Das Konzept der 15-Minuten-Stadt ist nicht ganz neu. In letzter Zeit ist es vermehrt in die Schlagzeilen gekommen, weil manche dahinter einen Schritt zur Unterdrückung der Bürger sehen. Prinzipiell geht es bei dem Konzept darum, dass in einem Gebiet alle Einrichtungen des täglichen Bedarfs ohne Auto in höchstens einer Viertelstunde erreicht werden können. In Schondorf ist das bereits jetzt größtenteils der Fall. Deshalb hier einige meiner Erfahrungen aus der 15-Minuten-Stadt, die woanders noch Utopie ist.
Unabhängig vom Auto
Der Begriff 15-Minuten-Stadt mag für Schondorf etwas hoch gegriffen sein, schließlich sind wir eine Gemeinde und keine Stadt. Andererseits gibt es in Deutschland weit über hundert Städte, die weniger Einwohner haben als wir. So gesehen kann man die Erfahrungen aus Schondorf durchaus auf kleine Städte übertragen. Es geht wie gesagt darum, alle Einrichtungen des täglichen Bedarfs auch ohne Auto in einer Viertelstunde erreichen zu können: https://www.focus.de/klima/wissen-umwelt-die-15-minuten-stadt-utopie-oder-machbar_id_188395947.html
Zu Fuß kommt man in einer Viertelstunde etwa einen Kilometer weit. Auf der Karte unten habe ich mal einen 1 km Radius rund um das Ortszentrum eingezeichnet.
Das stimmt jetzt nicht ganz, weil man ja nicht einen Kilometer Luftlinie zurücklegt, sondern auf den Straßen ein paar Umwege gehen muss. Trotzdem sieht man, dass man fast vom ganzen Ort aus in einer Viertelstunde zum Zentrum gehen kann. Hier findet sich dann so ziemlich alles, was man für den täglichen Bedarf braucht: Supermarkt und Bäcker, Ärzte und Apotheke, Schule und Kita, und auch der Bahnhof und die Bushaltestellen. Vor allem sind in diesem Gebiet rund ein Dutzend Cafés und Restaurants, es gibt also soziale Treffpunkte. Schondorf ist eine 15-Minuten-Stadt.
Eigentlich ist dieses Gebiet sogar größer. Laut Definition umfasst es den Bereich, den man in 15 Minuten ohne Auto erreichen kann, also auch beispielsweise per Fahrrad. Damit dehnt sich der Radius auf rund vier Kilometer aus. Dann liegen auch Utting oder Greifenberg in dieser Zone. Man ist in Schondorf selbst dann nicht auf das Auto angewiesen, wenn Fitnessclub, Drogeriemarkt oder ein Sprungturm zum persönlichen täglichen Bedarf zählen.
Lebensqualität durch lokale Angebote
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Es funktioniert. Verglichen mit den Städten, in denen ich früher gewohnt habe, nutze ich das Auto deutlich seltener, nur noch etwa ein-, zweimal die Woche. Die täglichen Besorgungen erledige ich größtenteils zu Fuß. Das ist erstens billiger und zweitens gesünder.
Außerdem weiß ich dadurch besser, was im Ort vorgeht, weil ich an allen möglichen Plakaten, Aushängen und Schaufenstern vorbeikomme. Und anders als im Auto, trifft man zu Fuß immer wieder Menschen auf der Straße, mit denen man ins Gespräch kommt. Mir hilft dabei natürlich, dass auf fast allen meinen täglichen Wegen das La Delicatezza in der Bahnhofstraße zu einem Espresso-Stop einlädt.
Nicht für alle
Hier merke ich allerdings auch die Einschränkungen: Ich treffe auf der Straße hauptsächlich Selbstständige, Ruheständler und Mütter mit kleinen Kindern. Das sind die Gruppen, die die Vorteile der 15-Minuten-Stadt wirklich nutzen können. Wer morgens lange Wege zur Arbeitsstelle pendelt und abends spät und müde zurückkommt, hat logischerweise nicht so viel vom lokalen Angebot.
Damit möglichst viele Menschen die Vorzüge genießen können, muss sich etwas an den langen Arbeitswegen ändern. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, weil sich Konzepte wie Homeoffice oder Coworking immer stärker durchsetzen (https://schondorf.blog/2018/12/17/berufspendler-am-ammersee/).
Zonen und Verkehr
Für mich persönlich sind meine Erfahrungen aus der 15-Minuten-Stadt als ganz klar ein Gewinn an Lebensqualität. Im Internet gibt es aber genug Stimmen, die diese Idee als Horrorszenario sehen. Schuld daran ist die Stadt Oxford in England. Dort will man das Konzept verwirklichen, indem man die Stadt in fünf Zonen einteilt, die ihren Bewohnern alle Einrichtungen des täglichen Bedarfs in einem 15-Minuten Radius zur Verfügung stehen. So weit, so gut.
Allerdings hat Oxford auch ein intelligentes System zur Verkehrssteuerung eingeführt. Bei zu hoher Verkehrsbelastung werden Durchgangsstraßen gesperrt, und sind dann nur noch für Anwohner befahrbar. Wer von einer Zone in die andere fahren will, muss dann größere Umwege in Kauf nehmen. Im Prinzip ist diese Lösung für Autofahrer günstiger, als die betreffenden Straßen komplett zu sperren.
Das Freiluftgefängnis
Die ganze Steuerung erfolgt aber durch flächendeckende Kameraüberwachung mit automatischer Erkennung der Nummernschilder. Das ist zugegeben ein ziemlich gespenstisches Szenario.
