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Die fetten Jahre sind vorbei

Schondorfer Bürgerversammlung 2023 im Strandcafe Forster am Ammersee

Bürgerversammlung im Strandcafe Forster

Es geht uns gut, aber die Zukunft ist ungewiss. So könnte man in etwa die Bilanz der Schondorfer Bürgerversammlung am 11. Mai zusammenfassen. Das Strandcafé Forster war bei der Veranstaltung erstaunlich spärlich gefüllt. Wo man früher um einen freien Platz kämpfen musste, war diesmal rund ein Drittel der Stühle frei. Vielleicht sind die Schondorfer nach drei Jahren pandemiebedingter Pause etwas Versammlungs-entwöhnt; vielleicht lag es auch an der starken Konkurrenz durch Thomas Huber, der am selben Abend im Landheim sein neues Buch vorstellte (Mit Timbooktu hoch hinauf).

Schondorfer Bürgerversammlung 2023

Da es drei Jahre lang keine Schondorfer Bürgerversammlung gegeben hatte, hatte Bürgermeister Alexander Herrmann jede Menge Zahlen zur Haushaltslage zu präsentieren. Dazu gab es für die Besucher noch dicke Berichte mit mehreren Dutzend Seiten voller statistischer Informationen. Das muss ich mir erst noch anschauen. Wahrscheinlich habe ich damit auf Wochen hinaus schnellwirkende Einschlaflektüre.

Rückblick auf die Haushaltsentwicklung der letzten Jahre

Kurz zusammengefasst, ist Schondorf erstaunlich gut durch die Pandemie gekommen. Die Gewerbesteuereinnahmen blieben auf erfreulich hohem Niveau. Das Geld können wir auch gut brauchen, denn durch die mittlerweile erhöhte Kreisumlage und die größere Anzahl an Gemeindebediensteten haben wir auch höhere Ausgaben.

Die Verschuldung wurde reduziert, und liegt aktuell bei € 503 pro Einwohner. Zum Vergleich: laut Statistischem Bundesamt lag die Verschuldung der deutschen Gemeinden Ende letzten Jahres bei € 3.895 pro Kopf. Wir stehen also recht gut da, und hatten früher schon deutlich mehr Schulden (Spitzenstellung von Schondorf).

Zukunftsaufgaben

Ob das auch in Zukunft so bleibt, ist fraglich. Die rapide gestiegene Inflation, deutlich höhere Energiepreise und notwendige Investitionen durch das Gebäudeenergiegesetz machen nicht nur Privathaushalten zu schaffen, sondern auch der Gemeinde. Die fetten Jahre sind wohl erst mal vorbei.

Zusätzlich stehen nämlich einige teure Großprojekte an. Kindergarten und Hort werden dem Bedarf nicht mehr gerecht, und brauchen einen Neubau. Ich will hier nicht den Schlaumeier spielen, aber diesen Bedarf hätte man schon vorhersehen können. Das Prixgelände ist das größte Wohnbauprojekt in der Geschichte Schondorfs. Hier war von Anfang an der Anspruch, dass sozialgerechter Wohnraum auch für junge Familien entstehen soll. Außerdem ist seit Jahren bekannt, dass es ab 2026 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter geben wird.

Der Container-Kindergarten am Prixgelände

Da hätte man schon parallel zum Wohnungsbau mit der Planung für einen größeren Kindergarten und Hort beginnen können. Diese Planungen sind aber jetzt erst gestartet. Deshalb muss als Zwischenlösung ein gemieteter Containerbau aufgestellt werden, was natürlich zusätzliches Geld kostet.

Ebenfalls unausweichlich ist eine Sanierung der Sozialwohnungen der Gemeinde, was sicher nicht billig wird. Dasselbe gilt auch für viele Straßen im Ort. Alleine für Straßenarbeiten wird über die nächsten Jahre ein achtstelliger Betrag aufzubringen sein (https://www.augsburger-allgemeine.de/ammersee/ammersee-schondorf-braucht-ueber-zehn-millionen-euro-fuer-strassensanierungen-id64632846.html). Klarerweise kann diese Straßensanierung nur Zug um Zug erfolgen. Den Anfang will man bei der Greifenbergerstraße und bei den Gehsteigen der Bahnhofstraße machen.

