Poker um die Seepost Schondorf

Die Pläne zum Umbau der Seepost Schondorf (https://www.seepost-ammersee.de/) sind einen guten Schritt voran gekommen. Die Eigentümer möchten das Lagerhaus westlich der Kirche St. Jakob abreißen, und dort einen Hotelbau errichten. Der Gemeinderat diskutierte am 28. November über einen neuen Entwurf für diesen Hotelbau. Auf Basis dieser Planung wird jetzt ein vorhabenbezogener Bebauungsplan erstellt. Das wurde mit einer klaren Mehrheit von 12:3 Stimmen beschlossen.

Rücksicht auf St. Jakob

Das Thema hat uns im März schon einmal beschäftigt (siehe Viele Bedenken). Damals wurde ein Entwurf vorgestellt, der weit über den gültigen Bebauungsplan hinausging. Das führte zu heftiger Kritik von Kirche, Denkmalamt und Bürgern. Prof. Mayer-Tasch, Vorsitzender des Schondorfer Kreises, befürchtete, dass durch „dieses Vorhaben das ortsbildprägende altehrwürdige Baudenkmal St. Jakob völlig umzingelt und eingeengt würde.“ (http://schondorfer-kreis.de/2018/04/04/hotelbau-neben-st-jakob/).

Nun haben die Besitzer also einen neuen Entwurf für die Seepost Schondorf eingereicht. Noch im März hätte es unbedingt ein dreistöckiger Bau sein müssen, weil anders das Hotel nicht rentabel zu führen sei. Sechs Monate später ist die Rentabilität anscheinend auch mit einem Stockwerk weniger möglich. Auch die Tiefgarage kann jetzt kleiner ausfallen, sie wird nicht mehr bis auf fünf Meter an die Kirchenfundamente heran gebaut. Alles ist jetzt eine Nummer kleiner. Allerdings ist die bebaute Grundfläche immer noch um 50% größer, als im Bebauungsplan von 2008 festgelegt.

Lagerhalle neben der Seepost Schondorf
Hier soll das neue Hotel der Seepost Schondorf entstehen

Verhandlungspoker

Natürlich weiß ich nicht, ob der im März eingereichte Bauantrag ernst gemeint war, oder nur ein geschicktes Taktieren. Jedenfalls erinnert mich der Ablauf an die Art, wie um Tarifverträge oder andere Abkommen gepokert wird.

Man beginnt die Verhandlungen nicht mit dem eigentlichen Ziel, sondern erst einmal mit einer weit darüber liegenden Forderung. Dass diese von der Gegenseite abgelehnt wird, ist klar. Dann schraubt man die eigenen Ansprüche etwas zurück, und signalisiert damit Entgegenkommen. Jetzt muss sich auch die andere Seite bewegen, man will ja nicht als sture Betonköpfe dastehen. Am Ende einigt man sich in der Mitte, bei dem Ergebnis, das man von vornherein wollte.

Tourismus und Ortsbild

Generell glaube ich schon, dass ein modernes Hotel Schondorf gut tun würde. Unser Ort lebt stark vom Tourismus, und zeitgemäße Hotelzimmer sind aktuell Mangelware. Unbestreitbar ist auch, dass Übernachtungsgäste deutlich mehr Geld in den Ort bringen, als Tagestouristen. Trotzdem sollte nicht alles den finanziellen Überlegungen untergeordnet werden. Die Kirche St. Jakob ist charakteristisch für Schondorf, diese prägnante Ansicht muss auch für die Zukunft erhalten werden.

Ein Beitrag im Landsberger Tagblatt zeigt das Modell für den Umbau der Seepost Schondorf: https://www.augsburger-allgemeine.de/landsberg/Schondorf-Das-Hotel-am-See-kommt-id52813161.html

Für mich wirkt der geplante Neubau recht wuchtig. Allerdings tue ich mich immer schwer mit solchen Architekturmodellen. Irgendwie fehlt mir die Phantasie, um mir die tatsächliche Wirkung des Gebäudes vorzustellen. Was haltet ihr von diesen Plänen? Zu dominant, oder wird auf St. Jakob angemessen Rücksicht genommen?

