Die Walter-Rose-Stipendiaten

Nur noch dieses Wochenende (18. bis 21. November) ist Gelegenheit, sich die Arbeiten anzusehen, die aus dem Walter-Rose-Atelierstipendium entstanden sind. Ich kann das nur empfehlen. Erstens hat Kuratorin Silvia Dobler mit Julius Niemeyer, Stef Müller und Daniel Schüßler drei wirklich außergewöhnliche junge Kunstschaffende für das Stipendium ausgewählt. Zweitens haben alle drei sehr originelle Werke speziell für Schondorf kreiert (https://studiorose.de/2021/10/25/next-nature-neoprozaen/).

Pleinairmalerei

Da sind zum einen Stef Müller und Daniel Schüßler, die im studioRose mit next nature das alte Genre der Pleinairmalerei neu beleben. Ich hatte schon darüber geschrieben, wie die beiden zu Fuß, mit dem Rad und dem Kanu um und auf dem Ammersee auf Motivsuche waren (Pleinairmalerei auf dem Ammersee). Entstanden sind daraus Landschaftsbilder von ungewöhnlicher Art. Auf den ersten Blick sind sie ganz einfach schön in ihrer Komposition und Farbgebung.

Stef A. Müller und Daniel Schüßler im studioRose, Schondorf am Ammersee
Ost-West-Achse 2 bei Schondorf © Stef A. Müller und Daniel Schüßler, 2021

Auf den zweiten Blick verstecken sich eine Menge unerwarteter Details in den Bildern. Beispielsweise, dass die Schondorfer Kirchen vertauscht sind, auf einem Bild mehrere Sonnen auftauchen, oder auf einem anderen eine Leiter in den Schondorfer Untergrund führt. Zwischen den Landschaftsbildern hängen geometrische Formen, die scheinbar überhaupt nichts mit der Natur zu tun haben. Tatsächlich sind diese Geometrien aber unmittelbar aus den Eindrücken auf dem Ammersee entstanden.

Es gibt auf diesen Bildern also viel Überraschendes zu entdecken. Überraschend ist auch, dass sie teilweise als Gemeinschaftsarbeit entstanden sind. Müller und Schüßler haben jeweils an den Entwürfen des anderen weitergemalt (Für mich verblüffend, dass das ohne Mord und Totschlag endete. Man weiß ja, dass sich Kreative normalerweise nicht gern dreinreden lassen).

Julius Niemeyer und die KI

Auch Julius Niemeyer hat sozusagen im Duo gearbeitet, nämlich zusammen mit einer Künstlichen Intelligenz (KI). Digitale Kunst erlebt zurzeit bekanntlich einen gewaltigen Boom. Spätestens seit ein Pixel-Kunstwerk von Beeple bei Christie’s für 70 Mio. $ versteigert wurde, geht der Markt für Generative Art durch die Decke. Üblicherweise werden dazu Algorithmen programmiert, die nach bestimmten Vorgaben in sekundenschnelle „originale“ Kunstwerke generieren.

Mensch und Maschine

Julius Niemeyer dreht für seine Arbeit diesen Ansatz um. Die KI ist nicht das Werkzeug, das seine Befehle umsetzt, sondern er macht sich freiwillig zum Diener der Künstlichen Intelligenz.

Er verwendet dazu The Pile, die größte Sammlung von im Internet verfügbaren Daten. Mit diesem Datensatz kommunizierte er, und gab dabei erst einmal nur den Titel seiner Ausstellung vor: Neoprozän, das Zeitalter nach dem Anthropozän, in dem noch die Menschen die Welt beherrschten.

Judd Machine von Julius Niemeyer
Judd Machine von Julius Niemeyer

Der Inhalt der Ausstellung, die jetzt im atelierRose zu sehen ist, entstand dann im Dialog mit der Künstlichen Intelligenz. Diese gab die Ausstellungsstücke, ihre Titel und selbst ihre Beschreibungen vor. Julius Niemeyer machte sich zum Werkzeug der Maschine und setzte deren Vorgaben um.

The Judd Machine

Die KI hatte offensichtlich ein Faible für die Künstler Donald Judd und Dan Flavin. So gibt es in der Ausstellung eine Judd Machine mit den für Flavin typischen farbigen Neonröhren. Die Stacks, mit denen Judd berühmt wurde, hat Niemeyer für diese Skulptur auf ausgesprochen pfiffige Weise neu interpretiert. Bei ihm erinnern sie an die Server-Stacks, die in Rechenzentren eingesetzt werden.

Julius Niemeyer: Flagge des Neoprozän
Julius Niemeyer: flomacom – Flagge des Neoprozän

Weitere Arbeiten, die sich die KI für diese Ausstellung wünschte, sind beispielsweise ein Triptychon für die Maschinengottheiten, eine Staatsflagge für das Reich der KI, oder ein archäologisches Überbleibsel aus dem Anthropozän. Niemeyer hat alle diese Vorgaben sehr originell umgesetzt. Selbst eine Klanginstallation wurde extra für das atelierRose aufgebaut – komponiert natürlich von einer Künstlichen Intelligenz.

next nature & neoprozän

Noch bis 21. November im studioRose und atelierRose
Bahnhofstraße 35, Schondorf am Ammersee
jeweils 15:00 bis 18:00 Uhr

Offenlegung: Ich erstelle ehrenamtlich Beiträge für die Website des studioRose.

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