Ein Schwarzbau direkt am Ammersee? Der muß natürlich weg, sagt das Landratsamt. Die Gemeinde Eching würde ihn lieber stehen lassen. Die Geschichte, die sich daraus entwickelte, könnten Franz Kafka und Karl Valentin gemeinsam geschrieben haben.
Das Norwegerhaus am Ammersee
Heute schaut das Schondorf-Blog einmal über die Grenzen der Gemeinde hinaus, aber nur um etwa 100 Meter. Wenn man von Schondorf am Ammersee entlang nach Norden spaziert, sieht man als eines der ersten Häuser in Eching das sogenannte Norwegerhaus. Das Anwesen am Kaaganger ist ein seit langem gewohnter Anblick, und wahrscheinlich denken die wenigsten dabei an einen Schwarzbau.
Ursprünglich erbaut wurde es von dem Landschaftsmaler Hans Beat Wieland, dem Schwiegersohn des Sektfabrikanten Rudolf Henkell.
Von Spitzbergen inspiriert
Wieland war 1896 nach Norwegen gereist, um für eine Illustrierte Zeichnungen von der Expedition Salomon August Andrée’s zu machen. Dieser versuchte mit einem Ballon zum Nordpol zu fahren. Andrée stürzte ab und blieb verschollen, aber Wieland kam wohlbehalten zurück und war seither von Norwegen fasziniert. Darum baute er sich mit seiner Frau am Ammersee ein Anwesen im Stil der Häuser auf Spitzbergen, mit begrüntem Dach und blutrotem Anstrich.
Bild von Hans Beat Wieland |
1999 verkauften Wieland’s Erben das unter Denkmalschutz stehende Haus. Der neue Besitzer machte sich an eine gründliche Renovierung, und damit gingen die Probleme los.
Zu gründlich renoviert
Das Landratsamt befand nämlich, dass etwas zu gründlich renoviert worden sei. Die Wände wurden neu aufgemauert und die Deckenhöhe vergrößert. Auch wenn es von Außen nur wenig verändert aussah, war von der historischen Substanz kaum etwas übrig geblieben.
Das Haus galt damit als Neubau. Es liegt aber im Außenbereich der Gemeinde, wo generell nichts Neues gebaut werden darf. Damit war das Gebäude nun ein Schwarzbau, der abgerissen werden muss. Gegen diese Entscheidung wurde über mehrere Instanzen prozessiert, aber es blieb bei der Abrißverordnung.
Im Gegensatz zum Landratsamt würde die Gemeinde Eching das Haus gerne erhalten. Der Gemeinderat hat beschlossen, dazu die Außenbereichssatzung zu ändern, um den Schwarzbau nachträglich zu legalisieren.
Baubehörde gegen Gemeinderat
Die Baubehörde im Landratsamt hält das für rechtswidrig und will dagegen vorgehen. Auch weil befürchtet wird, dass damit ein Präzedenzfall für eine weitere Bebauung und Erschließung am Kaaganger geschaffen wird.
Ich kann beide Seiten irgendwie verstehen. Einerseits ist das Norwegerhaus am Ammersee ein gewohnter Anblick, der vermutlich niemand stört. Von daher hätte ich nichts dagegen, wenn es erhalten bleibt.
Andererseits wecken Ausnahmeregelungen natürlich immer Begehrlichkeiten. Wenn es einmal geklappt hat, kommen möglicherweise auch Andere auf die Idee, ihr Haus ein bisschen zu renovieren und zu vergrößern. Und dann möchte man als Zufahrt vielleicht lieber eine asphaltierte Straße, als einen beschaulichen Wanderweg.
Es ist keine einfache Entscheidung. Mittlerweile wurde sogar der Petitionsausschuss im Landtag angerufen, der sich für einen Erhalt des Norwegerhauses ausgesprochen hat. Die verworrene Geschichte kann sich also durchaus noch länger hinziehen.
Aktualisierung vom 23. März
Durch Heiko Folkerts habe ich erfahren, dass Wieland nicht nur als Maler, sondern auch als Architekt tätig war. Hier ist ein schöner Beitrag aus der Zeitschrift „Die Kunst“ von 1908. Victor Zobel (offensichtlich ein Bewunderer des großen Architekten Herrmann Muthesius) beschreibt darin das Haus, das Wieland für seinen Schwiegervater in Wiesbaden gebaut hat: http://www.lexikus.de/bibliothek/Die-Kunst-18-Band-Das-Haus-Henkell-in-Wiesbaden
Beat Wieland hat also auch das Norwegerhaus am Ammersee vermutlich nicht nur in Auftrag gegeben, sondern auch selbst geplant.
An diesem Haus war wirklich nichts mehr original. Er hat aus der ursprünglich einfachen Holzhütte einen, aus moderner Ziegelbauweise gebauten Neubau gemacht, den er dann einfach mit den Holzverschalungen der alten Hütte, quasi „beplankt“ hat! Das ehemalige, typische Holzhaus, wurde ein Ziegelrohbau, nach außen getarnt wie eine Filmkulisse! Er hat sogar eine Decke aus Ziegelbausweise als Boden im EG eingebaut! Er muss die alte Hütte als vorher komplett demontiert haben, um dann nur noch Teile des Dachs, die Fenster, und die Holzverkleidung wieder „anzukleben“!!! Man kann wirklich sagen: Das war ein Neubau, der nur noch ein FAKE-Holzhaus war! He mit diesem Typen habe ich kein Mitleid! Er hat das Haus als Baudenkmal gekauft, und wusste sicher, dass er das nicht darf! Sonst hätte er es ja auch nicht so getarnt! Er hat das Haus von Wieland heimlich ausgetauscht, durch einen, auch noch proportional hässlich verschandelten Klotz, dadurch dass er die Deckenhöhe extrem erhöht hat! Und dann protestieren, und den Freistaat beschimpfen!
"Die Geschichte, die sich daraus entwickelte, könnten Franz Kafka und Karl Valentin gemeinsam geschrieben haben."
Prima Formulierung, die die groteske Situation auf den Punkt bringt. Diese Behörden … Jesses!