Aquathermie am Ammersee

Könnte Schondorf Aquathermie am Ammersee für die Heizung im Ort nutzen? Angeregt wurde diese Diskussion durch einen Vorschlag aus Windach. Dort überlegt man, mit Erdwärme zu heizen und möchte weitere Gemeinden mit an Bord holen, um die Kosten auf mehrere Schultern zu verteilen (Heizen mit Hephaistos).

Ein Haken bei einer solchen Lösung sind die Kosten der Fernwärmeleitung. Diese belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro pro Kilometer. Selbst wenn in Windach oder Finning erfolgreich nach Erdwärme gebohrt würde, würde alleine die Leitung nach Schondorf gut 12 Millionen verschlingen.

Wärme aus dem Seewasser

Deshalb brachte Bürgermeister Alexander Herrmann eine im Wortsinn naheliegendere Idee ins Spiel, nämlich Aquathermie am Ammersee. In den Tiefen des Sees hat das Wasser ziemlich konstant vier Grad. Dieses Tiefenwasser wird hochgepumpt, und über eine Wärmepumpe wird ihm ein Teil der Wärme entzogen. So kommt man auf die gewünschte Temperatur, beispielsweise auf rund 40 Grad für Niedrigtemperaturheizungen. Das Heißwasser kann dann über Rohrleitungen an die Häuser im Ort verteilt werden.

Morgenrot über dem Ammersee, wie die Eruption eines Vulkans
Der Ammersee als Wärmequelle

Natürlich ist es in der Praxis nicht so einfach, wie es in der Theorie klingt. Das beginnt in Schondorf schon mit den komplizierten Eigentumsverhältnissen. Gebaut würde die Anlage auf dem Grund der Gemeinde. Der See dagegen ist Eigentum des Freistaats Bayern, und für die Uferbereiche ist das Landratsamt zuständig. Außerdem braucht es jede Menge Genehmigungen, vom Wasserwirtschaftsamt bis zur Naturschutzbehörde. Das lässt sich aber sicher alles irgendwie lösen. Das eigentliche Problem sehe ich woanders, aber dazu später.

Keine Science Fiction

Eines vorneweg: Das Verfahren der Aquathermie ist keine Science Fiction. Soweit ich gelesen habe, sind entsprechende Nahwärmeversorgungen an etlichen Seen in der Schweiz bereits verwirklicht, und auch in Deutschland wächst das Interesse an dieser Technologie.

Im Prinzip ist so eine Aquathermieanlage, wie jede Wärmepumpe, eine Stromheizung. Allerdings hat sie einen phänomenalen Wirkungsgrad: Die Heizleistung ist höher, als die elektrische Leistung, die das System verbraucht. Um wie viel größer, gibt die Jahresarbeitszahl (JAZ) an. Sie beschreibt im Jahresdurchschnitt das Verhältnis von abgegebener Nutzwärme zu aufgewendeter elektrische Energie. Je höher die Zahl, desto effizienter arbeitet die Anlage.

Aquathermie am Ammersee: Heizen wir in Zukunft mit Seewasser?
Heizen wir in Zukunft mit Seewasser?

Für Seethermie habe ich dazu keine Angaben gefunden. Der Wärmepumpen-Pionier Karl Ochsner stellte aber 2022 auf einem Kongress in München die Ergebnisse eines Großprojektes in Hamburg vor. Für eine Flusswasserwärmepumpe wurde eine JAZ von 3,39 ermittelt. (https://www.heizungsjournal.de/eiskalt-nur-bei-schneeschmelze_19864). Die Ergebnisse dürften nicht groß anders sein, wenn See- statt Flusswasser verwendet wird. Jedes aufgewendete Kilowatt Strom erzeugt demnach gut drei Kilowatt Heizleistung. Das liegt in dem Bereich, den man auch von modernen Luftwärmepumpen erwartet.

Einfluss auf die Umwelt

Eine Frage, die sich ganz automatisch stellt, ist die nach der Umweltverträglichkeit. Wenn wir dem Ammersee Wärme entnehmen, kühlt er natürlich ab. Könnte das für die Pflanzen und Tiere im See bedrohlich sein?

Aquathermie am Ammersee: Der See als Energiespeicher
Der See nimmt die Sonnenwärme auf

Ich habe dazu eine relativ detaillierte Analyse gefunden. Es geht dabei um Aquathermie am Zwenkauer See in der Nähe von Leipzig: https://www.innovationsregion-mitteldeutschland.com/wp-content/uploads/2021/08/20210723_Schlussbericht-Seethermie_Kurzfassung_V1.0.docx.pdf

Dieser See hat eine Fläche von knapp zehn Quadratkilometern und eine maximale Tiefe von 48 Metern. Er hat damit etwa ein Zehntel der Wassermenge des Ammersees, der ein Volumen von 1,75 Kubikkilometern hat. Die Untersuchung am Zwenkauer See zeigt, dass die entnommene Wärme nur 0,0158 % des Wärmeeintrags ist, den der See über Sonneneinstrahlung aufnimmt. Einen gravierenden Einfluss auf die Flora und Fauna im Wasser kann ich mir bei einer Temperaturänderung von 0,01 % nicht vorstellen.

Lohnt sich das?

Von der Technik und der Umweltfreundlichkeit her ist Aquathermie am Ammersee sicher möglich. Das eingangs angesprochene Problem sehe ich mehr bei der Wirtschaftlichkeit. Bei den Investitionskosten reden wir hier sicher von einigen Millionen. Das amortisiert sich natürlich nur, wenn sich dann genügend Haushalte an das Nahwärmenetz anschließen.

Jetzt sehe ich aber bei praktisch jedem Neubau in Schondorf Photovoltaik auf dem Dach und Wärmepumpen vor dem Haus. Das werden die Leute nicht wegwerfen, nur weil Aquathermie verfügbar sein sollte. Auch andere Heizungen behält man üblicherweise so lange sie noch funktionieren. Der Umstieg dürfte also aller Wahrscheinlichkeit nach recht schleppend verlaufen. Und das macht das Projekt dann sehr teuer für die Gemeinde oder wer immer die Anlage am Ammersee einmal betreiben wird.

Wärmepumpe vor einem Neubau
Wärmepumpe vor einem Neubau

Das ist mir generell bei meiner Suche nach Praxisbeispielen aufgefallen: So gut wie alle Anlagen entstanden zusammen mit größeren Neubauten. Oft sind es Hotels, Schwimmbäder oder neue Wohnviertel, die von Anfang an eine gewisse Abnahmemenge sicherstellen. Im oben erwähnten Beispiel vom Zwenkauer See ist es ein Erholungskomplex mit drei Feriendörfern und zusammen 150 Gebäuden.

In Schondorf sind Bauprojekte dieser Größenordnung in absehbarer Zukunft nicht zu erwarten, in den anderen Gemeinden am See auch nicht. Und genau darin sehe ich das größte Hindernis für Aquathermie am Ammersee.

Schreibe einen Kommentar