Kunst-Parcours

Am letzten Oktoberwochenende bietet Schondorf einen regelrechten Kunst-Parcours mit dem gleich drei Veranstaltungen. Am 29. Oktober kann man im Stundenrhythmus von einer Ausstellung zur nächsten wandern. Es beginnt um 18:00 Uhr mit next nature & neoprozän, geht dann weiter mit Augen Blick, und schließt ab 20:00 Uhr mit IchIchIch MeMeMe.

next nature & neoprozän

Stef A. Müller und Daniel Schüßler im studioRose, Schondorf am Ammersee
Ost-West-Achse 2 bei Schondorf © Stef A. Müller und Daniel Schüßler, 2021

Ab 18:00 Uhr zeigen am 29. Oktober die Stipendiaten des Walter Rose Atelierstipendiums, zu welchen kreativen Idee sie der Sommer in Schondorf inspiriert hat. Stef A. Müller und Daniel Schüßler haben die Pleinairmalerei auf dem Ammersee wiederbelebt. Man sah sie öfters mit ihren Staffeleien in einem Boot auf dem See, wie sie versuchten, die ganz eigene Licht- und Farbstimmung auf dem Wasser einzufangen.

Ungewöhnlich ist, dass viele der im studioRose zu sehenden Bilder tatsächlich Gemeinschaftsarbeiten sind. Müller und Schüßler haben zwischendurch immer wieder die Leinwände getauscht, und an den Bildern weitergemalt. Mich wundert ja, dass das ohne handfeste Streitereien ausging, aber die Ergebnisse gefallen mir wirklich gut.

Julius Niemeyer im studioRose, Schondorf am Ammersee
AI-generierte Soundarbeit auf 16 Hörnern von Julius Niemeyer

Nebenan im atelierRose macht sich Julius Niemeyer Gedanken über die Zukunft der Menschheit. Neoprozän nennt er diese neue Epoche nach dem Ende des Anthropozän, in dem der Mensch noch im Mittelpunkt stand. Diese zentrale Rolle übernehmen zunehmend Maschinen und Artificial Intelligence (AI). Niemeyer gibt einen Vorgeschmack auf diese Zukunft. Für das atelierRose hat er dazu eine exklusive Klangkomposition geschaffen. Er hat sie aber nicht selbst komponiert, sondern einen AI-Algorythmus so lange mit Daten gefüttert, bis der das gewünschte Ergebnis produzierte. Wie sich das anhört, kann man ab 29. Oktober im atelierRose erleben.

Weitere Informationen zu next nature & neoprozän unter https://studiorose.de/2021/10/25/next-nature-neoprozaen/

Augen Blick

Ausstellung von Marie Telschow in Schondorf am Ammersee

Nächste Station auf dem Kunst-Parcours ist dann um im Rathaus. Im Sitzungssaal zeigt Marie Telschow unter dem Titel Augen Blick ihre Reisephotographien. Es sind Bilder, die sie selbst augenzwinkernd „Yoga-Photographie“ nennt. Dabei geht es ihr nicht darum, möglichst spektakuläre Momente abzulichten, sondern eine atmosphärische Stimmung einzufangen, in der sich Traum und Realität begegnen. Bis zum 17. Dezember kann man sich diese Augen Blicke im Rathaus ansehen.

Zur Eröffnung der Ausstellung Augen Blick wird am 28. 10., 19:00 Uhr Jürgen Wassmuth, Fotograf und Autor, aus seinen Reisegeschichten aus Nepal vorlesen. Das ist ein kleiner Vorgeschmack auf die Autorenlesung anderswo, am 4.November um 19.30 Uhr. Dort wird Ulli Olvedi Passagen aus einem Roadtrip in Tibet lesen, bei dem sich, mehr oder weniger freiwillig, eine junge Westlerin in einer Lebenskrise und ein einheimischer Touristenführer begegnen. Thomas Morawetz präsentiert eine satirische Geschichte über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des vollständig digitalisierten Reisens. Katalin Fischer liest über ihre schillernde Familie und deren Reisen durch die Welt. Markus Mähner schließlich berichtet aus seinem Tagebuch von einer Wanderung über die Alpen zum Filmfest in Cannes.

IchIchIch MeMeMe

Zum Glück ist der dritte Schauplatz nur einen Katzensprung vom Rathaus entfernt. An der Fassade des Bahnhofs ist am 28., 29. und 30. Oktober jeweils ab 20:00 Uhr die Videoinstallation IchIchIch MeMeMe zu sehen. Ausgangspunkt für dieses Projekt war das Dorfportrait des Photographen Yorck Dertinger. Dabei setzte er aus den Aufnahmen von 99 ganz normalen Menschen ein Porträt des Ortes Schondorf zusammen: https://studiorose.de/2021/07/05/schondorfer-portraits/

Videoarbeit IchIchIch von Yorck Dertinger und Vanessa Hafenbrädl in Schondorf am Ammersee
© Yorck Dertinger & Vanessa Hafenbrädl

Für IchIchIch MeMeMe projiziert die Dießener Videokünstlerin Vanessa Hafenbrädl Bilder aus dieser Serie auf das Gesicht der Schauspielerin Lisa Stiegler (aktuell auf der Bühne des Münchner Residenztheaters in der Inszenierung Dekalog von Calixto Bieito).

Die Videoinstallation ist ein Spiel mit Identitäten, dem eigenen und dem fremden Blick auf uns. Es geht darum, wie wir einander als Spiegel brauchen, um uns selbst zu vergewissern. „Ich ist ein anderer“, heißt ein berühmter Ausspruch von Rimbaud. Dieses Ich löst sich in der Videoarbeit buchstäblich auf. Scheinbar sichere Kategorien wie Alter, Geschlecht oder Herkunft werden vage und fließend. Ich hatte das Glück, bei den Vorbereitungen einmal dabei sein zu dürfen. Der Effekt der sich überlagernden Gesichter und Persönlichkeiten hat etwas wirklich Magisches.

Nach der Kunst zum Wählen

Damit enden die drei Etappen des Schondorfer Kunst-Parcours. Bevor es nach Hause geht, möchte man vielleicht noch einen letzten Abstecher in die Wartehalle des Bahnhofs machen. Dort sind die Projekte des diesjährigen Schondorfer Bürgerbudgets ausgestellt (Schondorfer Ideensammlung). Hier gibt es auch die Wahlkarten, mit denen man noch bis Sonntag für seine Lieblingsprojekte abstimmen kann. Der Briefkasten des Rathauses ist ja praktischerweise gleich nebenan.

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