Passt das hierher?

Denkmal für den Komponisten Hans Pfitzner in Schondorf am Ammersee.

Bevor ich nach Schondorf gezogen bin, hatte ich noch nie von dem Komponisten Hans Pfitzner gehört. Nicht verwunderlich, denn die spätromantische Musik interessiert mich nicht besonders.
Pfitzner lebte von 1919 bis 1929 in Schondorf, woran heute eine Straße und ein Denkmal in der Seeanlage erinnern.
Ein Leser hat mich dazu angeregt, mich einmal näher mit dieser zwiespältigen Person zu beschäftigen.

Der romantische Komponist

Pfitzner wurde 1869 geboren, ist also ein Zeitgenosse von Claude Debussy, Maurice Ravel oder Arnold Schönberg. Anders als diese Neuerer der Musik blieb er in der klassisch-romantischen Tradition. Er gilt als führender Vertreter einer betont deutschen und entschieden antimodernistischen Musik. Sein bekanntestes Werk ist die Oper „Palestrina„.
Heutzutage ist Pfitzner, wie Wikipedia schreibt „ein außerhalb Deutschlands weithin vergessener Komponist“. Das liegt sicher nicht nur an der Qualität seiner Kompositionen, sondern auch an seinen politischen Ansichten. Seine Rolle in der NS-Zeit veranlasste Hamburg und Münster die dortigen Hans-Pfitzner-Straßen umzubenennen.

War Pfitzner ein Nazi?

Pfitzner war anscheinend nie Mitglied der NSDAP. Nach dem Krieg wurde er zwar angeklagt, aber freigesprochen, er sei „vom Gesetz zur Entnazifizierung nicht betroffen„. Prominente Persönlichkeiten wie Alma Mahler-Werfel oder Carl Zuckmayer hatten eine Ehrenerklärung für ihn abgegeben.
Er hatte enge Beziehungen zu vielen hochrangigen Nationalsoziaisten, z.B zu Hans Frank, dem „Judenschlächter von Krakau“. Diesen besuchte er öfters im besetzten Polen und widmete ihm persönlich die Komposition „Krakauer Begrüßung“.
Ich mag diese Nähe zum NS-Regime nicht be- oder verurteilen. Mit dem Abstand von achtzig Jahren ist es leicht zu entscheiden, was richtig oder falsch war. Niemand von uns kann mit Sicherheit wissen, wie wir in der damaligen Situation gehandelt hätten.

Künstler und Diktaturen

Pfitzner ist auch beileibe nicht der einzige Künstler, der einem totalitären Regime zugearbeitet hat. Hier fallen einem sofort genug Namen von Prominenten ein, die sich mit dem Nationalsozialismus oder dem Stalinismus eingelassen haben – sei es aus Sucht nach Ruhm und Anerkennung, aus jugendlichem Eifer oder einfach aus künstlerischer Weltfremdheit.
Auf Pfitzner trifft all das nicht zu.

Reichskultursenator und „Gottbegnadeter“

Er hat den Ruhm und die Anerkennung sicher genossen: Reichskultursenator, Goethe-Preis, Beethoven-Preis und schließlich sogar die Aufnahme in die Gottbegnadeten-Liste der für das Reich unverzichtbaren Kulturschaffenden. Ein erfolgreicher Komponist war er aber schon lange davor. Er war keiner der Zukurzgekommenen, die sich von den Nazis endlich die ersehnte Anerkennung erschmeichelten.
Er war auch nicht nur zeitweise vom damaligen Nationalismus und Antisemitismus angesteckt. Sein Judenhass war tief verwurzelt. Als Komponist sah er sich als Verteidiger der deutschen Tradition gegen einen jüdischen Musikbolschewismus.
Schon 1898 prahlte er in einem Brief, dass er sich „hier in Berlin ganz besonders als Antisemit ausgebildet habe„. 1920 schrieb er, „daß deutsche Arbeiter, deutsches Volk sich von russisch-jüdischen Verbrechern anführen ließen.

Der Standpunkt des Kammerjägers

Selbst nach dem Krieg blieb er starrsinnig bei seiner Haltung: „Daß eine Menschenrasse von der Erdoberfläche ausgerottet werden kann, das hat die Weltgeschichte schon gesehen … Es war sein (Hitlers) angeborenes Proletentum, welches ihn gegenüber dem schwierigsten aller Menschenprobleme den Standpunkt des Kammerjägers einnehmen liess.“ 
Und weiter schreibt Pfitzner über Hitler: „Also nicht das ‚Warum‘ ist ihm vorzuwerfen, nicht, ‚dass er es getan‘, sondern nur das ‚wie‘ er die Aufgabe angefasst hat.
Die Ermordung von fünf Millionen Juden ist für Pfitzner kein Problem – nur die Gaskammern sind ihm zu proletenhaft.

