Lob des Gartenzauns

Ich finde, der gute alte Gartenzaun wird architektonisch etwas unterschätzt. Generell ist es bei uns ja üblich, den Grund rund um sein Haus abzugrenzen. Dafür gibt es verschiedene Arten, und ich finde den Zaun viel freundlicher als Hecken, Mauern oder Gabionen.

Gartenzaun in Schondorf am Ammersee

Mit einem Gartenzaun wird der eigene Grund zwar markiert, aber nicht verbarrikadiert. Man bleibt für die Vorübergehenden sichtbar und sieht auch, wer da gerade vorbeispaziert. Das lädt zum Austausch ein, zu einem freundlichen „Hallo!“ und „Wie geht’s?“, vielleicht auch zu einem kleinen Plausch. So ein Zaun hat gleichzeitig etwas Trennendes und Verbindendes.

Rückgrat der Gemeinschaft

Zaun in Namibia
Photo © Mieke Droomer

Es gibt da ein Projekt in Namibia, den Community Spine, übersetzt also so etwas wie die Wirbelsäule oder das Rückgrat der Gemeinschaft. Mieke Droomer and Andre Christensen haben einen Zaun gebaut, der sich in verschiedenen Höhen quer durch den Ort Dordabis schlängelt. Er setzt Grenzen und öffnet Durchgänge, funktioniert als Nische, Schattenspender, Treffpunkt, Tribüne oder als Marktstand (Was ich selber auch schon ausprobiert habe: Bücher verschenken). Ein Zaun, der die Kommunikation im Ort fördert. https://doodlingdroomer.wordpress.com/2014/05/28/dordabis-community-spine-_-activitiating-a-collective-threshold/

Der Gartenzaun als Kommunikationsmittel

Ein Kommunikationsmittel ist der Gartenzaun auch deshalb, weil er etwas über die Bewohner eines Hauses kommuniziert. Ich glaube, wie ein Haus eingezäunt ist, sagt etwas über die Leute, die dort leben. Der Zaun steht für Offenheit und Gemeinschaft. Hecken kann ich auch akzeptieren. Für manche Bereiche möchte man etwas Privatsphäre und Sichtschutz, da ist so eine grüne Einfassung schon in Ordnung.

Betonmauer statt Gartenzaun

Schwer ins Grübeln komme ich, wenn ein Haus von hohen Mauern umstellt ist. Was soll uns das sagen? Heißt das, dass man von der Welt und den Menschen um einen herum nichts wissen möchte, und in Ruhe gelassen werden will? Heißt das, dass man in ständiger Angst vor diffusen Bedrohungen lebt?

Ich möchte jedenfalls nicht in einem Haus hinter hohen Mauern leben. Da lobe ich mir unseren Gartenzaun, über den hinweg ich Leute sehen, begrüßen und mit ihnen reden kann.

5 Gedanken zu „Lob des Gartenzauns“

  1. Eine eindringliche Nachdrehe zu diesem Thema heute aktuell vom Bayerischen Rundfunk (BR24):

    Tiere leiden unter Sichtschutz im Garten
    Zu viele Autos, zu kleine Gärten, zu nahe Nachbarn: Für mehr Privatsphäre setzen Gartenbesitzer oft auf hohe Sichtschutzwände oder Hecken um ihren Grund. Doch dieser Trend hat Folgen.

    https://www.br.de/nachrichten/bayern/sichtschutz-im-garten-waende-und-hecken-als-problem,SXsLin3?utm_name=Newsletter&utm_source=BR24-Newsletter&utm_medium=Link-Mail&utm_term=oz&utm_motiv=oz&utm_time=2021-05-20T15:00:00

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  2. Dabei habe ich spontan ein bestimmtes Gebäude an der Seestraße vor Augen. Für mich: das Signal „kein Interesse an Kommunikation.“ Aber wer weiß schon, ob das Signal zur Botschaft passt. Vielleicht ist es nur die Angst vor Einbrechern.

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  3. Bei solchen Häusern wie dem zuletzt gezeigten sind auch keine Bienen, Insekten und Vögel willkommen. Denn meist ist bei Bauwerken dieser Art auch der Vorgarten betoniert oder mit Steinen zugeschüttet – statt mit bienen-insekten-freundlichen Blumen bestückt. Alles in allem ich kommt hier klar die Botschaft rüber: „Bleib bloß weg!“

    Ich habe zwar keinen Gartenzaun, denn ich lebe im Dachgeschoss, aber in meinen zahlreichen Töpfen strecken gerade die Keimlinge der Wiesenblumen, die ich gesät habe, ihre Spitzen durch das Erdreich. Ich freue mich schon auf die Zeit, wo Hummeln und Schmetterlinge (Taubenschwänzchen) ihre Rüssel in die Blüten von Königskerzen, Lichtnelken und Sonnenbraut stecken und die Bienchen mit ihren prall gefüllten Pollensäckchen davonsummen.

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