Sicherheitswacht am Ammersee

Üblicherweise erwarten die Lesenden, dass ihnen in einem Blog oder Presseartikel eine gut begründete Meinung präsentiert wird. Damit kann ich in diesem Fall leider nicht dienen. Ich weiß nämlich selber noch nicht, was ich von der geplanten Sicherheitswacht am Ammersee halten soll. Aber vielleicht ergibt sich ja eine Diskussion, aus der ich mir dann meine Meinung bilden kann.

Was ist eine Sicherheitswacht?

Wie vermutlich viele schon wissen, hat sich der Gemeinderat für die Einführung einer Sicherheitswacht in Schondorf entschieden. Eine solche Sicherheitswacht sei „keine Bürgerwehr“, wird auf der Website der bayerischen Polizei betont (https://www.polizei.bayern.de/wir-ueber-uns/sicherheitswacht/index.html).

Sicherheitswacht in Landsberg
Sicherheitswacht in Landsberg (Photo © Stadt Landsberg am Lech)

Bewerben können sich alle, die zwischen 18 und 62 Jahre alt sind und eine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung haben. Wenn sie das Einstellungsgespräch bestehen, erhalten sie eine 40-stündige Ausbildung durch die Polizei. Dann können sie in der Gemeinde auf Streife gehen. Dabei dürfen sie Personalien überprüfen, diese Personendaten an die Polizei übermitteln, und auch Platzverweise erteilen. Außerdem dürfen sie das, was jeder von uns darf, beispielsweise Nothilfe leisten oder Verdächtige bis zum Eintreffen der Polizei festhalten.

Die Sicherheitswächter tragen eine Uniform mit dem Bayerischen Staatswappen und sind mit Funkgerät und Pfefferspray ausgerüstet. Die Mitglieder erhalten für ihre ehrenamtliche Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung von € 8 pro Stunde. Diese und alle anderen Kosten für die Errichtung und den Betrieb übernimmt der Freistaat Bayern. Das macht es für die Kommunen natürlich attraktiv, eine solche Sicherheitswacht am Ammersee einzuführen. Wenn es nichts kostet, dann sagt man gerne Ja.

Der Blogger vor dem Laptop: ratlos

Ist das nun eine gute oder eine schlechte Idee? Ich gestehe, ich bin ratlos. Einerseits denken wir in Deutschland in solchen Fällen automatisch an Bürgerwehr, Blockwarte, FH (Freiwillige Helfer der Volkspolizei) oder Schwarze Sheriffs. Mir kommt der Gedanke seltsam vor, dass eine Zivilperson meinen Ausweis verlangen kann. Für Sicherheit auf unseren Straßen zu sorgen, das sollte doch eine Aufgabe des Staates sein, der die Polizei dazu eben entsprechend ausrüsten muss.

Hilft eine Sicherheitswacht am Ammersee gegen Vandalismus
Hilft eine Sicherheitswacht am Ammersee gegen Party-Auswüchse?

Andererseits habe auch ich manchmal das Gefühl, dass sich eine Kultur des Wegschauens entwickelt. Wenn es Nachts irgendwo scheppert und kracht, fühlt sich kaum einer berufen, sich einzumischen. Man will ja keinen Ärger. Es ist wahrscheinlich leichter nach dem Rechten zu schauen, wenn man eine entsprechende Ausbildung hat. Die Autorität einer staatlichen Uniform spielt dabei vermutlich auch eine Rolle.

Enthemmte Jugendliche

Die Sicherheitswacht soll „durch ihre Präsenz dem Vandalismus enthemmter Jugendlicher entgegenwirken“, wie der Kreisbote schreibt: https://www.kreisbote.de/lokales/landsberg/sicherheitswacht-jetzt-auch-in-schondorf-91464171.html.

Begründet wird die Notwendigkeit mit 131 Sachbeschädigungen, die 2021 in den Ammersee-Gemeinden Schondorf, Utting und Dießen registriert wurden. Solche Zahlen ohne einen größeren Zusammenhang machen mich immer stutzig. 131 klingt nach viel, aber ist es mehr oder weniger als früher? Gibt es da einen langfristigen Trend oder ist das ein Ausreißer? Wie verhalten sich die Zahlen vom Ammersee zum Rest von Bayern?

Sicherheitswacht am Ammersee gegen Vandalismus
Die Sicherheitswacht soll Vandalismus verhindern

Also habe ich mir nochmal einen älteren Beitrag zum gleichen Thema angeschaut (Wird alles immer schlimmer?). Damals hatte ich mir herausgesucht, dass es am Ammersee-Westufer im Jahr 2017 157 Fälle von Sachbeschädigung gab. Ein Jahr später sank diese Zahl auf 114. Für 2019 konnte ich keine Angaben finden, aber 2020 waren es 119 Fälle. Natürlich sind die Zahlen nicht wirklich vergleichbar. Die Corona-Situation mit geschlossenen Lokalen und zeitweisen Ausgangssperren hatte da sicher einen Einfluss. Außerdem hatten wir in den letzten Jahren in Schondorf einen privaten Sicherheitsdienst im Einsatz. Der ist heuer nicht mehr aktiv.