Treudeutsch und bitterböse

Thomas Mann, der Pfitzner lange bewunderte und förderte, schrieb später über ihn: „Ein namhafter alter Tonsetzer in München, treudeutsch und bitterböse.
Pfitzner war sicher der bedeutendste Komponist, der je in Schondorf lebte. Von daher ist es verständlich, dass an prominenter Stelle an ihn erinnert wird. Man kann auch argumentieren, dass das Denkmal und die Straße dem Musiker gewidmet sind, nicht dem politischen Publizisten. Aber kann man den Künstler Pfitzner einfach so vom Menschen Pfitzner trennen?
Was sagt diese Auszeichnung für Pfitzner über uns aus?
Passt das zu Schondorf und dem Ammersee?

Quellen
Die Zitate und Daten zu diesem Beitrag stammen aus folgenden Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Pfitzner
http://www.pfitzner-gesellschaft.de/
http://www.muenster.de/stadt/strassennamen/pfitznerstrasse.html
Mehr zu dem Thema in dem Buch „Pfitzner und der Nationalsozialismus“ von Sabine Busch-Frank

2 Gedanken zu „Passt das hierher?“

  1. Pfitzner war ein Künstler. Die Gemeinde hat ihn für sein künstlerisches Werk geehrt nicht für seine politische Einstellung. Das muss man bei der Diskussion herausstellen, auch ist es wichtig festzuhalten, dass die Geschichtsschreibung sich über das Urteil zu Pfitzner offenbar noch nicht einig ist, also wie aktiv seine Rolle in der NS Zeit war oder ob er eher ein Anerkennung suchender Mittläufer war.
    Gleich mal vorweg: sollten die Historiker zu dem Schluss kommen, dass er tatsächlich ein Nazi und Antisemit war, ist dies zu verurteilen. Aber sollte man immer gleich die ganze Erinnerung "auslöschen"?

    Schauen wir in die Kreisstadt nach Landsberg. Dort gibt es einen Hindenburg Ring. Hindenburg gilt als der "Steigbügelhalter" Hitlers, trotzdem ist die Straße nach ihm benannt. Er war Generalfeldmarschall und Politiker – nicht Musiker wie Pfitzner – aber die Erinnerung an ihn wird trotzdem aufrechterhalten. Ist das richtig? Ich persönlich meine ja, denn er ist ein Teil unserer Geschichte. Wir fangen auch nicht an das Haus der Kunst oder den Königsplatz abzureißen, obwohl es Nazibauwerke sind. Wichtig ist für mich, dass man die Menschen / Straßennamen / Gedenktafeln in ihrem historischen Kontext kritisch sieht. So bleibt ein Stück Geschichte und Erinnerung enthalten und gleichzeitig ist Auseinandersetzung und Reflexion möglich.

    Ich gebe auch folgendes zu bedenken: in jüngster Zeit wir auch Bach und Luther antisemitisches Denken nachgesagt. Werden wir dann die Erinnerung daran auch auslöschen? Die Reformation in Frage stellen und Präludium und Fuge in allen Werken ausradieren?

    Ich möchte noch ein paar Schritt zurück in unserer Geschichte gehen. Wir Gründen unsere zivilisatorischen Wurzeln gerne auf die griechische und römische Kultur. Kürzlich waren wir mit der Familie in Rom und bei der Führung durch das Kolosseum wurde mir klar: wenn man die römische Gesellschaft unter heutigen Wertmaßstäben betrachtet, dann ist sie verabscheuungswürdig. Sklaven, Gladiatorenkämpfe, Ausbeutung, kriegerische Überfälle, Plünderung. Wurzeln auf die wir stolz sein sollen?

    Aber ich finde man sollte die Erinnerung nicht auslöschen, denn dadurch wird auch die Entwicklung deutlich und der zeitliche Maßstab, in dem eine solche Entwicklung von Statten geht. Wir brauchen diese erfahrbaren und greifbaren Zeugnisse der Geschichte um uns herum – augenblicklich vielleicht noch mehr.

    Mein Vorschlag: man sollte über das Verhalten von Pfitzner in der NS Zeit sprechen und auch die Gedenktafel erweitern, wenn die Historiker eine abschließende Betrachtung gefällt haben. Nur so ist die Auseinandersetzung mit der Geschichte unmittelbar erlebbar. Vergessen sollten wir auch nicht, dass es viele Verhaltensformen gab, um durch diese dunkle Zeit der jüngsten deutschen Geschichte zu kommen. Aus der heutigen Sicht ein Urteil zu sprechen ist immer leicht und nicht jeder von uns ist als Widerstandskämpfer im Sinne von Sofi und Hans Scholl geboren. Es braucht viele historische Spiegelbilder in denen man sich selbst reflektieren kann, um zu sehen, wo man selbst gestehen hätte, den erhobenen Zeigefinger der Moral zu heben ist immer einfach.

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