Ich war neulich geschäftlich in Boston. Da ich etwas Zeit hatte, habe ich mir die Stadt ein bisschen angeschaut und dabei etwas entdeckt, was ich bei uns noch nie gesehen habe: Ein Kurzgeschichtenautomat.
Der Short Story Dispenser stand mitten in einem Einkaufszentrum. Es ist eine runde, etwa hüfthohe Säule mit einem aufgesetzten Schild, das die Bedienung erklärt. Diese ist denkbar einfach: Man wählt auf einem von drei Knöpfen die gewünschte Lesezeit von einer, drei oder fünf Minuten. Darauf spuckt der Kasten dann einen kleinen Papierstreifen mit dem Text aus, etwa so wie der Kassenzettel aus einer Registrierkasse. Das musste ich natürlich sofort ausprobieren.
Der Pâtissier und die Tänzerin
Ich erwischte die Geschichte Mr. Fratt einer gewissen Gaelle Chamarande. Es ist eine kleine Kriminalgeschichte, die in Berlin angesiedelt ist. Der dicke Mr. Fratt ist der beste Pâtissier der Stadt. Sehr erheiternd fand ich, dass er in der Rue Köln wohnt. Anscheinend fand die Autorin das eine typisch deutsche Adresse.
Verliebt ist der beleibte Konditor in die schlanke Tangotänzerin Veronica, was aber nicht gut ausgeht. Wer wissen möchte was da passiert, kann die Geschichte hier nachlesen: https://short-edition.com/en/author/gaelle-chamarande
Short Édition Kurzgeschichtenautomat
Betrieben wird das Ganze von dem französischen Verlag Short Édition. Es gibt anscheinend viele Dutzend dieser Short Story Dispenser auf der ganzen Welt, hauptsächlich natürlich in Frankreich. In unserem Landkreis haben wir so etwas leider noch nicht. Es gibt zwar einen Automaten für Kunst (3 Jahre Landsberger Kunstautomat) aber keinen für Literatur.
Vom Ammersee aus ist der nächstgelegene Kurzgeschichtenautomat erst in Zürich, am Bahnhofplatz 15. Einstweilen können wir die Geschichten also nur online lesen, auf der Website von Short Édition (https://short-edition.com/en/). Anders als beim Automaten kann man hier auch das Genre auswählen. Sechs Kategorien stehen zur Wahl, von Thriller bis Kindergeschichten, und von Science Fiction bis Romantik.
Die Texte kann man schnell mal zwischendurch lesen, denn die Lesezeit ist fünf, drei oder sogar nur eine Minute. Wer eine Kurzgeschichte sucht, die noch kürzer als eine Minute ist, wird im Blog von Renate Blaes fündig: https://www.editionblaes.de/die-kuerzeste-kurzgeschichte/
Tolle Idee! Lass uns die mal in Schondorf realisieren!