Von dem Buch Schondorf oder Wir Barackenkinder hatte ich früher schon gehört. Es geht darin um eine Jugend in ärmlichen Verhältnissen im Schondorf der 1950er-Jahre. Das Thema fand ich interessant, aber ich war auch ein bisschen misstrauisch. Solche Jugenderinnerungen sind leider oft etwas sentimental oder prahlerisch. Jetzt habe ich das Buch endlich gelesen und festgestellt, dass meine Skepsis völlig unbegründet war.
Eine Kindheit in den 1950ern
Gerne wird in solchen Memoiren eine gute alte Zeit beschworen nach dem Motto: „Wir waren zwar arm, aber glücklich“. Bei der Gelegenheit wird dann oft auch über die angeblich verwöhnte und verweichlichte Jugend von heute hergezogen. Im anderen Extrem dient die ärmliche Jugend dazu, die eigene Lebensleistung noch strahlender erscheinen zu lassen: „Seht her, was ich für ein toller Hecht bin, dass ich mich aus diesen Verhältnissen nach oben gearbeitet habe.“
Wie gesagt, ich hatte meine Bedenken. Zum Glück bin ich durch dieses Blog hier mit dem Autor Alfons Kifmann in Kontakt gekommen. Er hat mich in Schondorf besucht und mir netterweise ein Exemplar seines Buches mitgebracht. Ich habe es praktisch in einem Zug gelesen und muss jetzt sagen, dass meine Befürchtungen unbegründet waren. Erstens schreibt Kifmann völlig uneitel. Seine spätere Karriere als erfolgreicher Journalist und Redakteur erwähnt er mit keinem Wort. Außerdem werden Armut und Entbehrungen der Kinderzeit in dem Buch nicht romantisch verklärt.
Haste was, dann biste was
Kifmann beschreibt seine Kindheit so, wie er sie erlebt hat. Was er erlebt hat, war nicht eine heile Dorfgemeinschaft, sondern eine klare Trennung zwischen den Gruppen im Ort. Auf der einen Seite die, die es zu etwas gebracht hatten, und auf der anderen Seite die, die nichts hatten.
„Haste was, dann biste was“ steht als eine Art Leitmotiv über dem ganzen Text. Die Familie Kifmann gehörte zu denen, die nichts hatten. Die Fallhöhe war für sie dabei besonders groß. Bis in die 40er-Jahre waren sie noch angesehene Gewerbetreibende in Schondorf. In den letzten Kriegsjahren ging alles verloren, und der junge Alfons findet sich plötzlich am Rand der Gesellschaft, unter den Barackenkindern.
Das klingt jetzt vielleicht düsterer, als das Buch tatsächlich ist. Kifmann schreibt durchaus mit Humor und erwähnt auch die schönen Seiten dieser Zeit. Beispielsweise erzählt er, dass er in seiner Sportbegeisterung Unterstützung von unerwarteter Seite erfuhr, nämlich von der Familie des Philologen Tadeusz Zieliński (dem in Schondorf das Denkmal am Zieliński-Platz gewidmet ist).
Der Traum vom eigenen Haus
Immer ist da die Hoffnung, es irgendwie zu einem eigenen Haus und damit zu gesellschaftlicher Anerkennung zu bringen. Der Traum scheint greifbar nahe, als ein Bauplatz auf einem kirchlichen Grundstück zugewiesen wird. Allerdings können die Kifmanns erst einmal nur einen Behelfsbau aufstellen. Weil mit dem Hausbau nicht rechtzeitig begonnen werden kann, muss die Familie das Grundstück auf Druck des Pfarrers räumen. Für den Traum vom eigenen Haus schuftet sich die Mutter buchstäblich zu Tode. Die Kifmanns müssen Schondorf verlassen, Alfons und seine Geschwister kommen zu Verwandten in die umliegenden Dörfer.
Mir hat Schondorf oder Wir Barackenkinder eine Facette der damaligen Zeit gezeigt, die mir so nicht bewusst war. Ich finde es wichtig, dass Dorfgeschichte einmal nicht nur aus dem Blickwinkel der Wohlhabenden, sondern aus der Perspektive von unten erzählt wird.
Schondorf oder Wir Barackenkinder
Alfons Kifmann
100 Seiten, gebundene Ausgabe
ISBN: 9783844243611
https://timbooktu-ammersee.de/shop/item/9783844243611/schondorf-oder-wir-barackenkinder-von-alfons-kifmann-kartoniertes-buch
Absolut lesenswert!
Danke für diesen Hinweis! Wirklich ein neuer Blick auf unser „Dorf“.