Die Autorin Renate Greil hat ihren ersten historischen Roman veröffentlicht. Er heißt Die Kranichfrauen und spielt am Ammersee. Nach langer Zeit also endlich wieder die Gelegenheit, über einen Ammersee-Roman zu schreiben. Zuletzt hatte ich dieses Vergnügen bei Susannee Lückes Eines schönen Tages.
Laut der Kurzbeschreibung des Verlags geht es in dem Buch um die gutsituierte Paula und die aus ärmlichen Verhältnissen stammende Anna, die beide seit ihrer frühen Kindheit segeln und die beide für den gutaussehenden Adligen
Wolf von Brinkenstein schwärmen. Das klingt auf den ersten Blick nach einer Hanni und Nanni Geschichte, doch Die Kranichfrauen geht viel tiefer.
Freiheit und Befreiung
Ja, es gibt die obligatorische Liebesgeschichte mit Irrungen und Wirrungen, welche die Handlung vorantreibt. Es geht aber vor allem um den Ammersee und das Segeln. Segeln, das für die beiden Protagonistinnen ein Weg zu Freiheit und Selbstbestimmung ist.
Die Handlung spielt in den Nachkriegsjahren. Paula und Anna sind als Frauen nicht mehr auf die Rolle von Hausfrau und Gebärmaschine reduziert, sie haben die Chance, ihr eigenes Leben zu leben. Das Segeln, das selbstständige Spiel mit Wind und Wellen, durchzieht den ganzen Roman als Symbol dieser Selbstverwirklichung.
Die Chance dazu eröffnen die Amerikaner als die Befreier vom Nationalsozialismus. Das Verhältnis zu diesen Befreiern ist im Buch durchaus ambivalent. Im Roman ist es ein Captain Conrad Bill, der am Ammersee ein German Youth Activity Center errichtet. Aber dieser Captain Bill will sich auch das Segelboot Kranich als Kriegsbeute unter den Nagel reißen, das Schiff von Paula und Anna. Die neue Freiheit gibt es also nicht geschenkt, sie will erobert werden.
Zeitgeschichte am Ammersee
Auch die andere Seite wird in dem Roman thematisiert. Die Unfreiheit kam nicht als Schicksal aus heiterem Himmel. An einer Stelle erinnert sich Anna an den Anblick der ausgemergelten Männer, die zur Zwangsarbeit in das Uttinger Außenlager des KZ Dachau getrieben wurden. „Sie hatte zwar nicht mitgemacht, aber doch Bescheid gewusst.“
Was das Buch außerdem hervorhebt, ist die ungewöhnlich gründliche Recherche. Alleine in das Exposé investierte Renate Greil schon viel Zeit. Nach gut einem Jahr schlug dann der Ullstein Verlag zu und sicherte sich die Rechte.
Anschließend folgte noch einmal umfangreiches Quellenstudium, bevor es mit dem Schreiben losging. Hier hatte die Autorin den Vorteil, dass sie den Ammersee wirklich gut kennt. Als Journalistin schreibt sie unter anderem für den Lokalteil der Süddeutschen Zeitung.
Das merkt man dem Roman an. Der Ammersee ist nicht einfach eine beliebige Kulisse. Viele wenig bekannte historische Details sind in die Handlung eingeflossen, beispielsweise die zeitweiligen Kibbuze für jüdische Displaced Persons in Dießen oder Greifenberg.
Es ist also ein richtiger Ammersee-Roman geworden und auch ein richtiger Segler-Roman. Aber eben auch ein Buch, das anhand einer flüssigen Geschichte viel über die Nachkriegszeit in unserem Land erzählt.
Die Kranichfrauen
480 Seiten, € 13,99
Im Buchhandel oder
online bei Timbooktuu: https://timbooktu-ammersee.de/shop/item/9783548068787/die-kranichfrauen-von-renate-greil-kartoniertes-buch
Aktualisierung 22. Mai: Am Samstag, 8. Juni, um 18:00 Uhr liest Renate Greil im Bürgertreff Utting aus Die Kranichfrauen.