Sicherheitswacht in Landsberg

Und was bringt nun eine Sicherheitswacht? In der Stadt Landsberg gibt es diese schon länger, nämlich seit 2018. Dazu habe ich mal im Internet die Zeitungsmeldungen durchforstet. Die gute Nachricht dabei: Die Sicherheitswacht ist nicht negativ aufgefallen. Die Mitglieder haben sich offensichtlich nicht als Rambos aufgespielt, und auch Racial Profiling war wohl kein Thema.

So weit, so gut. Erfolgsgeschichten habe ich allerdings auch keine gefunden. Nicht einmal die offizielle Website der Stadt Landsberg berichtet etwas dazu. Wäre durch die Sicherheitswacht die Zahl der Sachbeschädigungen oder Ruhestörungen merklich zurückgegangen, dann wäre das doch eine Meldung wert gewesen, oder?

Wie schon eingangs gesagt: Ich bin ratlos. Ist diese Sicherheitswacht nun eine gute Idee, oder nur ein billiges Trostpflaster für eine unzureichend ausgestattete Polizei?

9 Gedanken zu „Sicherheitswacht am Ammersee“

  1. Die Qualität der SiWa hängt stark von den Mitgliedern ab. Erstmal müssen GEEIGNETE Personen für diese Aufgabe gefunden werden.
    Eine Präsenz von Ordnungshütern hat selbstverständlich eine abschreckende Wirkung und es werden mit Sicherheit auch Vergehen von sonst „anständigen Bürgern“ aufgedeckt, wovor sich wohl so mancher auch fürchtet.

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    • Das ist ein guter Punkt. wir müssen erst einmal sehen, ob sich genug geeignete Bewerber für eine Schondorfer Sicherheitswacht finden.

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  2. Grüß Gott Herr Ploner,
    hier kann ich nicht bei ihnen sein, meine Meinung. Die Sicherheitswacht braucht kein Controlling. Die Angehörigen leisten ihr Ehrenamt mit Sicherheit aus lobenswerter Überzeugung, auch nach Feierabend, am Wochenende und während Feiertage. Ein einsatz- und führungserfahrener Polizeichef zur Beurteilung, „was das bringen wird“, wer wäre hierzu professioneler und kompetenter.
    Den „Effekt“ der Sicherheitswacht kann man oft in Medien lesen. Sogar im, von ihnen erwähnten Artikel, zeigt sich der „Effekt“. Sichheitswacht rettet eine Person vor dem Tod durch Rauchgas, ich denke die „Königsdiziplin der Effekte“.
    Straftaten vergleicht man mit Sicherheit lokal über Zeiträume, um hier Aussagen zu treffen. Was will man zählen, worüber man keine Information hat. Jemand, der sich durch Anwesenheit abhalten lässt, wird es auch nicht verraten. Also nicht möglich in Zahlen zu packen.
    Abhalten durch sichtbare Präsenz funktioniert, dazu ein Beispiel, das auch zu gegenwärtigen Medienmeldungen „Enkeltrick“ passt.
    Aus Vaterstetten veröffentlicht. (s.u.)
    „… berichtete über einen Vorfall mit einer über 90-jährigen Frau, der ein Unbekannter angeboten hatte, ihre Tasche nach Hause zu tragen. Als Mitglieder der Sicherheitswacht auftauchten, sei der Mann schnell verschwunden. Der Vorfall hätte möglicherweise für die Seniorin auch anders ausgehen können, so der Polizeichef.“
    Abstrakt und deshalb nicht in Zahlen zu packen.
    Bin gespannt auf ihren nächsten Artikel zur Sicherheitswacht.

    Erste Bilanz der Sicherheitswacht positiv, merkur. de>Vaterstetten

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    • „Was will man zählen, worüber man keine Information hat. Jemand, der sich durch Anwesenheit abhalten lässt, wird es auch nicht verraten. Also nicht möglich in Zahlen zu packen.“
      Doch, ich denke, es wäre recht einfach, das in Zahlen zu packen. Man sieht sich typische Delikte wie Sachbeschädigung oder Ruhestörung an. Dann vergleicht man die Entwicklung in einer Gemeinde mit Sicherheitswacht mit dem bayernweiten Durchschnitt. Wenn sich potenzielle Täter durch die Anwesenheit der Sicherheitswacht abschrecken lassen, dann findet das in den Zahlen seinen Niederschlag. Deshalb finde ich es sehr merkwürdig, dass solche Zahlen nie präsentiert werden.

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  3. Grüss Gott Herr Ploner,

    Ohne Gewähr auf Vollständigkeit und Vollzähligkeit in jeder Textwiedergabe.

