Mona Lisa in Schondorf

In den letzten Wochen haben sich vermutlich einige verwundert die Augen gerieben, wenn sie nachts in der Bahnhofstraße am studioRose (https://studiorose.de/) vorbeigekommen sind. Was da im beleuchteten Fenster zu sehen ist, sieht auf den ersten Blick aus wie die Mona Lisa von Leonardo da Vinci. Hat das studioRose etwa einen Leihvertrag mit dem Pariser Louvre abgeschlossen? Nein, das Bild MONA autoLesIoniStA ist eine Arbeit des Echinger Künstlers Oliver Grüner, und wurde als Teil des Schondorfer Adventskalenders (Zwei Adventskalender am Ammersee) ins Fenster gestellt.

Die "Mona Autolesionista" im studioRosem Schondorf am Ammersee
Die Mona Autolesionista im Schaufenster des studioRose

La Gioconda mit Rasierklinge in der Hand

Wenn man genauer hinschaut, entdeckt man dann auch einige Unterschiede zum Original. Erstens ist die Schondorfer Mona Lisa mit 100 x 70 cm rund doppelt so groß wie das Bild im Louvre. Zweitens ist im Hintergrund offensichtlich nicht die Toskana, sondern der Ammersee zu sehen.

Und dann ist da noch ein verstörendes Detail: Die Figur hält eine Rasierklinge in der linken Hand. Was sie damit macht, deutet der Bildtitel MONA autoLesIoniStA bereits an.

MONA autoLesIoniStA

Autolesionista musste ich erst einmal nachschlagen. Es ist eine Frau, die unter Autolesionismo leidet, die sich also bewusst selbst Verletzungen zufügt. Die Mediziner sprechen von NSSV, nichtsuizidalem selbstverletzendem Verhalten. Laut Wikipedia sind davon in Deutschland rund 5,6 Millionen Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren betroffen. Als Auslöser sieht die Wissenschaft emotionale Erlebnisse in der Pubertät, wie Liebeskummer, Auflehnung gegen die Eltern, oder Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper.

Gemälde Mona Autolesionista: Mona Lisa mit einer Rasierklinge in der Hand
Was hat Mona Lisa mit der Rasierklinge vor?

Das ist schon ein kräftiger Kontrast zum Original, das bekanntlich La Gioconda, die Heitere betitelt ist. Oliver Grüner hat seinem Bild keine Anleitung zur Interpretation mitgegeben. Man kann sich also selber seinen Reim darauf machen. Vielleicht, dass der schöne Schein manchmal trügt, dass unter der perfekten Oberfläche sehr unschöne Sachen verborgen sein können.

Vielleicht ist das Bild auch eine Erinnerung daran, dass man psychische Erkrankungen nicht immer leicht erkennen kann. Manchmal wirken Menschen nach außen hin so selbstsicher und souverän, dass man sich gar nicht vorstellen kann, unter welchen seelischen Problemen sie leiden. So wenig wie man sich vorstellen kann, dass die strahlend schöne Mona Lisa hässliche Narben unter ihren Kleidern versteckt. Man kann die MONA autoLesIoniStA also auch als Aufforderung verstehen, bei unseren Mitmenschen einfühlsamer hinzuschauen.

Das sind aber nur meine Assoziationen zu dem Bild. Wer sich einen eigenen Eindruck von der MONA autoLesIoniStA verschaffen möchte, hat dazu noch bis 10. Januar Zeit. Dann verlässt sie das studioRose wieder.

Das Leben imitiert die Kunst

Bandagierte Hand von Oliver Grner, dem Schöpfer der "Mona Autolesionista"
Bandagierte Hand von Oliver Grüner: Kein Fall von Autolesionismo

Ironie am Rande: Als ich Oliver Grüner zuletzt getroffen habe, hatte er einen dicken Verband an der linken Hand. Er versicherte mir aber, dass es kein Fall von NSSV war, sondern ein schlichter Arbeitsunfall.

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