wurde dann zu "Original Sufferhead" noch der Titel I.T.T. (International Thief Thief) dazugepackt. Meiner Meinung nach eine gute Kombination, weil Sufferhead und ITT beides sehr starke, politische Songs von Fela sind.

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