Ich bin ein begeisterter Fußgänger. Fremde Städte habe ich mir immer schon am liebsten zu Fuß erschlossen. Viele, viele Kilometer bin ich durch Paris oder Florenz, New York oder Barcelona gelaufen. Allerdings habe ich das zu Fuß gehen nie wirklich als Verkehrsmittel begriffen. Deshalb war es für mich neu, dass es auch für den Fußverkehr eine Interessensvertretung gibt, nämlich den Verein FUSS e. V. (https://fuss-ev.de).
Fachverband Fußverkehr Deutschland
Deutschland ist nun mal das Land der Vereine und Verbände. Für das Auto gibt es den ADAC, für das Fahrrad den ADFC, ja es gibt sogar einen Deutschen Tretrollerverband (https://deutschertretrollerverband.de). Bei näherer Betrachtung ist es schon einleuchtend, dass auch der Fußverkehr eine Lobby braucht.
Als Fußgänger bin ich viel bescheidener, als ich es als Rad- oder Autofahrer bin. Der Gehsteig ist an vielen Stellen eine Schlaglochpiste? Ja mei, da ist halt kein Geld für die Reparatur im Haushalt. Für die Staatsstraße ist die Fahrbahnbreite genau vorgeschrieben, als Gehweg bleibt oft nur ein schmaler Streifen übrig? Da kann man nichts machen, das ist gesetzlich so festgelegt. Es gibt in ganz Schondorf nur einen einzigen Zebrastreifen über die Staatsstrasse 2055? Man hätte gerne einen zweiten gehabt, aber das Straßenbauamt hat abgewinkt.
Der Fußverkehr hat anscheinend immer die unterste Priorität. Die Autos haben natürlich eine mächtige Industrielobby im Rücken. Die Radfahrenden haben gelernt, auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen, bringen sich mit Aktionen wie dem Stadtradeln ins öffentliche Bewusstsein.
Gehen und Gender
Nur die Fußgänger sind leise und bescheiden. Genauer gesagt, nicht die Fußgänger, sondern die Fußgängerinnen. Bei FUSS e.V. habe ich dazu unter dem Menüpunkt Gehen und Gender interessante Zahlen gefunden: 44 % der Frauen gehen täglich zu Fuß, aber nur 38 % der Männer. Von denen sitzen dafür 55 % täglich im Auto (Frauen: 45 %). Das hat wahrscheinlich mit der immer noch klassischen Rollenverteilung zu tun. Der Mann fährt in die Arbeit, die Frau geht zum Einkaufen oder mit den Kindern zum Spielplatz. Sogar die Verkehrsschilder spiegeln diese Realität.
Kurz gesagt finde ich, dass wir durchaus etwas selbstbewusster für die Belange des Fußverkehrs eintreten dürften. Aber so richtig aufraffen kann ich mich nicht dazu. Letztlich fühle ich mich doch ganz wohl, wenn ich in Schondorf zu Fuß unterwegs bin.
Ich mache einen Spaziergang durch die Seeanlage und über den Kirchsteig hinauf zum La Delicatezza. Ich gehe über den Sailerweg zur Metzgerei Gall, und nach einem Abstecher über St. Anna über den Leitenweg zurück. Lauter Wege, die mir als Fußgänger gehören. Da denke ich mir dann, dass Schondorf schon ein ganz guter Ort für Fußgänger wie mich ist.
Zu Fuß Städte erwandern – das ist das Wahre. So haben wir das auch immer gehalten. Man sieht einfach viel mehr. Dass es einen Verein FUSS e.V. gibt, wusste ich übrigens auch nicht.