    Aus dem Blog;
    „Der Blogger vor dem Laptop: ratlos. Ist das nun eine gute oder eine schlechte Idee? Ich gestehe, ich bin ratlos. “

    Anmerkung
    Die Sicherheitswachtangehörigen gehen hervor aus unseren nächsten Kommunen, Gemeinden oder Umfeld. Etliche kennen die Männer und Frauen in den blauen Jacken, auch persönlich. Ein „Servus, Grias di oder Hallo“ sind auf ihren Wegen nicht selten. Ich glaube, alle haben ein gleiches, lobenswertes Ziel.

    Artikel, aus ihrer Nähe, die der Sichheitswacht ein Gesicht geben und mit Leben befüllt.

    Augsburger Allgemeine
    • Landsberg
    „Die Sicherheitswacht im Einsatz für die Bürger“
    14.05 2020
    • Kaufering
    „Die Sicherheitswacht in Kaufering“
    20.11.21
    • Krumbach
    „Respektlosigkeit hat zugenommen“
    26.03.22
    • Krumbach
    „Beifall im Stadtrat …grosses Kompliment für die Sicherheitswacht…“
    10.02.2022

    Über die Grenzen hinaus, hier nur einige, wenige Artikel:
    • inFranken.de
    • Rothenburg
    „…Verzweifelte Mutter…sucht Sohn, Sicherheitswacht hilft Sohn zu finden….“
    03.07.21
    • Samerberg Nachrichten
    „Polizeipräsident ehrt Angehörige der Sicherheitswacht. …ohne zu zögern Hilfe geleistet und Schlimmeres verhindert…“
    26.05.2021
    • Bad Abbacher Kurier
    • geschrieben von Polizei Oberpfalz
    „Sicherheitswacht bewahrt …eine junge Dame vor weiterer Belästigung …“
    29.10.2020 veröffentlicht
    • all-in-de
    • Kempten
    „Versuchter Einbruch in Apotheke… Einbrecher von Polizei und Sicherheitswacht festgenommen. …“
    18.02.2022

    Und was bringt nun eine Sicherheitswacht?…“
    • Merkur.de>Lokales>Schongau>Paiting
    • Paiting
    „Ein Jahr Sicherheitswacht, so fällt die erste Bilanz aus…“
    31.05.2022
    • Merkur.de>Lokales>Miesbach>Schliersee
    • Schliersee
    „Sicherheitswacht ein echter Gewinn. …auch Grüner Gemeinderat jetzt überzeugt. …“
    28.05.2022
    • Pfaffenhofen-today.de
    • Pfaffenhofen
    „Leiter der Polizeiinspektion beantwortet wichtige Fragen. … Welchen Mehrwert bringt die Sicherheitswacht? … “
    18.04.2022

    Hoffentlich konnte ich ihnen mit der Meinung vieler etwas Zuarbeiten.

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    • Vielen Dank für die ausführliche Quellensammlung.
      Ich wundere mich immer noch, warum der Effekt einer Sicherheitswacht so schwer zu messen sein soll. Beispielsweise sagt in dem verlinkten Beitrag aus Pfaffenhofen der Leiter der Polizeiinspektion: „Wenn sich Jugendliche durch die Anwesenheit der Streifen davon abhalten lassen, zum Beispiel Sachbeschädigungen zu begehen, ist dies in absoluten Zahlen nicht messbar.“ Warum nicht? Man bräuchte die Entwicklung der Sachbeschädigungen am Ort nur mit dem bayerischen Durchschnitt vergleichen. Die Zahlen liegen der Polizei alle vor.

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  4. Ich bin seit 2018 bei der Sicherheitswacht, angefangen in LL, mittlerweile bei der PI Schwabmünchen. Wir sind natürlich kein Allheilmittel, aber wir versuchen natürlich ständig uns mit den Gruppierungen zu verständigen, aber es hilft ja auch nichts, wenn am Freitag Nachmittag die Mülleimer voll sind, dann werden diese natürlich auch nicht leerer, da kann auch die Sicherheitswacht nichts ändern. Wir machen auch keine direkte Polizeiarbbeit, durch unsere Anwesenheit stiften wir aber Unruhe in den Zusammenkünfte. Wir dürfen zwar Platzverweise erteilen, aber das hilft natürlich auch nicht immer. Das die Stadt uns nicht immer in Pressemitteilungen erwähnt, liegt wohl daran das wir der Polizei unterstehen und auch dort berichten.

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  5. Die Ehrenamtlichen der Sicherheitswacht sind also so etwas wie Vermittler zwischen Bürgern und Polizei. Sie sind nicht die Polizei, sondern sozusagen nur deren Augen und Ohren. Solche Aufgaben werden ja verantwortungsvolle Bürger und Bürgerinnen sowieso übernehmen – das ist eigentlich keine Kompetenzfrage, sondern eine Frage der guten Erziehung.

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