Ratsbegehren zur Ufermauer?

Es steht für die nächsten Jahre also eine ganze Reihe teurer Investitionen an. Da hat es einige Besucher der Schondorfer Bürgerversammlung doch gewundert, dass ausgerechnet in dieser Lage eine grundlegende Neugestaltung des Uferbereichs am Ammersee geplant wird, für den die Gemeinde einen Gestaltungswettbewerb zur Seeanlage ausgeschrieben hat.

Bleibt die historische Ufermauer in Schondorf erhalten?

Das Thema bewegt auch deshalb die Gemüter, weil der Siegerentwurf dieses Wettbewerbs die historische Art-Deco-Ufermauer in der Seeanlage abreißen, und durch eine Neukonstruktion ersetzen will. Bürgermeister Herrmann betonte dazu, dass es sich um einen Ideenwettbewerb gehandelt habe, und man die genaue Umsetzung erst noch mit den Architekten diskutieren müsse. An dieser Stelle erwähnte er auch die Möglichkeit eines Ratsbegehrens, also eines von der Gemeinde organisierten Bürgerentscheids.

Leserin Katharina Glatt hat mir dazu ein Gedicht geschickt, in dem die Ufermauer selbst das Wort ergreift:

Jetzt möchte ich selbst mal das Wort erheben
da niemand weiß, wie ich es versteh‘
dies aktuelle Umgestaltungs-Bestreben
ich steh’ seit über hundert Jahren ganz nahe am See
bin Sitzbank, Balancierweg, Kletterwand zugleich
Schutz für das Ufer und an Erinnerungen reich
ein Schatz, ein Geschenk für den ganzen Ort
gibt es mich nicht mehr, ist was Einmaliges fort
‚Die Schiefe Mauer‘ ich bin einfach Kult
drum stehe ich hier am Rednerpult
da niemand mich und mein Alter ehrt
tu’ ich es selbst, ich bin es mir wert

Katharina Glatt

Ehre, wem Ehre gebührt

Zum Schluss der Schondorfer Bürgerversammlung erhielten zwei verdiente Mitbürger die Ehrennadel der Gemeinde. Zum einen ging diese Auszeichnung an Kurt Bergmeier, Architekt, Maler und langjähriges Gemeinderatsmitglied. Er spielt eine besondere Rolle in unserer Partnerschaft mit der Stadt Boves (Erinnerung an die Märtyrer von Boves). Das Massaker in dem italienischen Ort fand nämlich haargenau an seinem Geburtstag am 19. September 1943 statt. Dadurch gilt er in Boves geradezu als Symbol und Personifizierung der Versöhnung und der gemeinsamen Zukunft.

Bürgermeister Herrmann zwischen den beiden Ehrennadelträgern Thomas Betz (links) und Kurt Bergmeier.

Die zweite Ehrennadel erhielt Thomas Betz, der nun schon seit 27 Jahren im Gemeinderat aktiv ist. Wer einmal eine Sitzung dieses Gremiums besucht hat, hat ihn mit Sicherheit als meinungsstarken Volksvertreter erlebt, der nicht um deutliche Worte verlegen ist. Ein Mann mit Ecken und Kanten, wie er im glatten Politikbetrieb immer seltener wird.

Ich kann mich kaum an ein Thema erinnern, bei dem ich jemals einer Meinung mit ihm gewesen wäre. Trotzdem muss ich zugeben, dass er seine Positionen fundiert und mit Leidenschaft vertritt. Ich freue mich, dass das langjährige Engagement von Betz und Bergmeier mit der Schondorfer Ehrennadel honoriert wird.

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