Techno in Schondorf

In Schondorf erwartet man eigentlich nicht, bei einem Konzert Techno-Klänge zu hören. Schon gar nicht in den gediegenen Räumen der Dr. Thorsten Bosch AG (https://www.bosch-ag.com/). Genau hier präsentierte aber Anfang November im Rahmen von Talente am See das Leo Betzl Trio (http://leobetzltrio.de/) seine Interpretation von Technomusik. Allerdings eine sehr eigenwillige Version, denn statt mit Laptop und Sampler produzieren die drei ihre Beats mit Klavier, Bass und Schlagzeug.

Talente am See

Talente am See (http://www.talenteamsee.de/) ist eine privat organisierte Reihe von Konzerten rund um den Ammersee. Im Prinzip wird hier die alte Tradition von Hauskonzerten fortgeführt. Die Organisatoren sind Musikbegeisterte, die oft zu Festivals und Konzerten fahren. Wenn sie dort etwas besonders Interessantes hören, versuchen sie, diese Talente an den Ammersee zu holen. Der Schwerpunkt liegt auf klassischer Musik, aber man ist auch Jazz und experimentierfreudigen Spielarten nicht abgeneigt.

Das Leo Betzl Trio

Leo Betzl, Maximilian Hirning, Sebastian Wolfgruber
Leo Betzl, Maximilian Hirning, Sebastian Wolfgruber

Das Leo Betzl Trio wurde auf diese Weise bei der Jazzwoche Burghausen entdeckt, wo sie den Nachwuchs-Jazzpreis gewonnen haben. Das war nicht die erste große Auszeichnung. Letztes Jahr holten die drei bereits den BMW Welt Jazz Award.

Ich finde es schon überraschend, dass sich die eigentlich konservative Jazzszene mit einer Musik anfreunden kann, die von dem Trio selbst als Minimal Techno Jazz beschrieben wird. Dazu muss man sich vielleicht klarmachen, dass Techno längst keine neue Musik mehr ist. Es ist gut dreißig Jahre her, dass die ersten Detroit Techno Produktionen von Jeff Mills und Underground Resistance auch in Europa aufhorchen ließen.

Leo Betzl erzählte nach dem Konzert, dass sie während ihres Jazzstudiums an der Hochschule für Musik die Nächte oft in den avancierten Münchner Techno-Clubs verbrachten. Die drei saßen regelmäßig im Rote Sonne oder im Harry Klein, wo die Jazzrausch Bigband als Hausband spielte. Die Fusion von Techno und Jazz ergab sich hier also ganz harmonisch.

Minimal Techno Jazz Piano

Das Leo Betzl Trio, das sich inzwischen nur noch LBT nennt, spielt eine Art handgemachte Techno-Musik. Der Rosenheimer Betzl am Klavier wird dabei von Maximilian Hirning (Bass) und Sebastian Wolfgruber (Schlagzeug) begleitet.

Das sieht auf den ersten Blick nach einer gewöhnlichen Jazzformation aus, aber die Instrumente und die Spielweise sprengen den Rahmen des Gewöhnlichen. Beispielsweise gehört zum Schlagzeug von Sebastian Wolfgruber auch eine Fahrradfelge. Leo Betzl spielt auf einem massiv modifiziertem Klavier, das an das Tasteninstrument des verrückten Dr. Durand Durand erinnert (falls sich hier noch jemand an den verrückten Dr. Durand Durand erinnert).

Maximilian Hirning schließlich spielt zwar einen normalen Kontrabass, aber dem werden ganz ungewohnte Töne entlockt. Das Instrument wird nicht nur gezupft und gestrichen, sondern auch geklopft, gerieben oder mit Druckluft bearbeitet.

LBT Leo Betzl Trio

Das hört sich jetzt vielleicht etwas seltsam an, klingt auf der Bühne aber richtig gut und fährt in die Beine. Bei dem Konzert am Ammersee saß das Publikum anfangs noch ganz brav auf den Sitzen. Am Ende tanzte der halbe Saal. Einen Eindruck von der musikalischen Energie der drei gibt dieser Konzertmitschnitt auf YouTube: https://youtu.be/BJ-btzs6Ch0

Way up in the blue

LBT: way up in the blue

Wer für frische musikalische Ideen offen ist, sollte sich die aktuelle Platte „Way up in the blue“ von LBT einmal anhören – und sollte auch regelmäßig auf die Website von Talente am See (http://www.talenteamsee.de/) schauen, was es da an frischen Klängen gibt.

2 Gedanken zu „Techno in Schondorf“

  1. Toller Sound! Lieben Dank für den Tipp zu Band und Konzert, lieber Leo und Dank an alle, die das möglich machen. Besonders an die Jazzer, die hier neues Land betreten und uns Kunde davon bringen: Die „Re-Analogisierung“! Vielleicht ein Metatrend des gegenwärtigen Underground und vieler Künste zur allseitigen Digitalisierung?

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