 

7 Gedanken zu „Poker um die Seepost Schondorf“

  1. Dank für die ausführliche Erwiderung. Doch das Thema ist für eine spekulative (sic!) Überlegung zu brisant. Denn hier wird Baurecht für ein außergewöhnliches Ensemble am Seeufer verhandelt – nicht der Gasthof ‚Seepost‘ wird verhandelt, sondern eine Landmarke, ein einzigartiger Komplex.
    ‚Westufer‘ hat zu recht darauf hin gewiesen, dass – wer auf Augenhöhe verhandeln will, sein Gegenüber ernst nehmen muss. Ein so schlichtes Modell, wie das welches vorgestellt wurde, erzählt nichts über die einschneidenden Veränderungen, die sich ergeben würden.
    Aber über das eröffnete Verfahren ergeben sich ja auch Chancen! Nämlich die gestalterische Herausforderung, dem Ensemble von Kirche, Gasthof, Platz und Erweiterungsbau mit Respekt zu begegnen und einen Entwurf einzureichen, der Schondorf zu einem Besucherziel für jene macht, die um ästhetische Lösungen von alter und neuer Bausubstanz ringen. Dafür müsste sich der Gemeinderat wohl dazu durchringen, präzise Erwartungen zu formulieren.
    Meine wäre: Lasst Schondorf zum Mekka für eine neue Generation junger ArchitektInnen werden. Gebt ihnen eine Vision mit, die den Charme des letzten Jahrhunderts (die Seepromenade) mit dem Ehrwürdigen der Kirche und dem Gediegenen eines Boutique-Hotels verbindet.
    Sicher. So etwas zu denken, braucht Mut und Selbstbewusstsein. Lasst uns einen BürgerInnenkreis gründen, der dieses Vorhaben begleitet. Es könnte sich lohnen!

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  2. Lieber Leopold Ploner!
    Das Prozedere um den Bauantrag ‚Seepost‘ hat mich ziemlich aufgewühlt. Ruhiger wurde ich, nachdem ich hier den Hinweis auf die übliche Verhandlungsstrategie gelesen hatte: Größer fordern und dann mit einem Kompromiss zu frieden sein.
    Ich stellte mir die Frage: Was wird eigentlich verhandelt? Klar: Im Tarifstreit geht es um sozialen Frieden. Und hier? Welche Vorteile werden gegenseitig abgewogen?
    Hier will ein privater Investor Gewinne realisieren. Dieses Ziel könnte er allein schon durch den Verkauf des Areals erreichen. Er will also mehr, nämlich das Volumen vergrößern, was unter dem geltenden Bebauungsplan nicht seinen Erwartungen entspricht. Um sein Ziel zu realisieren, braucht er die Gemeinde, resp. die Zustimmung vom Gemeinderat für einen korrigierten Bebauungsplan. Die Seite des Investors ist klar.
    Was aber – auf der anderen Seite – strebt der Gemeinderat in den Verhandlungen an?
    Zur Disposition steht ein sensibler Standort (Annäherung seeseits), eine bemerkenswerte Bausubstanz (die Kirche), eine bereits jetzt im Sommer heikle Wohnsituation (ein Hotel mit Eventangeboten geht deutlich über die Belastung wie sie in Stegen zu beobachten ist hinaus). Will der Gemeinderat keinesfalls als Blockierer abgestempelt werden? Geht es darum, Schondorf ein spezifisches touristisches Profil zu geben?
    Die Frage stellt sich mir: Welchen Gewinn will der Gemeinderat für die Gemeinde erzielen? Welches Bild von Schondorf wird hier verhandelt?
    Darauf habe ich noch nirgends eine Antwort gelesen.
    Bin gespannt!

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    • Welchen Gewinn will die Gemeinde erzielen?
      Die kurze Antwort: Ich weiß es nicht. Leider war ich nicht bei dieser Gemeinderatssitzung. Ich kenne den Vorgang nur aus der Presse, bin also auch nicht schlauer als andere.

      Die lange Antwort geht in die Spekulation. Ich kann mir vorstellen, dass die Gemeinde den Status von Schondorf als Fremdenverkehrsort mit diesem Hotelprojekt stärken will. Keine Frage, wir leben stark vom Tourismus, und ich finde das nicht negativ. Ich mag unsere Cafes und Restaurants, Minigolf und Biergarten, die Ladengeschäfte in der Hauptstraße. Vieles davon würde es ohne Tourismus vermutlich nicht geben.
      Schielt die Gemeinde auch auf die Gewerbesteuereinnahmen? Wahrscheinlich ja, und auch das finde ich nicht verwerflich. Wir können das Geld in Schondorf gut brauchen, für Kinderbetreuung und Infrastruktur, für notwendige Sanierungen und die Unterstützung der örtlichen Vereine.
      Gibt es schließlich auch die Angst vor einem „worst case scenario“? Gut möglich. Was ist, wenn die Seepost leersteht, weil sie ohne den gewünschten Umbau nicht rentabel genug wäre? So etwas hat man in größeren Städten schon erlebt. Für die Besitzer wahrscheinlich nicht dramatisch, weil alleine die steigenden Immobilienpreise den Ausfall kompensieren. Für Schondorf sicher nicht das, was wir uns wünschen.
      Wie gesagt, das ist alles reine Spekulation. Aktuell sind wir erst einmal in der Phase eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Das Thema wird den Gemeinderat noch öfters beschäftigen. Und das nächste Mal werde ich es mir anhören, um mir ein genaueres Bild zu machen.

