Wir Hinterwäldler

Andreas Kloker

Unter dem Titel „Der Lebenskünstler“ hat die Süddeutsche Zeitung ein sehr feinfühliges Portrait des Schondorfer Künstlers Andreas Kloker veröffentlicht. Die Beschreibung, wie seine Kunst in Schondorf aufgenommen wird, finde ich allerdings etwas seltsam.

Tassilo-Preis 2018

Andreas Kloker ist einer der Kandidaten für den Tassilo 2018. Dieser Preis wird von der Süddeutschen Zeitung jährlich vergeben, um den Kulturbetrieb im Münchner Umland zu fördern und Kulturschaffende zu motivieren. Ich mag Andreas Kloker als Mensch und als Künstler, habe schon öfters über seine Arbeiten hier im Blog geschrieben, und drücke ihm für den Tassilo Preis die Daumen. Der Zeitungsartikel erklärt sehr schön Kloker’s Philosophie „das ganze Leben zur Kunst zu machen“.
Ausführlich beschrieben wird auch Kloker’s kleines „Skriptorium“ in der Bahnhofstraße 38, wobei die aufgezählten Vorteile dieses Kunstschaufensters recht merkwürdig klingen: Man könne „demonstrativ nicht hinschauen“, „einen vorsichtigen Blick wagen“ oder spätabends „heimlich alles ganz genau anschauen“. Kloker erfahre manchmal erst Jahre später, dass jemand seine Kunstprojekte im Schaufenster verfolgt habe.

Schondorfer Kulturmuffel?

So erlebe ich das nicht. Ich spaziere dort öfters vorbei und sehe, dass die Leute nicht demonstrativ wegschauen, sondern interessiert und gar nicht heimlich hinschauen. Generell schätzen die Schondorfer „ihren“ Kloker sehr, und sind längst nicht so kunstskeptisch, wie sich das die SZ vorstellt.
Liebe Süddeutsche Zeitung, ihr solltet euch öfter aus eurem vorgeschobenem Beobachtungsposten am Starnberger See heraus wagen, und die wilde Ammerseeregion erkunden. Nein, die Dörfer hier sind nicht von stumpfen Bierdimpfeln bewohnt, die bei Kunst demonstrativ wegschauen oder nur Nachts einen vorsichtigen Blick wagen. Hier tut sich künstlerisch und kulturell einiges. Schondorfer Kreis und Studio Rose veranstalten regelmäßig Lesungen, Filmmatineen, Vorträge und Ausstellungen. Alleine letztes Jahr zeigten 12 zeitgenössische Künstler ihre Arbeiten im Studio Rose. Theater gibt es auch manchmal, im Frühjahr wieder im Gasthof Drexl.

Von Ammerseerenade bis Sammersee

Von Schondorf aus wird das Klassikfestival Ammerseerenade organisiert, dass sich über die Region hinaus einen hervorragenden Ruf erarbeitet hat. Die Konzerte von Künstlern aus ganz Deutschland, aber auch aus Russland oder Taiwan, sind regelmäßig ausverkauft. Das Sammersee ist eines der charmantesten Pop und Rockfestivals überhaupt, fördert junge Talente, und spendet den gesamten Erlös für wohltätige Zwecke. Regelmäßig Musik gibt es auch in der KuBa, wo nicht nur bekannte Bands spielen, sondern beim Open Mic am Donnerstag auch Neulinge erste Bühnenerfahrung sammeln können. Und das ist jetzt nur Schondorf, der Rest des Ammersees ist ähnlich aktiv.
Also SZ, traut euch ruhig öfter hierher, wir sind gar nicht so hinterwäldlerisch, wie ihr meint.

1 Gedanke zu „Wir Hinterwäldler“

  1. Ich finde Sebalds Artikel in der SZ – wie Du ja auch – doch recht zutreffend. Ihre Beschreibung des Schondorfer Publikums ist allerdings in der Tat seltsam; warum sollte man quasi heimlich bei Nacht einen genaueren Blick in das Skriptorium riskieren? Das kann sich doch kaum auf ihre eigenen Beobachtungen stützen.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar