„Wir müssen am Ende des Tages wieder gemeinsam diesen Landkreis entwickeln und das kann uns nur gelingen, wenn wir miteinander sprechen und uns nicht gegenseitig bei Demonstrationen begegnen“, sagt Landrat Thomas Eichinger. Damit so ein Gespräch wieder möglich wird, veranstaltete er am 3. Februar eine Online-Gesprächsrunde. Dabei ging es vor allem um die sogenannten Spaziergänge in Landsberg, die montäglichen Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen.
Spaziergänge in Landsberg
In Dießen oder Landsberg finden diese unangemeldeten Demonstrationen mit schöner Regelmäßigkeit statt. In Schondorf habe ich davon noch nichts bemerkt. Das kann natürlich auch daran liegen, dass ich nicht in den entsprechenden Gruppen bei Telegram bin. Vielleicht sind die Flaneure in der Seeanlage eigentlich Gegner der Corona-Maßnahmen. Vielleicht laufe ich da ahnungslos mit, ohne zu wissen, dass ich Teil einer Demonstration bin.
Schon bei der Sonnwendfeier im Dezember gab es bekanntlich Bedenken, ob das nun eine Protestaktion oder ein harmloses Zusammentreffen sei (Der Ammersee leuchtet). Es war unpolitisch, wie ich festgestellt habe.
Auf ein Wort
Damit die verschiedenen Gruppierungen nun wieder miteinander sprechen, veranstaltete Landrat Eichinger die Gesprächsrunde Auf ein Wort. Diese fand – wie das inzwischen üblich ist – per Zoom Videokonferenz statt (https://www.landkreis-landsberg.de/aktuelles/pressemitteilungen/detail/eintrag/auf-ein-wort/). Rund siebzig Leute aus dem ganzen Landkreis nahmen daran teil.
Es ging also um die sogenannten Spaziergänge in Landsberg, mit denen wöchentlich gegen die Corona-Maßnahmen protestiert wird. Diese Demonstrationen werden nicht offiziell angemeldet. Stattdessen verabreden sich die Teilnehmer in den sozialen Netzwerken. Dann marschieren sie durch die Stadt, wobei alle behaupten, sie würden nur zufällig jetzt gerade spazieren gehen. Die Polizei hat hier wenig Möglichkeiten einzugreifen, da man Demonstrierende von Spazierenden nicht unterscheiden kann.
Unangemeldete Demonstrationen
Das Landratsamt versucht diese Versammlungen zwar zu unterbinden, hat dabei aber wenig Handlungsspielraum. Da die Proteste nicht angemeldet sind, gibt es auch keine Verantwortlichen für deren Ablauf.
Landrat Thomas Eichinger erklärte in der Bürgersprechstunde ausführlich die rechtlichen Hintergründe. Mir ist nur soviel in Erinnerung geblieben: Es ist kompliziert. Eigentlich müssen Demonstrationen angemeldet sein, aber wenn sie das nicht sind, ist das noch kein Grund sie aufzulösen. Das geht wohl auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1986 zurück. Anlass dafür war damals die juristische Auseinandersetzung um die Proteste gegen das Kernkraftwerk Brokdorf.
Ganz anders ist das bei den vom Bündnis Landsberg bleibt bunt organisierten Gegendemonstrationen. Die sind angemeldet und haben deshalb klare Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Das sorgt natürlich für Unmut. Die einen müssen in einem eingezäunten und von der Polizei überwachten Bereich stehen, die anderen können nach Lust und Laune durch die Stadt laufen.
Erstaunlich zivilisiert
Beide Seiten waren bei der Bürgersprechstunde vertreten, und man hätte durchaus eine emotionale und lautstarke Auseinandersetzung erwarten können. Zu meiner Überraschung verlief das Gespräch aber durchweg ruhig und zivilisiert. Befürworter und Gegner der Spaziergänge durch Landsberg haben ziemlich normal miteinander gesprochen. Man hat sich am Ende zwar nicht bei den Händen gehalten und zusammen Kumbaya gesungen, aber zumindest hat man sich nicht gegenseitig als Schlafschafe und Covidioten beschimpft.
Ein anderer Ton
Kein Vergleich zu den teilweise wüsten Beleidigungen, die man oft in den sozialen Netzwerken liest. Wobei mir ein Aspekt aufgefallen ist. Wer Zoom kennt, weiß, dass es da zwei Bildschirmbereiche gibt. Zum einen ist da der Videostream, in dem man sich gegenseitig sieht. Daneben gibt es aber auch einen Chat-Bereich, in dem man Textnachrichten an die ganze Gruppe oder an bestimmte Teilnehmer schicken kann.
In diesem Chat-Bereich war der Ton durchgehend etwas giftiger und unfreundlicher, als im Videogespräch. Anscheinend fallen bei uns einige Hemmungen, wenn wir uns nicht ansehen, sondern nur über die Tastatur miteinander sprechen. Das alleine ist vielleicht schon ein guter Grund, die Gesprächsreihe Auf ein Wort fortzusetzen.
Ja, das ist natürlich schlimm, dass viele Menschen sich nur noch „digital sehen“.
Da geht so manches verloren, vor allem die Achtsamkeit und die Freundlichkeit. Aber das haben wir auch den C-Maßnahmen zu verdanken. Fast jeder persönliche Kontakt war/ist ja plötzlich strafbar. Wie soll da noch ein persönlicher Austausch von Herz zu Herz stattfinden?
Da ist das zwischenmenschliche Klima ganz schön unterkühlt.
Könnte man fast Absicht dahinter sehen, aber das wär ja schon wieder Verschwörung… 😉
Ich weiß nicht, ob man das auf Corona schieben kann. Es ist doch schon länger so, dass sich der Diskurs zunehmend in die sozialen Netze verlagert. Damit einher geht anscheinend auch ein Verlust an Gesprächskultur. Schon lange vor Corona erleben wir, dass sich die Leute auf Facebook oder Twitter wüst beschimpfen, oder sich ganz in geschlossene Blasen mit Gleichgesinnten zurückziehen.
Guten Morgen und Danke für diesen Beitrag, ja, es fehlen uns die Foren und Gelegenheiten, uns auszutauschen und auch kontrovers verschiedene Standpunkte zu diskutieren.