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  3. > irgendwie fehlt mir die Phantasie, um mir die tatsächliche Wirkung des
    > Gebäudes vorzustellen …

    Die Phantasie bräuchte man auch garnicht wenn die Planer/Bauherren die 3D Visualisierungen von relevanten Blickpunkten aus öffentlich machen würden … warum sie das nicht tun liegt imho auf der Hand: es würde offensichtlich was für ein Klotz das Ding ist und/oder welche Ansichten/Blickwinkel dabei vor die Hunde gehen. Solche Renderings aus verschiedensten Blickwinkeln – incl. Schattenwurf je nach Sonnenstand usw. – sind ein Klacks der nur einen Mausklick entfernt ist … selbst kostenlose Amateur Software kann das (z.b. Sketchup).

    Die Frage warum Schondorf mehr Touristen brauchen soll, bzw. mehr Umsatz mit selbigen, und wer am Ende davon profitiert bzw. wer die Zeche zahlt kann man einfach beantworten weil übliches Schema: einzelne profitieren, das Dorf(bild) nicht. Das Tourismus prinzipbedingt die Eigenschaft hat die Ressource aufzubrauchen ob der er überhaupt entstanden ist dürfte heutzutage ja nichts neues sein … wenn man sich von „Tourismusfachmännern“ & Investoren beraten läßt die sich primär oder ausschließlich auf ökonomischen Parameter berufen ist man eben auch entsprechend „gut beraten“.

    Auch hinsichtlich architektonischer Qualität gibts imho wenig Grund zur Hoffnung wenn man sich die Referenzen der beauftragten Architekten anschaut … für mich ist das die typische gesichtslose Investoren-Architektur wie sie landauf landab zur Norm geworden ist.

    Alte Bausubstanz mit Charme – und die Remise/Scheune fällt für mich in diese Kategorie – ist schnell weggeschoben … Stück für Stück verschwinden solche Bauten unwiederbringlich aus einem Dorfbild welches sich im Schweinsgalopp zu einer biederen Bausparer Kulisse wandelt. Es gibt Architektur die die Qualität alter Bausubstanz respektiert, ihren Wert versteht und sie inkorporiert … aber man muß es wollen und können und evtl. auch mehr investieren.
    my2¢ …

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  4. Lieber Leo, ich teile deine Meinung: selbst das weiß getünchte Modell-Gebäude wirkt im Vergleich zur Kirche sehr monumental und so dominant, dass die doch relativ kleine Kirche daneben wie verloren wirkt.
    Ein Hotel in Schondorf – ja, kann ich gut verstehen. Es gibt ohnehin nicht viele Hotels am Ammersee. Aber muss immer und alles finanziellen Überlegungen untergeordnet werden? Dieses Thema passt ja sehr gut zu deinem letzten Artikel – bezüglich Ökonomie und Gemeinwohl. Ich habe mir auch den von dir verlinkten Vortrag angehört – den sollten sich jeder mal anhören. Obwohl er auf Englisch gehalten ist, versteht man ihn sehr gut, und der Inhalt ist wirklich hochinteressant und gibt Anlass zum Nach- und Umdenken.
    Unser Planet leidet allgemein unter der Einstellung: Geld zuerst! Dass Mensch, Tier und nicht zuletzt auch Natur (unsere Lebensgrundlage) dabei auf der Strecke bleiben, ist längst nicht mehr zu übersehen.
    Nicht nur ich finde diese Entwicklung erschreckend.
    Unter dieser einseitigen und materiellen Einstellung leiden auch Gemüt und persönliches Wohlergehen. Und auch das hat Auswirkungen …

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    • Die Architekturmodelle geben dem Laien wohl oft keinen richtigen Eindruck von der Wirkung des fertigen Gebäudes. Das sehen wir ja auch in Schondorf, z.B. Buchenpark. Die meisten Gemeinderatsmitglieder, die ich kenne, wundern sich heute selbst, warum sie das einmal genehmigt haben.

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