Mich wundert es nicht, dass manche Leute das als einen Schritt hin zum Freiluftgefängnis sehen, bei dem die Menschen in ihrem jeweiligen Viertel eingesperrt werden sollen. Das geht natürlich zurück auf die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie, als es auch bei uns Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen gab. Ganz zu schweigen von der radikalen chinesischen Variante mit Metallzäunen und Militärposten an den Check Points.
Lebensqualität statt Zwangsmaßnahmen
Natürlich kann mit moderner Überwachungstechnik die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Das Problem ist jedoch nicht die Technik, sondern das politische Systeme dahinter. Ich vertraue aber darauf, dass wir eine stabile Demokratie haben, die solche Auswüchse verhindert.
Die Idee der 15-Minuten-Stadt wird sicher nicht durch Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden können. Wenn, dann wird sie sich durchsetzen, weil die Menschen den Gewinn an Lebensqualität sehen. Schondorf ist ein schönes Beispiel dafür.
Alles nur Wichtigtuerei es ist kein Geld für so was da außerdem gibt es das schon fast in jeder Stadt oder Stadtteil nennt sich Marktplatz Ärztehaus oder Centrum
Da hat der Leo wieder einmal ein ganz spannendes Thema aufgemacht, super! – Bemerkenswert Deine Beobachtung, wer in der 15-Minuten-Kleinstadt typischerweise anzutreffen ist, und wer nicht: Dass in Post-Corona-Zeiten Berufstätige nicht (mehr) dazu zählen, lässt mich nachdenklich werden. Zumal Du treffend schreibst: „Wer morgens lange Wege zur Arbeitsstelle pendelt und abends spät und müde zurückkommt, hat logischerweise nicht so viel vom lokalen Angebot.“ Woran liegt es, dass immernoch in so unfassbar großen Scharen tageintagaus in die Großstadt zum Arbeiten gependelt wird? Jeder zweite Job ist inzwischen ein Schreibtischjob – und der kann sehr wohl im Homeoffice verrichtet werden anstatt in der Firma, wie die Lockdowns gezeigt haben.
Die Dießener Bürgerbefragung vom vergangenen Sommer zur „neuen Arbeitswelt“ hatte eine Reihe interessanter Ergebnisse zutage gefördert. Zum Beispiel konnte die Mehrheit selbstständig entscheiden, ob sie im Homeoffice oder in der Firma arbeiten will. Besonders nachdenklich stimmte der extrem große Teil der PKW-Pendelnden.
Was also kann in Kleinstädten getan werden? Dießen macht sich darüber im vom Bundesbauministerium geförderten Projekt „Kleinstadtakademie“ im Verbund mit vier anderen Kommunen gezielt unter dem Aspekt „digitale Arbeitswelten“ erste Gedanken.
Du, lieber Leo, schreibst völlig zutreffend: „Damit möglichst viele Menschen die Vorzüge [der 15-Minuten-Stadt] genießen können, muss sich etwas an den langen Arbeitswegen ändern. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, weil sich Konzepte wie Homeoffice oder Coworking immer stärker durchsetzen.“ Damit sich diese – eigentlich seit Jahren entwickelnden – Konzepte aber auch wirklich durchsetzen – die Pendlerlawinen rollen ja immernoch – ist hier, in unseren Kleinstädten, noch viel zu tun. Der Nutzen ist unstrittig und vielfältig: Er reicht von einer lebendigen Ortsmitte, über Engagement und Kaufkraft am Ort, Entlastung von Umwelt und Verkehrsinfrastruktur, bis hin zu weniger Stress und mehr Freizeit für so viele Menschen. – Lass uns mal wieder dazu austauschen, gerne im Ammersee Denkerhaus – Coworking Space!
Wenn ich mir den innerörtlichen Verkehr oder auch den vollen Parkplatz vor dem Fitnessstudio anschaue, dann weiß ich nicht, ob Schondorf nicht noch einen weiten Weg vor sich hat.
Besonders im Bereich der Fußgänger- und Radinfrastruktur ist noch viel Nachholbedarf.
Ein dutzend cafes und restaurants??? Ich wäre glücklich, wenn ich die namen bekommen würde.
Wir wohnen seit fünf jahren in finning und ich staune heute noch, wo sich tagsüber menschen treffen?
Gerade diejenigen, die eine kurze pause mit oder ohne kinderwagen brauchen, sich zum austausch mit freunden treffen wollen oder einfach um im netten ( und lebhaften) ambiente eine zeitung zu lesen und dabei was auch immer zu trinken.
Und dann auch noch die so unfreundlichen öffnungszeiten …
Dennoch liebe grüsse
Cornelia hobbhahn
Das Angebot zähle ich gerne auf: Wir haben in der Landsbergerstraße das Shiro Sushi (ehemals Drexl) und etwas weiter Richtung Ortsmitte den Gasthof Sailer. Rund um den Bahnhof sind die Restauration Schondorfer, das Fontanino und die Eisdiele Da Gino. In der Bahnhofstraße Richtung See sind Cafe La Delicatezza, Zum Aleks, Hanoi Pho und Restaurant Panini. Am See hat man schließlich die Auswahl zwischen Strandrestaurant Forster, Wirtshaus am Steg und Seepost. Eigentlich kann man auch noch den Minigolfplatz dazurechnen, weil man vor dem kleinen Kiosk sehr schön sitzen kann.
Also jede Menge Möglichkeiten, um in nettem Ambiente etwas zu trinken und nette Leute zu treffen.