Da bin ich daheim

Üblicherweise sind Gruß- und Vorworte eine recht langweilige Angelegenheit. Meistens liest man nette Plattitüden, mit denen die Beteiligten sich selbst und gegenseitig auf die Schulter klopfen. Dass es auch anders geht, zeigt ein Text von Martin Wölzmüller zu den Kreiskulturtagen 2017.

Blick auf Schondorf am Ammersee

Herkunft und Heimat?

Das Thema der heurigen Kreiskulturtage im Landkreis Landsberg ist „Schnittstelle Heimat“. Martin Wölzmüller ist vom bayrischen Landesverein für Heimatpflege. Er macht sich im Vorwort zu dieser Veranstaltungsreihe Gedanken darüber, was Heimat eigentlich bedeutet.
Der Begriff wird ja oft deckungsgleich mit Herkunft verstanden: Da wo man geboren und aufgewachsen ist, da hat man seine Heimat. Das macht Heimat zu einer unverschuldet erworbenen Eigenschaft, so wie die eigene Haar- oder Hautfarbe.

Die heimatlose Hälfte

Das kann man so sehen, aber diese Einstellung zementiert auf ewig die Unterscheidung zwischen „Hiesigen“ und „Zuagroasten“, zwischen „uns“ und „denen“. Nicht unproblematisch in einer Zeit, in der immer weniger Leute ihr ganzes Leben an einem Ort verbringen.
Am Ammersee z.B. sind geschätzt gut die Hälfte der Menschen nicht hier geboren, sondern zugezogen. Kann dann nur die eine Hälfte der Bevölkerung einen Anspruch auf Heimat hier erheben? Was macht so etwas mit einer Gemeinschaft?

Gestaltung und Verantwortung

Martin Wölzmüller plädiert in seinem Text für eine andere Definition: Heimat als der „überschaubare Raum, in dem wir an der Gestaltung unserer nahen Welt mitwirken„; Heimat als die selbstgemachte Kultur von uns allen, unser Umgang miteinander, unser Einwirken auf die Welt um uns herum. Statt passiv irgendwo beheimatet zu sein, wird daraus bei Wölzmüller ein aktives „heimaten“. 
Dieses aktive Gestalten ist auch an Verantwortung geknüpft. Der Heimatpfleger mahnt an die Verantwortung für überlieferte Kulturzeugnisse, Lebensweisen oder Baukultur. „Wer die Welt in seiner unmittelbaren Umgebung mitgestalten will, der sollte wissen, warum die Dinge so sind, so geworden sind, wie wir sie heute antreffen.
Den Satz sollten sich alle ins Merkbuch schreiben, die gerne vorschnell abreißen, wegmachen und modernisieren wollen. Wer glaubt, sich überlieferter Güter bedenkenlos entledigen zu dürfen, der überschätzt sich selbst und seine Zeit.
Wie gesagt, ich finde das ausgesprochen lesens- und nachdenkenswerte Gedanken. Der vollständige Text von Martin Wölzmüller ist hier: http://kreiskulturtage-landsberg.de/heimat-heute/

4 Gedanken zu „Da bin ich daheim“

  1. Da bin ich jetzt ehrlich verblüfft, Andreas Enz. Erscheine ich mit meinen Beiträgen tatsächlich als Verfechter von Giebeldächlein und putzigen Ecktürmchen? Da sieht man wieder, wie weit Eigen- und Fremdwahrnehmung auseinanderliegen können.
    Ich denke, wir liegen mit unseren Ansichten gar nicht weit auseinander. Auch ich verstehe die nachhaltigen Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft als einen Kernpunkt von Wölzmüller's Definition. Allerdings sehe ich in Schondorf keine ausgeprägte Tendenz, "die Asche einer vermeintlich pauschal schützenswerten Architektur zu bewahren".

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  2. Ich mag den Begriff 'heimaten', da es ein "Tun Wort" ist und sehr Vieles in einem Wort ausdrûckt. Sowohl Neue als auch Alteingesessene können diese Tätigkeit ausführen.

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  3. Interessanter Artikel. Beim genauen lesen fällt auf, dass Herr Wolzmüller von "überlieferten Gütern" spricht – nicht aber von Baukultur und auch nicht die Thematik "abreißen, wegmachen und modernisieren" ins Spiel bringt. Er schreibt Güter sind laut Wirtschaftslexikon materielle oder immaterielle Mittel zur Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen. Damit eben nicht nur Gebäude. Mir ist schon klar, dass man den Text natürlich sehr einfach in die bewährte Schondorfer Art uminterpretieren kann, um wieder einmal subjektiven Unmut über Bauvorhaben in der Gemeinde kund zu tun, die ohne Giebeldächlein und putzigen Ecktürmchen geplant sind. Aber man könnte ihn auch einfach nur richtig verstehen wollen. Den der Artikel möchte eigentlich nur den wunderbaren Begriff von Heimat in einen größeren und zeitgemäßen Kontext stellen. Und der schließt eben doch viel mehr ein, als das ständige Bestreben die Asche einer vermeintlich pauschal schützenswerten Architektur zu bewahren. Er macht deutlich, dass ein Heimatbegriff für jeden individuell eine Bedeutung hat aber dieser heutzutage im Sinne einer nachhaltigen Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft unter Einbezug einer lokalen Vergangenheit zu erfüllen sei. Nicht mehr und auch nicht weniger.

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