So hat es einmal angefangen, mit dem Ammersee als Künstlersee: Um die vorletzte Jahrhundertwende flüchteten junge Maler aus dem Mief der Kunstakademien. Sie gingen hinaus in die Natur, an schöne Plätzchen wie Murnau, Worpswede oder eben den Ammersee. Hier ließen sie sich von der Landschaft inspirieren, machten Kunst in und mit der Natur. Diese Tradition der Naturmalerei ist am Ammersee auch heute noch lebendig. Das habe ich auf drei Ausstellungen in den letzten Wochen gesehen.
Stille Riesen
Zum einen zeigte Annunciata Foresti (https://www.foresti-kunst.de) im Dießener Stellwerk ihre neue Serie „Stille Riesen“. Diese stillen Riesen sind Berge. Allerdings keine bestimmten, erkennbaren Gipfel, sondern teils imaginierte, teils aus verschiedenen Formationen zusammengesetzte Gebirge. Es gibt ja ein ganzes Genre der alpinen Kunst. Dort erscheinen Berge meist massiv, wuchtig und oft auch bedrohlich.
Nicht so bei Foresti. Ihre Bilder wirken luftig und leicht, mit viel Weiß und sparsamen Linien und Flächen in verschiedenen Blautönen. Die Berge scheinen dynamisch, als wären sie in einem kurzen Moment der Bewegung festgehalten. Bei näherer Überlegung finde ich das stimmig. Eigentlich sind die Gipfel ja die erstarrten Schaumkronen eines Lavameeres auf der Erdkruste. In Anbetracht von einigen Milliarden Jahren Erdgeschichte, sehen wir heute tatsächlich nur die aktuelle Form während eines kurzen Moments.
Licht und Luft
Auch die Dießener Künstlerin Julia Albrecht widmet sich der Naturmalerei. Sie macht sich gern an jene Sujets, die besonders schwer mit dem Pinsel auf die Leinwand zu bannen sind, nämlich Licht und Luft. So hieß auch ihre Ausstellung im Schondorfer Studio Rose (http://www.studio-rose-schondorf.de).
Stefan Boes, Herausgeber von Kulturland (www.edition-kulturland.de), ging in seiner Eröffnungsrede auf diese Herausforderung ein. Wie kaum eine andere Künstlerin beherrsche Albrecht den weich fließenden und dennoch konturierten Farbauftrag, mit dem sich diese schwierigen Motive malerisch darstellen ließen. Damit überführe sie das Motiv in ein Archiv der Ästhetik. Die Dinge sind so, wie sie in ihrer Besonderheit waren, als sie von der Malerin gesehen wurden. Boes: „Diese Malerei zeigt Seen, Gläser, Libellen, Bienen, Blumen in ihrer ganz eigenen Existenz, wie sie sind, in ihrem Sosein.“ Die Ehrlichkeit des Augenblicks nannte der Laudator das. Ein realistischer Blick, und dennoch ein Blick hinter das Offensichtliche.
Kunst im Gewächshaus
Grafrath war einmal der Anlaufpunkt für Münchner, die an den Ammersee wollten. Man kam mit dem Zug, und fuhr dann mit dem Dampfschiff (der „Mooskuh“) die Amper hinauf zum See. Diese Schiffsverbindung gibt es schon lange nicht mehr, auch wenn die Gaststätte am Fluß immer noch Dampfschiff heißt. Zumindest eine ideelle Verbindung zum Ammersee ist in Grafrath also erhalten geblieben.
Mitte Oktober zeigten hier sechs Künstlerinnen und Künstler ihre Werke in der Natur, nämlich in einem Gewächshaus des forstlichen Versuchsgartens (der übrigens auch ohne Ausstellung immer einen Besuch wert ist). Gitte Berner-Lietzau, Monica Feßl, Annette Illner, Elke Jordan, Ulrich Pulfer und Philipp Reil präsentierten ihre jeweils eigene Interpretation von Kunst aus, über und in der Natur. Beispielsweise hatte Annette Illner aus den Seiten eines alten Wörterbuchs einen luftigen Vorhang geschaffen. Dieser trennte das Drinnen und Draußen, Kunst und Natur, und setzte sie gleichzeitig zueinander in Beziehung.
Ich persönlich mag vor allem die großformatigen Landschaftsbilder von Elke Jordan. Ähnlich wie bei Julia Albrecht, geht es auch in ihren Bildern um Luft und Licht. Die Natur ist auf der Leinwand realistisch dargestellt. Trotzdem scheint sie in den Bildern ihrerseits eine Art Leinwand zu sein, auf der bestimmte Lichtstimmungen, ein gewisses Vibrieren der Luft sichtbar gemacht wird.
Aber egal was die persönlichen Favoriten sein mögen. Die Naturmalerei am Ammersee ist auch nach über hundert Jahren noch sehr lebendig und vielfältig.