Auf Einladung der Buchhandlung CoLibri stellte der Kunstgeschichtler Thomas Raff in Dießen sein neuestes Buch Ju und Gu vor. Es erzählt die Liebesgeschichte des Schriftstellers Otto Julius Bierbaum und seiner ersten Frau Augusta Rathgeber, die er bei einem Sommeraufenthalt in Dießen kennenlernte.
Bierbaum und das Automobil
Den Namen Bierbaum hatte ich früher schon gehört. Allerdings wusste ich nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Im Internet habe ich dann wieder gefunden, woher ich seinen Namen kannte.
Bierbaum war ein ausgesprochen vielseitiger Autor, aber unsterblich gemacht hat er sich als Automobil-Literat. 1902 schrieb er Eine empfindsame Reise im Automobil über eine Fahrt von Berlin über Prag und Wien nach Sorrent. Es ist die erste Beschreibung einer Autoreise und auch heute noch unterhaltsam zu lesen. Hier ist der Text online: https://www.projekt-gutenberg.org/bierbaum/automob/auto00.html
Es fällt mir schwer, mir das heute vorzustellen, aber vor gut hundert Jahren war der Siegeszug der selbstfahrenden Benzinkutschen noch keineswegs ausgemacht. Genug Leute hielten die lärmenden und stinkenden Maschinen für eine Modeerscheinung, die bald wieder verschwinden würde. Bierbaum dagegen glaubte damals schon an die Zukunft des Automobils.
Das hatte er mit einem anderen Prominenten aus dem Landsberger Landkreis gemeinsam. Auch Hubert von Herkomer war ein begeisterter Anhänger dieser neuen Technologie. Deshalb rief der wohlhabende Malerfürst die Herkomer Konkurrenz ins Leben, die auch heute noch ausgetragen wird (Oldtimer am Ammersee). Mit diesem Rallye-Wettbewerb wollte er die Entwicklung des Autos fördern und für eine breitere Akzeptanz sorgen.
Der empfindsame Reisende
Im Gegensatz zu Herkomer hatte Bierbaum mit Wettbewerb und sportlicher Höchstleistung nichts am Hut. Ihm ging es darum, mit „offenen, wachen, allen Erscheinungen des Lebens, der Natur zugewandten Sinnen“ zu reisen. Der gewöhnliche Automobilist sei dafür zu sehr der Typ des Sportlers. „Erst, wenn der Automobilismus aufhört, ausschließlich ein Sport zu sein, wird er für die Kunst des Reisens das bedeuten, was seine eigentliche Bestimmung ist.“ Ach Julius, ich wünschte, du hättest recht behalten.
Ein Bohemien am Ammersee
Der 1865 in Schlesien geborene Bierbaum war ein umtriebiger Charakter, arbeitete als Redakteur und Herausgeber, als Romancier, Opernlibrettist und Lyriker. Er lebte in Dresden, Leipzig, München, Wien, Zürich, Südtirol und eine Zeitlang auch am Ammersee.
Bei einem Sommeraufenthalt in Dießen verliebte er sich 1891 in die junge Augusta (Gusti) Rathgeber, aus der bekannten Zinngießer-Dynastie Schweizer. Die braven Handwerker waren anscheinend nicht begeistert, dass sich ihre hübsche Tochter ausgerechnet in diesen Bohemien verguckte. Jedenfalls heirateten die beiden nicht am Ammersee, sondern weit weg von der Familie in London.
Ju und Gu
Ju(lius) und Gu(sti) lebten erst in Berlin und später im romantischen Schloss Englar bei Bozen. Die romantische Umgebung rettete allerdings nicht ihre Ehe, die nach sieben Jahren krachend in die Brüche ging.
In seinem Buch hat Thomas Raff (http://www.thomasraff-muenchen.de) die Geschichte der beiden liebevoll nachgezeichnet. Dabei erfährt man nicht nur etwas über die letztlich unglückliche Liebesbeziehung, sondern auch viel über die damalige Zeit.
Der freisinnige Bierbaum wurde in Dießen misstrauisch beäugt und sogar wegen „Vergehen gegen die Sittlichkeit“ angeklagt. Es war die Zeit, als künstlerisch veranlagte Menschen aus den Städten den damals noch sehr bäuerlichen Ammersee für sich entdeckten. Zwischen diesen Zuagroasten und der einheimischen Bevölkerung gab es regelmäßig Reibereien und Streitigkeiten. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, oder?
Ju und Gu
Otto Julius Bierbaum und seine erste Ehefrau Gusti Rathgeber
von Thomas Raff
Erschienen im Apelles Verlag
https://www.apellesverlag.com/